"Zusammensetzung überholt" Scholz wirbt für neuen UN-Sicherheitsrat
20.09.2023, 04:40 Uhr Artikel anhören
Russlands Krieg gegen die Ukraine stürzt die ganze Welt ins Leid, sagt Scholz in New York. Allerdings spricht er vor fast gänzlich leeren Rängen.
(Foto: dpa)
In seiner Rede vor den Vereinten Nationen verurteilt Bundeskanzler Scholz erneut den russischen Angriff auf die Ukraine. Dass Peking und Moskau im UN-Sicherheitsrat jede Reform blockieren können, wertet der SPD-Politiker als Beleg, dass das Gremium einen Neuanfang braucht.
Bundeskanzler Olaf Scholz dringt auf eine Reform des UN-Sicherheitsrates und hat den Veto-Mächten indirekt das Recht abgesprochen, eine Neuordnung zu verhindern. "Letztlich liegt es in der Hand der Generalversammlung, über eine Reform des Sicherheitsrates zu entscheiden", sagte der Kanzler in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung laut Redemanuskript. Die Zusammensetzung des Sicherheitsrates, der mit den USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien fünf ständige Mitglieder hat, sei überholt. "Afrika gebührt mehr Gewicht, so wie auch Asien und Lateinamerika."
Den deutschen Wunsch nach einem eigenen ständigen Sitz im höchsten UN-Gremium wiederholte Scholz nicht ausdrücklich, sondern erwähnte die deutsche Kandidatur für einen zweijährigen, nichtständigen Sitz 2027/28. Er erinnerte aber daran, dass Deutschland nach den USA der zweitgrößte Finanzier der UN ist und seine Zusagen für die internationale Klimafinanzierung auf sechs Milliarden Euro verdreifacht hat. Scholz sagte, niemand sollte sich einer Reform des Sicherheitsrates widersetzen. Wenn man sich einig sei, dass Länder der südlichen Halbkugel mehr Repräsentanz bräuchten, könne man über einen Text mit verschiedenen Optionen verhandeln. "Solche ergebnisoffenen Verhandlungen sollte kein Land mit Maximalforderungen blockieren."
Frieden darf keine Scheinlösung sein
Hintergrund ist eine ablehnende Haltung von Russland und China. Theoretisch können sie ein Veto gegen eine Veränderung der Zusammensetzung einlegen. Die Reform wird deshalb seit Jahrzehnten blockiert. Deutschland strebt zusammen mit Indien, Brasilien und Japan im Rahmen der sogenannten G4-Gruppe einen ständigen Sitz an.
Angesichts der Krisen sei in der Welt mehr und nicht weniger Kooperation nötig, sagte Scholz. Die Vereinten Nationen könnten auch nicht durch multilaterale Zusammenschlüsse wie G20, G7 oder den BRICS-Block ersetzt werden. "Nur die Vereinten Nationen - auf Basis der Werte, die in ihrer Charta verkörpert sind - lösen den Anspruch universeller Repräsentanz und souveräner Gleichheit aller vollumfänglich ein." Sie stehe für den Verzicht auf Gewalt, die Ablehnung jeder Form des Revisionismus und für das Bekenntnis zur Zusammenarbeit über Trennendes hinweg. Scholz übte Kritik daran, dass einige Regierungen unter der Formel "Zusammenarbeit nur unter Gleichgesinnten" den Wunsch nach einer Spaltung der Welt verpackten.
Scholz kritisierte erneut scharf Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine und warnte zugleich vor "Schein-Lösungen", die "Frieden" lediglich im Namen trügen. "Frieden ohne Freiheit heißt Unterdrückung", sagte Scholz. "Frieden ohne Gerechtigkeit nennt man Diktat." Die Ukrainer würden "um ihr Leben und ihre Freiheit kämpfen, um die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität ihres Landes, um die Wahrung genau der Prinzipien, denen wir alle uns in der UN-Charta verpflichtet haben".
Der russische Angriffskrieg stürze aber nicht nur die Ukraine in großes Leid, fügte Scholz hinzu. "Unter Inflation, wachsender Verschuldung, Düngemittelknappheit, Hunger und steigender Armut leiden Bürgerinnen und Bürger weltweit." "Weil dieser Krieg unerträgliche Folgen rund um den Globus hat, ist es gut und richtig, dass sich die Welt auch an der Suche nach Frieden beteiligt", sagte Scholz weiter. Russland sei für diesen Krieg verantwortlich. "Und es ist Russlands Präsident, der ihn mit einem einzigen Befehl jederzeit beenden kann."
Quelle: ntv.de, mau/rts/AFP