"Verkauf von Tafelsilber" Scheuer strikt gegen Bahn-Zerschlagung
06.11.2021, 01:17 Uhr
Scheuer bei der Taufe eines ICE auf den Namen "Bundesrepublik Deutschland" am Juni.
(Foto: picture alliance/dpa)
Seit vier Jahren ist Scheuer Verkehrsminister. Den Reformbedarf der Deutschen Bahn leugnet der CSU-Politiker nicht. Seine eigenen Reformpläne seien nur durch Corona durchkreuzt worden. Den Aufspaltungsideen von FDP und Grünen kann er trotzdem kein gutes Haar abgewinnen.
Während FDP und Grüne bei den Ampel-Koalitionsverhandlungen über eine Zerschlagung der Deutschen Bahn nachgedenken, hält der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer den Vorschlag für eine schlechte Idee. Im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe warnte der CSU-Politiker vor einer Abwicklung des Staatskonzerns. "Wer jetzt die Bahn zerschlagen will und sie damit im internationalen Wettbewerb schwächt, der gefährdet das Unternehmen und Interessen unseres Landes", sagte Scheuer laut dem Bericht.
FDP und Grüne hatten sich in dieser Woche unter anderem für einen Verkauf der profitablen, international operierenden Logistiktochter DB Schenker ausgesprochen, auch um damit die Milliarden-Schulden der Bahn zu begleichen. Scheuer konnte auch diesen Plänen nichts abgewinnen: "Die internationale Ausrichtung eines globalen Konzerns und natürlich die Konzentration auf das nationale Kerngeschäft ist für die Bahn das richtige Zukunftskonzept. Grundlegende Reform ja, Zerschlagung nein."
"Hatte selbst Reform vor, dann kam Corona"
Eine grundlegende Reform der Deutschen Bahn AG sei "ohne Frage nötig", räumte der Verkehrsminister den Funke-Zeitungen gegenüber ein und führte eine Reihe von Schwachpunkten aus: Gesellschaften würden sich gegenseitig blockieren, das Organigramm des Konzerns sei viel zu breit. Er selbst habe bereits einen Umbau der Bahn ins Auge gefasst. "Eine solche Reform hatte ich vor, nur dann kam Corona", sagte Scheuer weiter. Nach der Pandemie müsse ein Kassensturz erfolgen und eine Reform angeschoben werden.
Nachdem grüne und liberale Verkehrspolitiker sich von der Aufspaltung mehr Wettbewerb auf dem Netz, pünktlichere Züge und bessere Taktung erhoffen, räumte auch Scheuer nach vier Jahren im Amt des Verkehrsministers an genau dieser Stelle Nachholbedarf ein. "Die Konzentration auf das nationale Kerngeschäft mit mehr Verkehrsleistung, Service, Pünktlichkeit und Qualität steht außer Frage", so der CSU-Politiker. "Aber dazu braucht es eine finanzielle Basis. Eine Zerschlagung würde diese massiv schwächen - ein Verkauf der DB Schenker wäre ein Verkauf von deutschem Tafelsilber." Ohne die international agierenden Logistiker bei DB Schenker und DB Cargo wären zudem in der Pandemie die Lieferketten abgebrochen, warnte Scheuer im Gespräch mit den Zeitungen: "In Deutschland wären die Bänder still gestanden."
Pro Bahn befürwortet Trennung von Netz und Betrieb
Die Deutsche Bahn äußerte sich zu den Plänen von FDP und Grünen bisher nicht. Innerhalb der Ampel-Koalition gilt die SPD als strikter Gegner der Zerschlagungs-Idee. Fahrgastvertreter bewerten die Aufspaltung dagegen positiv. Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Es geht uns als Fahrgästen darum, die volkswirtschaftlichen Aufgaben wie auch den Ticket-Vertrieb von den betriebswirtschaftlichen, verkehrlichen Aufgaben zu trennen. Die Infrastruktur gehört zur Daseinsvorsorge und zur Raumordnung wie auch zur Entwicklung von Regionen und darf nicht primär die Aufgabe haben, Gewinne zu erwirtschaften."
Eine Trennung sei praktikabel, führte Naumann aus, denn schon heute würden Nicht-DB-Unternehmen ohne Probleme auf den Gleisen der DB fahren, und die DB fahre auf Gleisen, die ihr nicht gehörten. Entscheidend sei aber, dass mehr Geld ins Netz investiert werden. Um die Klimawende zu schaffen, müssten die aktuellen Ausgaben von 88 Euro pro Einwohner und Jahr für das Schienennetz deutlich gesteigert werden, so Naumann. Die Schweiz gebe mehr als das Vierfache aus.
Quelle: ntv.de, mau