"Teil unseres Aufschwungs" Serbien liefert Kiew Munition über Drittstaaten
23.06.2024, 00:20 Uhr Artikel anhören
"Unsere slawischen Brüder": Serbiens Präsident Vucic (r.) empfängt Mitte Mai den ukrainischen Außenminister Kuleba.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine müht sich Serbien um Neutralität und schließt sich den westlichen Sanktionen nicht an. Dennoch verkauft das Land Munition, die über Umwege in der Ukraine landet. Präsident Vucic bestätigt die Praxis. Das Geschäft sei wichtig für die heimische Rüstungsindustrie.
Serbien hat diskret seine Munitionsverkäufe an den Westen gesteigert, was letztlich der Verteidigung der Ukraine zugutekommt - und das, obwohl es eines von nur zwei europäischen Ländern ist, das sich den westlichen Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen hat. Schätzungen, die der "Financial Times" vorliegen, kommen auf Waffenverkäufe im Wert von etwa 800 Millionen Euro, die seit Russlands Angriffskrieg über Drittparteien in die Ukraine gelangt sind. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic bezeichnete laut dem Bericht diese Summe als weitgehend zutreffend. Er stellte die Situation als Geschäftsmöglichkeit dar und betonte, er werde in diesem Krieg keine Partei ergreifen.
"Das ist Teil unseres wirtschaftlichen Aufschwungs und wichtig für uns. Ja, wir exportieren unsere Munition", sagte er in einem Interview. "Wir können nicht in die Ukraine oder nach Russland exportieren … aber wir haben viele Verträge mit Amerikanern, Spaniern, Tschechen und anderen. Was sie damit letztlich machen, ist ihre Sache."
Weiter führte Vucic aus: "Auch wenn ich weiß, wo die Munition landet, ist das nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass wir mit unserer Munition legal umgehen und sie verkaufen. Ich muss mich um mein Volk kümmern, das ist alles. Das ist alles, was ich sagen kann. Wir haben Freunde in Kiew und in Moskau. Das sind unsere slawischen Brüder." Auf die Frage, ob der Betrag von 800 Millionen Euro im richtigen "Bereich" liege, antwortete er, nicht in einem Jahr, sondern "vielleicht in zwei oder drei Jahren, so ungefähr".
Distanz zu Putin
Serbien ist weder Mitglied der NATO noch der EU, und die Bevölkerung des Landes hegt seit Langem eine Bindung zu Russland, während sie gegenüber dem Westen nach den NATO-Bombardements auf das Land im Jahr 1999 einen Groll hegt. Belgrad rechnet auch damit, dass Moskau die internationale Anerkennung des Kosovo blockieren wird, der ehemaligen serbischen Provinz, die von den meisten westlichen Staaten anerkannt wird, der Russland und China jedoch eine UN-Mitgliedschaft verwehren.
Vucic hat dem westlichen Druck, die Sanktionen gegen Russland zu übernehmen, widerstanden, obwohl er erklärt, er sei fest entschlossen, sein Land in die EU zu holen. Er hat außerdem versucht, auf Nummer sicher zu gehen und Distanz zwischen sich und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu wahren.
Geschäfte verschleiert
"Europa und die USA haben jahrelang daran gearbeitet, Vucic von Putin zu distanzieren", sagte ein westlicher Diplomat dem Blatt und fügte hinzu, ein entscheidender Akteur sei der US-Botschafter Christopher Hill gewesen, der einen Monat nach dem russischen Überfall auf die Ukraine in Belgrad eintraf. "Alle haben erwartet, dass Hill mit Vucic kämpft, aber sein einziges Ziel war es, Belgrad von Moskau zu distanzieren", sagte der Diplomat. "Das ist ihm gelungen. Vucic hat Putin seit Jahren nicht getroffen, nicht einmal angerufen."
Serbien hatte während des Kalten Krieges, als es noch Teil Jugoslawiens war, eine florierende Rüstungsindustrie und stellt Munition im sowjetischen Kaliber her, die noch heute in den ukrainischen Streitkräften weitverbreitet ist. Serbien schließt sich zudem einem weltweiten Trend an, seine Waffenverkäufe zu steigern. Die Beteiligung Serbiens am Munitionsfluss in die Ukraine sei allerdings so verschleiert, dass sie sich nicht in offiziellen Daten wiederfinde, sagen Diplomaten und Analysten laut "Financial Times". Das Kieler Institut für Weltwirtschaft, das die Unterstützung für die Ukraine beobachtet, habe die serbischen Aktivitäten nicht direkt verfolgt und keine systematischen Beweise für serbische Beiträge gefunden, heißt es dort.
Quelle: ntv.de, mau