Sorge um Justizreform Scholz warnt Israel "vor einer Staatskrise"
26.07.2023, 16:06 Uhr Artikel anhören
Die vor Monaten angekündigte Justizreform spaltet die israelische Gesellschaft. So sehr, dass einige sogar bürgerkriegsähnliche Zustände befürchten. Nun äußert die deutsche Regierung Sorge um das Land - hält sich aber mit Kritik noch zurück.
Die Bundesregierung hat mit Sorge auf die Verabschiedung eines Kernelements der umstrittenen Justizreform in Israel reagiert. Im Namen von Bundeskanzler Olaf Scholz und des gesamten Kabinetts trug Regierungssprecher Steffen Hebestreit eine Erklärung vor: "Ich kann sagen, dass die Bundesregierung die Entscheidung des israelischen Parlaments, die am Montag mit knapper Mehrheit ergangen ist, mit einer gewissen Sorge zur Kenntnis nimmt."
Scholz sei mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und mit Präsident Isaac Herzog im Gespräch über die Lage - wobei der Kanzler die Haltung des Präsidenten teile, der die Justizreform kritisch sieht. "Der Bundeskanzler weiß sich einig mit Präsident Herzog, der wiederholt seine Sorge vor der aktuellen Entwicklung geäußert und auch vor einer Staatskrise gewarnt hat", sagte Hebestreit.
Der Sprecher fügte hinzu: "Wir unterstützen die Bemühungen des israelischen Staatspräsidenten, einen Kompromiss zu finden, der von einer breiten Basis der Gesellschaft getragen wird." Dafür brauche es "Zeit und den Willen, Spaltungen zu überwinden und über Kompromisse zu sprechen".
"Wir blicken mit Sorge auf die Spannungen"
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und andere Kabinettsmitglieder hätten "in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten ihre Position, auch ihre Sorgen mit ihren israelischen Freundinnen und Freunden immer wieder deutlich gemacht", sagte Hebestreit. Er fügte hinzu: "Für uns bleibt klar: Aus enger Verbundenheit mit Israel und seinen Menschen blicken wir mit Sorge auf die Spannungen in der israelischen Gesellschaft."
Auf wiederholte Nachfrage während der Regierungspressekonferenz in Berlin vermied es Hebestreit, die Justizreform in Israel im Namen der Bundesregierung ausdrücklich zu kritisieren. Er beließ es bei der Formulierung, dass die Bundesregierung die Entwicklung "mit einer gewissen Sorge" verfolge.
Das israelische Parlament hatte ungeachtet anhaltender Proteste im Land einen entscheidenden Teil der umstrittenen Justizreform der Regierung Netanjahu gebilligt. Die Knesset verabschiedete mit den Stimmen der rechts-religiösen Regierungsmehrheit die sogenannte Angemessenheitsklausel, die dem Obersten Gericht die Möglichkeit nimmt, Regierungsentscheidungen als "unangemessen" einzustufen und sie außer Kraft zu setzen.
Israels Oberstes Gericht wird sich im September mit den Einsprüchen gegen eine umstrittene neue Justizreform befassen. Damit müssen die höchsten Richter des Landes selbst über die von der Regierung beschlossenen Einschnitte in ihre Kompetenzen entscheiden.
Quelle: ntv.de, cls/rts/AFP