Regierungserklärung im Bundestag Scholz wirft Merz Wortbruch vor
29.01.2025, 14:37 Uhr
Olaf Scholz sieht mit Blick auf die Anschläge von Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg vor allem ein Vollzugsdefizit.
(Foto: dpa)
Der Bundestag diskutiert über die Migrationspolitik, den Auftakt macht Kanzler Scholz. Er sagt, die jüngsten Anschläge hätten allesamt verhindert werden können, wenn bestehendes Recht angewandt worden wäre. Scharf geht er CDU-Chef Merz an. Nach der Wahl drohe "eine schwarz-blaue Regierung".
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Unionsfraktionschef Friedrich Merz im Bundestag scharf für seinen Vorstoß in der Migrationspolitik kritisiert. "Scheinlösungen" würden der deutschen Verfassung und dem deutschen Ansehen in der Welt schaden, sagte Scholz in einer Regierungserklärung. "Das ist die Antwort für Populisten", rief Scholz dem CDU-Vorsitzenden zu.
Scholz wies zudem darauf hin, dass die katholische und die evangelische Kirche in einem "Brandbrief" vor Merz' Vorschlägen gewarnt hatten. "Das größte Land in der EU würde EU-Recht brechen, so wie das bislang nur Viktor Orbán in Ungarn wagt", so Scholz. Kein Bundeskanzler der CDU hätte dies gewagt.
Zuvor hatte Scholz sich zum Individualrecht auf Asyl bekannt. "Das Recht auf Asyl ist fester Bestandteil unserer Rechts- und Werteordnung. Daran dürfen wir nicht rütteln." Kurz vor der Sitzung des Bundestags hatte das Parlament der Opfer des Holocaust gedacht; Anlass war der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Scholz erinnerte daran, dass deutsche Juden auf der Flucht vor den Nazis zwischen 1933 und 1945 in Ländern abgewiesen wurden, in die sie geflohen waren. Der Anstand gebiete auch heute, dass man zwischen Asylberechtigten und anderen unterscheide.
Scholz sieht "Vollzugsdefizit"
Den Anschlag von Aschaffenburg, der zusammen mit dem Anschlag von Magdeburg die aktuelle Migrationsdebatte angestoßen hatte, nannte Scholz ein abscheuliches, ein monströses Verbrechen. "Mannheim, Solingen, Magdeburg, jetzt Aschaffenburg. Wieder war der Täter jemand, der unseren Schutz missbraucht hat", so der Bundeskanzler. Es stelle sich die dringende Frage, ob und wo Behörden versagt hätten. Er selbst sei "empört". Scholz betonte, alle von ihm genannten Straftaten "hätten mit den bestehenden und von uns verschärften Gesetzen verhindert werden können". Es gebe keine Gesetzeslücke, sondern: "Wir haben ein Vollzugsdefizit."
So hätte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF, schneller handeln müssen. Das Versäumnis, den Täter von Aschaffenburg nicht abzuschieben, sei nicht akzeptabel. Der bayerischen Landesregierung warf Scholz vor, sich mit Schuldzuweisungen an den Bund "aus der Affäre" ziehen zu wollen.
Der Bund könne den gesetzlichen Rahmen setzen, aber die Gesetze müssten auch konsequent angewandt werden. Die von der Ampel verschärften Möglichkeiten müssten von den Ländern jetzt auch genutzt werden. "Wir sind das einzige Land in Europa, dem es im vergangenen Jahr überhaupt gelungen ist, Straftäter nach Afghanistan abzuschieben." Sobald die Lage in Syrien es zulasse, würden auch dorthin Straftäter abgeschoben.
Mit einigen Maßnahmen sei die Bundesregierung hart an die Grenze des europarechtlich Erlaubten gegangen. "Über geltendes Recht hinaus kann, über geltendes Recht hinaus darf man nicht gehen", so Scholz mit Blick auf die Vorschläge von Friedrich Merz. Und er fügte hinzu, es sei nicht gleichgültig, ob man mit extremen Rechten gemeinsame Sache mache. "Nicht in Deutschland!" Diesen "Grundkonsens unserer Republik" habe Merz "im Affekt" aufgekündigt. Merz nehme die AfD für seine "rechtswidrigen Vorschläge" bewusst in Kauf. "Das ist ein schwerer Fehler, das ist ein unverzeihlicher Fehler."
Scholz warf Merz ausdrücklich Wortbruch vor. Er las Zitate vor, in denen Merz versichert hatte, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. "Was sind diese Worte jetzt noch wert?", fragte er. Den Bürgern, so Scholz, sei klar: Nach der Bundestagswahl dürfe es keine Mehrheit "für CDU/CSU und AfD" geben, "sonst droht uns eine schwarz-blaue Regierung in Deutschland". Merz wies diese Vorwürfe in seiner Antwort auf Scholz vehement zurück.
Quelle: ntv.de, hvo