Völkerrechtler zitiert Klausel Schützt das UNRWA Europa vor Gaza-Flüchtlingen?
07.02.2024, 02:04 Uhr Artikel anhören
Demonstranten in Jerusalem fordern die Auflösung des Palästinenserhilfswerks.
(Foto: picture alliance / newscom)
Die Millionentransfers aus Europa für das UN-Palästinenserhilfswerk halten die Menschen trotz Kriegs in Gaza fest. Der Völkerrechtler Hartwig verweist auf eine Ausschluss-Klausel in der Genfer Flüchtlingskonvention. Sollten die Mittel wegen der Terrorvorwürfe ausbleiben, ändere sich die Situation, meint er.
Das unter Terrorverdacht geratene UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA ist laut Völkerrechtlern der Grund dafür, dass die Genfer Flüchtlingskonvention für palästinensische Flüchtlinge nicht gilt. Der Heidelberger Völkerrechtler Matthias Hartwig sagte der "Rheinischen Post", das hänge mit einer Ausschlussklausel in Artikel 1D der Konvention zusammen. Sie betreffe Personen, die 1948 aus Israel oder 1967 aus von Israel besetzten Gebieten geflohen sind, sowie ihre Nachkommen, die weiterhin im Nahen Osten bleiben.
"Es ist sicherlich der Zweck dieser Klausel gewesen, dass diese Personen sich nicht wie andere Flüchtlinge von dort fortbewegen können", vermutete Hartwig der Zeitung gegenüber. Das ändere sich aber in dem Moment, "wenn der UNRWA-Schutz, aus welchen Gründen auch immer, endet". Der Völkerrechtler erläuterte: "Wenn also die UNRWA keine Gelder mehr hat und daher ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, zieht das nach meinem Verständnis nach sich, dass die betroffenen Personen in den Genuss der Genfer Flüchtlingskonvention kommen." Das bedeute, dass palästinensische Flüchtlinge dann von der Möglichkeit Gebrauch machen können, als Flüchtlinge Asyl zu beantragen, sobald sie in ein EU-Land eingereist sind.
Ähnlich sieht es der emeritierte Professor für internationales Flüchtlingsrecht und frühere UN-Berater, Guy Goodwin-Gill: "Die sogenannte Ausschlussklausel ist in Wirklichkeit eine bedingte Einschlussklausel", sagte er laut dem Bericht. In Artikel 1D der Genfer Flüchtlingskonvention heißt es wörtlich: "Dieses Abkommen findet keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen (…) genießen."
UNRWA für sechs Millionen Flüchtlinge zuständig
Die Zahl der Flüchtlinge, die Anspruch auf Dienste des Hilfswerks haben, stieg seit der Gründung vor 75 Jahren von etwa 700.000 auf fast sechs Millionen an. Die Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zeigte laut dem Bericht zuletzt eine geringe Anerkennungsquote: Bei Personen aus den palästinensischen Gebieten, die in Deutschland Schutz suchten, betrug sie beispielsweise 11,5 Prozent, schreibt die "Rheinische Post".
Der Völkerrechtler Hartwig, der am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht tätig ist, verweist als Beleg für seine Einschätzung auf eine EU-Qualifikationsrichtlinie, "die ausdrücklich Bezug nimmt auf die Genfer Flüchtlingskonvention und besagt, dass bestimmte Personen, nämlich diejenigen, welche durch die UNRWA geschützt werden, in Europa keinen Schutz in Anspruch nehmen können". Ob die europäischen Staaten mit ihren jahrzehntelangen Finanztransfers für das UNRWA allerdings explizit auf einen Asylausschluss für Palästinenser abzielen, ist dennoch umstritten. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg und viele nationale Gerichte wiesen in ihrer Asylrechtsprechung die Verbindlichkeit des Ausschlussartikels zurück und gewährten den Schutz trotzdem, schreibt das Blatt.
Nach den Vorwürfen gegen das UN-Palästinenserhilfswerk, rund ein Dutzend seiner Mitarbeiter seien an dem Hamas-Überfall auf Israel beteiligt gewesen, rechnet die Organisation bis Anfang März mit einem vorläufigen Bericht. Das sagte die UNRWA-Vertreterin im Libanon, Dorothee Klaus. Das UNRWA gehe davon aus, dass die Länder, die ihre Finanzierung nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe ausgesetzt haben, ihre Entscheidungen auf der Grundlage der Untersuchung überprüfen werden. Unter anderem die USA und Deutschland hatten kürzlich ihre reguläre Finanzierung des UNRWA ausgesetzt. Israel forderte bereits die Auflösung der UN-Organisation. Sie sei ein Hindernis für eine Friedenslösung im Nahen Osten.
Quelle: ntv.de, mau