Politik

Handlungsfähiger BundestagSchäuble denkt über "Notparlament" nach

04.04.2020, 12:59 Uhr
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Die letzte Sitzung des Bundestags fand bereits mit sozialer Distanz der Abgeordneten statt. (Foto: imago images/IPON)

Erkrankte Abgeordnete, Reisebeschränkungen und soziale Distanz - in der Corona-Krise ist die Aufrechterhaltung des parlamentarischen Betriebs in Berlin ein Kraftakt. Bundestagspräsident Schäuble stellt sich bereits auf weitere Probleme ein. Mögliche Lösungen könnten ein Notparlament oder Online-Sitzungen sein.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble befürchtet, dass die Corona-Krise die Handlungsfähigkeit des Bundestags gefährden könnte. "So etwas haben wir in unseren Lebzeiten noch nicht gehabt", sagte der CDU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". "Wir müssen alles daransetzen, die parlamentarische Demokratie nicht außer Kraft zu setzen."

Deshalb seien jetzt "alle Überlegungen zur Abhilfe erwünscht", sagte Schäuble. "Keine Überlegungen anzustellen wäre falsch." Der Bundestagspräsident hat allen Fraktionsvorsitzenden einen Brief geschrieben, um über mögliche Auswege zu sprechen. Laut "SZ" sind darin zwei Möglichkeiten ausdrücklich erwähnt: virtuelle Sitzungen des Bundestags sowie die Bildung eines kleinen Notparlaments.

Ein Viertel der Abgeordneten fehlte

Bei der jüngsten Sitzung des Bundestages hat wegen der Corona-Krise bereits ein Viertel der Abgeordneten gefehlt. Als Sofortmaßnahme war das Quorum für die Beschlussfähigkeit des Parlaments von 50 auf 25 Prozent der Abgeordneten gesenkt worden. Vorher war mehr als die Hälfte der Abgeordneten nötig. Er "höre aber, dass es durchaus Zweifel gibt, ob diese Maßnahme ausreichend ist", sagte Schäuble. Falls bei den Fraktionsvorsitzenden Interesse daran bestehe, über virtuelle Plenarsitzungen zu reden, sei er dazu gerne bereit.

Für ein Notparlament könnte ins Grundgesetz für die Corona-Krise eine ähnliche Regelung aufgenommen werden, wie sie bereits für den Verteidigungsfall in der Verfassung steht. Vorgesehen ist ein "Gemeinsamer Ausschuss" von Bundestag und Bundesrat, wenn das Parlament nicht rechtzeitig zusammentreten kann. Der Ausschuss besteht nach Artikel 53a aus 48 Mitgliedern. Davon sind zwei Drittel Abgeordnete des Bundestags und ein Drittel Mitglieder des Bundesrats. Eine entsprechende Grundgesetzänderung war bereits vor der Bundestagssitzung im März diskutiert, im Kreis der Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen aber mit Skepsis aufgenommen worden.

Eindeutige Empfehlung

Auch das Bundesinnenministerium schreibt laut "SZ" in einem Vermerk, angesichts der Corona-Krise sei die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit aller Verfassungsorgane "von zentraler Bedeutung". Es bestehe "die Gefahr, dass bei weiterer Verschärfung der Lage reguläre Bundestagssitzungen nicht mehr stattfinden können".

In diesem Fall wäre "der Erlass kurzfristig notwendiger gesetzlicher Maßnahmen nicht mehr möglich". Und erst recht "wären keine Änderungen des Grundgesetzes mehr möglich" - ihnen müssen zwei Drittel aller Bundestagsabgeordneten zustimmen.

In dem Ministeriumsvermerk wird deshalb laut "SZ" eine eindeutige Empfehlung gegeben: Um die Handlungsfähigkeit der Verfassungsorgane sicherzustellen, sollte eine Grundgesetzänderung beschlossen werden, die Bundestag und Bundesrat unter bestimmten Bedingungen "die Durchführung von Sitzungen und Abstimmungen im Online-Verfahren gestattet".

Quelle: ntv.de, sba/AFP

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