US-Vorwahlzeichen pro Biden Sanders kämpft um den "Rostgürtel"
10.03.2020, 17:53 Uhr
Bernie Sanders startete stark in die Vorwahlen. Inzwischen hat ihn Joe Biden überholt.
(Foto: imago images/UPI Photo)
Vor vier Jahren gewann Hillary Clinton im Vorwahlkampf der Demokraten unerwartet hauchdünn gegen den linken Bernie Sanders und unterlag danach unerwartet hauchdünn gegen Donald Trump. Beides will der gemäßigte Flügel der Demokratischen Partei mit ihrem Kandidaten Joe Biden verhindern. Seine Chancen stehen gut. Der große Vorwahltermin am heutigen Dienstag könnte eine Vorentscheidung bedeuten.
Wie steht es im Vorwahlrennen der Demokraten?
Seit dem "Super Tuesday" vor einer Woche hat es ein regelrechtes Bewerbersterben gegeben - der Vorwahlkampf der US-Demokraten hat sich von anfangs mehr als 20 Köpfen auf 3 reduziert. Nach seinen klaren Erfolgen ist der gemäßigte Joe Biden Favorit, viele ehemalige Bewerber haben sich auf seine Seite geschlagen. Biden liegt gegenüber Sanders bereits mit 664 zu 573 Delegierten in Führung. Die dritte Kandidatin, Tulsi Gabbard, hat bislang ganze zwei Delegiertenstimmen gewonnen und ist völlig chancenlos. Insgesamt gibt es fast 4000 Delegiertenstimmen, mit denen der Präsidentschaftskandidat beim Parteitag im Juli festgelegt wird und somit den Gegner von US-Präsident Trump bei der Wahl im November.
Worum geht es heute?
Heute werden erneut Hunderte Delegierte bestimmt. Zwei der sechs wählenden Bundesstaaten sind für Sanders von besonderer Bedeutung. Sie können zeigen, ob er eine Chance haben könnte, Biden die Kandidatur zu entreißen: Michigan und Washington. Zugleich wählen Idaho, Mississippi, Missouri und North Dakota.
Warum sind Michigan und Washington so wichtig?
Michigan um die Autostadt Detroit gehört zum "Rust Belt", also "Rostgürtel", der Industrieregion an den Großen Seen, die unter dem wirtschaftlichen Strukturwandel der US-Wirtschaft besonders leidet. Vor vier Jahren feierte Sanders dort seine Auferstehung und wurde zu Hillary Clintons Hauptkonkurrent. Dies geschah jedoch vor allem, weil sehr wenige Menschen zu den Vorwahlen gingen. "Diesmal könnte Michigan sein Begräbnis sein", analysiert deshalb das US-Medium "Politico". Biden liegt wie Clinton vor vier Jahren in Umfragen meilenweit vor Sanders, der auf das gleiche Phänomen wie 2016 hofft. Aber diesmal gibt es keine Vorwahldepression, von der er profitieren könnte. Im Bundesstaat Washington mit der Metropole Seattle indes sieht es für Sanders besser aus, laut Umfragen liegt er mit Biden gleichauf. Gegen Clinton gewann Sanders vor vier Jahren haushoch.
Wie geht Sanders vor?
Sanders weiß um die Bedeutung von Michigan. In den vergangenen vier Tagen tauchte er überall im Bundesstaat auf; unter anderem bei Afroamerikanern, bei muslimischen Wählern, an einer Hochschule. In einer TV-Werbung weist er darauf hin, dass Biden soziale Hilfsprogramme einfrieren wolle und für das nordamerikanische Handelsabkommen Nafta stimmte, das zum Niedergang der Industrieregion geführt habe. Damit versucht er, Biden dessen Unterstützung aus der Arbeiterschicht und bei älteren Altersgruppen insgesamt streitig zu machen. Sanders weiß: Verlöre er beide Vorwahlen, könnte das eine Vorentscheidung im Duell um die Kandidatur der Demokraten sein.
Welche Bedeutung hat das für November?
Der Richtungskampf bei den Demokraten ist vor allem ein internes Thema. Für die Präsidentschaftswahl im November ist er derzeit nicht entscheidend. Landesweit liegt Biden unter Demokraten zwar deutlich vor Sanders, in einer Umfrage des Senders CNN nach dem "Super Tuesday" kommt er auf 52 Prozent, Sanders auf 36 Prozent. Doch fast alle sagen: Egal, wer Kandidat wird, wir stimmen auf jeden Fall gegen Trump.
Wie kann Sanders noch Kandidat werden?
Politologen, Strategen, auch seine eigenen Wahlhelfer sagen, er habe nur eine Chance: Sanders muss so viele junge Menschen mobilisieren wie möglich und damit seine Nachteile bei anderen Wählergruppen irgendwie ausgleichen. Die bisherigen Entscheidungen gewann Sanders bei Wählern zwischen 18 und 29 Jahren allesamt. Aber die Wahlbeteiligung bei dieser Altersgruppe ist tendenziell niedriger als bei anderen. Sanders muss zudem seinen Vorteil bei hispanischen Wählern ausbauen und zugleich Bidens Dominanz bei Afroamerikanern und Arbeitern in Schlüsselstaaten eindämmen. Nicht nur in Michigan ist das unwahrscheinlich.
Welchen Effekt hat Elizabeth Warrens Ausstieg?
Sanders könnte seine linke Basis mit den Wählern von Elizabeth Warren vergrößern - aber nur, wenn man davon ausgeht, dass die Wähler ausschließlich rational nach Inhalten statt nach Sympathie entscheiden. Manches deutet darauf hin, dass Warrens Wähler eher zu Biden überlaufen, obwohl sie bis zu ihrem Ausstieg nach dem "Super Tuesday" inhaltlich Sanders besonders nahestand. Sie unterstützt ihn offiziell nicht. Ihre Anhänger müssen sich nun zwischen einem Kandidaten entscheiden, der zuvor ihr Konkurrent im linken Flügel war und einem, der zurück in die Vergangenheit will, die Trumps Präsidentschaft erst ermöglicht hat (Biden war acht Jahre lang Vizepräsident unter Barack Obama).
Wer gewinnt gegen Trump?
"Electability", Wählbarkeit, ist ein permanentes Thema in den US-Medien und auch Bidens Anhänger argumentieren, er als gemäßigterer Kandidat wäre für Trump ein gefährlicherer Gegner als es Clinton war, weil er neben Afroamerikanern, Weißen und Arbeitern potenziell auch mehr unentschlossene Wähler oder gar Republikaner auf seine Seite ziehen kann. Das liegt zwar nahe, ist aber nicht ausgemacht. Vor vier Jahren entschieden sich die meisten, die weder Clinton noch Trump gut fanden, für den Republikaner. Diesmal wäre es anders herum, die Wähler würden im Zweifel dem demokratischen Kandidaten ihre Stimme geben. Sei es Biden oder Sanders. Hauptsache, Trump geht.
Quelle: ntv.de