Dutzende Ortschaften erobert Selenskyj: "Kursk ist Putins Ende"
12.08.2024, 21:07 Uhr Artikel anhören
Wolodymyr Selenskyj zeigte sich in seiner abendlichen Ansprache siegessicher.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Seit einer Woche läuft die ukrainische Offensive in der Region Kursk - und für den Kreml ist die Bilanz alles andere als erfreulich. Mehr als 130.000 Menschen müssen ihre Häuser verlassen, Dutzende Ortschaften werden durch die Ukrainer eingenommen. Präsident Selenskyj sieht den Sieg in greifbarer Nähe.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit einem historischen Vergleich die Niederlage Russlands im Ukraine-Krieg prognostiziert. "Die Kursk-Katastrophe jährt sich heute zum 24. Mal", sagte Selenskyj mit Blick auf das russische Atom-U-Boot Kursk, das am 12. August 2000, wenige Wochen nach Beginn von Wladimir Putins erster Amtszeit als Präsident - in der Barentssee gesunken war. "Das war der symbolische Beginn seiner Herrschaft", sagte Selenskyj. Mit Hinweis auf die ukrainische Offensive in der russischen Region Kursk sagte Selenskyj, man könne bereits sehen, was Putins Ende sein wird: "Kursk ist Putins Ende. Die Katastrophe seines Krieges".
Russland muss nach Selenskyjs Darstellung zum Frieden gezwungen werden. In seiner Ansprache erklärte er: "Wenn Putin so sehr kämpfen will, muss Russland gezwungen werden, Frieden zu schließen." Der jüngste Vorstoß auf russisches Territorium sei für die Ukraine eine Frage der Sicherheit. Es seien Gebiete erobert worden, von denen aus Russland Angriffe gestartet habe.
Nach eigener Darstellung kontrolliert die Ukraine inzwischen etwa 1000 Quadratkilometer des russischen Staatsgebiets. Dies entspricht etwas mehr als der Fläche Berlins. Selenskyj veröffentlichte in sozialen Medien ein Video eines entsprechenden Berichts von Armeechef Olexandr Syrskyj zur Offensive in der Oblast Kursk. Deren Gouverneur, Alexej Smirnow, hatte zuvor erklärt, die Ukraine sei zwölf Kilometer vorgerückt und habe 28 Ortschaften unter ihre Kontrolle gebracht.
Mehr als 130.000 Menschen evakuiert
Der bekannte ukrainische Militär-Telegramkanal "DeepState" berichtete dagegen von mindestens 44 "befreiten" Ortschaften in der Oblast Kursk. "Der Status von zehn weiteren Ortschaften ist unbekannt", hieß es. "Dies ist eine äußerst konservative Schätzung". Eine unabhängige Prüfung der Angaben ist derzeit nicht möglich.
Kursk liegt nordöstlich der Ukraine. Die ukrainischen Truppen überquerten am 6. August überraschend die Grenze. Nach russischen Angaben wurden inzwischen rund 120.000 aus der Region Kursk und 11.000 weitere aus Teilen der Nachbarregion Belgorod evakuiert.
Schwere Kämpfe im Donbass
Putin erklärte bei einer Sitzung zur Lage im Grenzgebiet, die Regierung in Kiew versuche "mithilfe ihrer westlichen Herren" sich in eine bessere Position für etwaige Verhandlungen zu bringen. Die vordringliche Aufgabe sei nun, den Feind wieder zu vertreiben. Nach seinen Angaben hat die russische Armee dagegen entlang der restlichen, etwa 1000 Kilometer langen Front ihr Vorrücken beschleunigt.
In der Tat meldete die Ukraine schwere Kämpfe im Donbass. Einmal mehr versuchten die russischen Streitkräfte, die ukrainischen Stellungen rund um Torezk und Pokrowsk zu durchbrechen, wie der Generalstab in Kiew in seinem abendlichen Lagebericht mitteilte. Bei Torezk seien die russischen Bodentruppen auch von einem Dutzend Luftangriffen unterstützt worden. Schwere Gefechte lieferten sich russische Angreifer und ukrainische Verteidiger rund um Pokrowsk. Insgesamt seien im Tagesverlauf rund 25 Vorstöße russischer Einheiten registriert worden, von denen ein Großteil abgeschlagen worden sei.
Zum Stand der ukrainischen Gegenoffensive bei Kursk macht der Generalstab keine detaillierten Angaben. Es hieß dazu lediglich, dass russische Artillerie und Kampfflugzeuge versuchten, Stellungen der ukrainischen Streitkräfte bei Sumy im Osten des Landes anzugreifen. Das Gebiet um Sumy gilt als Nachschublinie und Aufmarschgebiet für die Offensive bei Kursk.
Russland kontrolliert nach seinem Einmarsch im Februar 2022 gegenwärtig etwa 18 Prozent der Ukraine, insbesondere im Osten des Landes. Dazu kommt die Halbinsel Krim, die die Regierung in Moskau 2014 einseitig für annektiert erklärt hatte. Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Sergej Schoigu, sagte noch vergangene Woche, Russland habe seit dem 14. Juni weitere 420 Quadratkilometer erobert.
Quelle: ntv.de, uzh/rts/dpa