"Welchen Ausweg haben wir?" Selenskyj wirbt in Brüssel verzweifelt für seinen "Siegesplan"
17.10.2024, 19:57 Uhr Artikel anhören
Entweder NATO oder Atomwaffen: Trump habe dafür Verständnis gezeigt, sagt Selenskyj.
(Foto: picture alliance/dpa/Belga)
Der ukrainische Präsident Selenskyj will mit einem "Siegesplan" den russischen Angriffskrieg beenden. Ein Kernpunkt: Sein Land soll Teil der NATO werden. Beim EU-Gipfel und bei NATO-Chef Rutte stößt er auf Zurückhaltung. Um die Alternativlosigkeit seines Ansinnens zu illustrieren, spricht Selenskyj sogar über Atomwaffen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei der NATO und beim EU-Gipfel für eine Beitrittseinladung für sein Land in das Verteidigungsbündnis als Teil seines "Siegesplanes" gegen Russland geworben. "Die Ukraine verdient es, NATO-Mitglied zu werden", sagte Selenskyj bei einem gemeinsamen Auftritt mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte - und fügte mit einem Seitenblick auf Rutte hinzu "eines Tages". Er nannte es "falsch, die Ukraine politisch von dem Bündnis auszuschließen, wenn sie in der Praxis bereits Teil der NATO ist".
Rutte fiel Selenskyj in der Pressekonferenz mehrfach ins Wort, auch bei der Beitrittsfrage. "Die Ukraine wird ein NATO -Mitglied werden, daran besteht kein Zweifel", versicherte Rutte. Vor Selenskyjs Besuch hatte sich der neue Generalsekretär noch zurückhaltender geäußert. Er verwies auf die Erklärung des Bündnis-Gipfels in Washington im Juli, wonach die Ukraine auf einem "unumkehrbaren" Weg zur Mitgliedschaft ist. Wann genau der Beitritt erfolge, könne er jedoch nicht sagen, räumte der Niederländer ein.
Selenskyj wies im NATO-Hauptquartier zudem Medienberichte zurück, er habe bei seinem vorherigen Auftritt auf dem EU-Gipfel eine mögliche Wiederbewaffnung seines Landes mit Atomwaffen angedeutet. "Wir haben nie darüber gesprochen, dass wir den Bau von Atomwaffen vorbereiten", sagte der Präsident.
"Welchen Ausweg haben wir?"
Vielmehr habe er auf das Budapester Memorandum von 1994 verwiesen. Damals habe die Ukraine auf die Atomwaffen auf ihrem Gebiet verzichtet und im Gegenzug Sicherheitsgarantien auch von Russland erhalten. Der russische Präsident Wladimir Putin habe die Garantien jedoch durch sein militärisches Vorgehen aufgekündigt, deshalb sei die NATO-Mitgliedschaft heute die einzige Alternative für die Ukraine.
Selenskyj hatte zuvor gesagt: "Welchen Ausweg haben wir? Entweder wird die Ukraine Atomwaffen haben oder wir müssen in irgendeiner Allianz sein." Dazu ergänzte er, dass er außer der NATO keine funktionierenden Allianzen kenne.
Mit Blick auf möglichen Widerstand aus den USA gegen eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine erklärte Selenskyj, dass er auch mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bereits über das Thema gesprochen habe. Und er denke, dass dieser ihn in diesem Fall verstanden habe. Die Ukraine wolle die NATO und nicht Atomwaffen, betonte er.
Rutte verweist auf NATO-Beschlüsse
Für amerikanische Sorgen, dass eine Einladung der Ukraine in die NATO die Vereinigten Staaten ungewollt in einen Krieg hineinziehen könnte, äußerte Selenskyj kein Verständnis. "Eine Einladung ist ein präventiver Schritt, um zu zeigen, dass es nicht Putin ist, der die Welt verändert", sagte er mit Blick auf die Kriegspolitik des russischen Präsidenten.
Der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte hatte am Mittwoch zurückhaltend auf den Wunsch des ukrainischen Präsidenten nach einer schnellen Einladung zum Bündnisbeitritt seines Landes reagiert. Natürlich sei der Plan "ein starkes Signal von Selenskyj", sagte Rutte. "Das bedeutet nicht, dass ich hier sagen kann, dass ich den ganzen Plan unterstütze", erklärt er. "Das wäre etwas schwierig, da es viele Punkte gibt, die wir besser verstehen müssen."
Rutte verwies auf die Beschlüsse des jüngsten NATO-Gipfels in Washington. Dabei wurde noch einmal betont, dass eine formelle Einladung zum Beitritt erst ausgesprochen werden kann, wenn alle Alliierten zustimmen und alle Aufnahmebedingungen erfüllt sind. Dazu zählen Reformen in den Bereichen Demokratie, Wirtschaft und Sicherheit.
Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP