Kanzler-Rede im Bundestag Scholz: "Putin hat sich fundamental verrechnet"
14.12.2022, 10:11 Uhr
Die Regierungserklärung des Kanzlers steht im Zeichen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Der Krieg habe auch Deutschland schwer getroffen, aber gleichzeitig habe sich gezeigt: Putin hat die Ukraine und den Zusammenhalt Europas unterschätzt.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz alle seine Ziele beim Krieg in der Ukraine verfehlt. "Kein einziger von Putins Plänen ist aufgegangen", sagte Scholz in einer Regierungserklärung im Bundestag. Putin habe sich "fundamental verrechnet". Er habe geglaubt, seine Truppen würden die Ukraine innerhalb von Tagen überrennen. Er sei davon ausgegangen, dass Europa und der demokratische Westen zu uneinig seien, um der Ukraine wirksam zu helfen. "Er glaubte, er könne Europas Solidarität austrocknen, indem er uns den Gashahn zudreht."
Putin habe sich getäuscht - "über den Mut der Ukrainerinnen und Ukrainer, über Europa, über uns, über den Charakter unserer Demokratien, über unseren Willen, uns zu widersetzen gegen Großmachtwahn und Imperialismus", sagte Scholz. "Das ist die wirkliche Geschichte dieses Jahres 2022." Die Ukraine widerstehe der russischen Aggression, aber auch der Westen habe die Herausforderung angenommen.
"Gemeinsam mit unseren Freunden und Partnern haben wir die Ukraine entschlossen unterstützt - finanziell, humanitär und mit Waffen. Diese Unterstützung setzen wir fort - und zwar genau so lange, wie sie benötigt wird", bekräftigte der Kanzler, der zugleich betonte: "In diesen Wochen geht ein besonders schweres Jahr zu Ende." Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sei ein entsetzlicher Einschnitt.
Scholz weiter gegen EU-Gaspreisdeckel
Gleichzeitig bekräftigte Scholz die skeptische Haltung Deutschlands zu einem europäischen Gaspreisdeckel. "Einfache Sofortlösungen gibt es nicht. Zum Beispiel können wir nicht so in Preise eingreifen, dass dann zu wenig Gas nach Europa geliefert wird." Diese Einsicht sei auch wichtig für die Verständigung, an der der Energierat der EU am Dienstag weitergearbeitet habe. Scholz sagte aber, er sei sicher, dass es eine gute und pragmatische Verständigung gebe.
Die EU-Staaten hatten sich unter anderem wegen Vorbehalten Deutschlands erneut nicht auf einen europäischen Gaspreisdeckel einigen können. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, man habe bei dem Sondertreffen der Energieminister auch Fortschritte erzielt bei technischen Fragen und bei der Struktur des Mechanismus. Offen sei etwa noch, wie hoch der Preis sein solle. Diese Frage solle beim nächsten Energieministertreffen am Montag geklärt werden.
Die EU-Kommission hatte unter dem Druck einer Vielzahl von Staaten vorgeschlagen, unter bestimmten Umständen den Preis für Gas, das am Großhandelsplatz TTF verkauft wird, bei 275 Euro pro Megawattstunde zu deckeln.
Scholz verwies außerdem auf große Fortschritte bei der Energiesicherheit. Nichts beweise das so deutlich wie die Eröffnung des ersten schwimmenden Terminals für Flüssiggas am Samstag in Wilhelmshaven. Die nächsten Terminals folgten in Kürze. Scholz dankte allen Arbeitern und Arbeiterinnen, allen Ingenieuren und Ingenieurinnen, die im Rekordtempo "diese großartige Leistung" vollbracht hätten. "Auch ihnen verdanken wir, dass wir in diesem Jahr gut durch den Winter kommen."
Dobrindt zu Scholz' Europapolitik: "Sie bauen keine Brücken"
Die Union warf Scholz im Bundestag vor, sich in Europa zu isolieren und für die Störungen im deutsch-französischen Verhältnis verantwortlich zu sein. Merz sagte zur Europapolitik des Kanzlers: "Ihnen fehlt fast völlig der Blick auf die Statik dieses Hauses, auf das Fundament dieses Hauses und Ihnen fehlt die Fantasie eines Architekten und der entschlossene Wille eines Baumeisters, dieses Haus in Europa jetzt wetterfest und zukunftsfähig zu machen." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ergänzte: "Sie bauen keine Brücken, Sie reißen sie ein."
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla forderte ein Ende der Russland-Sanktionen. Deutschland als ein Land ohne Rohstoffe und mit hoher Inflation könne es sich gar nicht erlauben, ständig wirtschaftliche Sanktionen zu erlassen. "Dieses Instrument schadet Deutschland ebenso nachhaltig wie seinen Bürgern. Und genau das muss ein Ende haben."
Quelle: ntv.de, vmi/dpa