Ukraine-Talk bei Markus Lanz "Sollten bei Waffenlieferungen etwas mehr Mut haben"
13.09.2023, 04:08 Uhr Artikel anhören
Nennt das Zögern des Kanzlers "Misstrauen": Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Bundesaußenministerin Baerbock hat der Ukraine weitere Hilfen zugesichert. Doch was die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern angeht, kann sie keine Zusagen machen. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz macht CDU-Politiker Kiesewetter einen Vorschlag zur Lieferung dieser weitreichenden Waffen.
Schon seit einiger Zeit wünscht sich die Ukraine die Lieferung von besonderen Luft-Boden-Marschflugkörpern. Der Taurus-Marschflugkörper ist das deutsch-schwedische Gegenstück zum Storm Shadow/Scalp, der von Frankreich und Großbritannien entwickelt wurde. Diese Waffen können Ziele in einer Entfernung von bis zu 500 Kilometern erreichen. Das entspricht knapp der Strecke von Berlin bis Köln.
In der ZDF-Talkshow Markus Lanz haben sich die Gäste am Abend darüber gestritten, warum die Bundesregierung, vor allem Bundeskanzler Scholz, mit der Lieferung dieser Waffen zögert. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock konnte bei ihrem Ukraine-Besuch am Montag keine entsprechenden Zusagen machen. Aber zumindest versicherte sie ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba, Europa wisse, dass die Ukraine auch für die Freiheit der westlichen Länder kämpfe. Dafür sei Europa dem Land "auf ewig dankbar".
"Ich würde es so nicht formulieren"
Mit ihrer Äußerung habe Baerbock den Respekt und ihre Wertschätzung vor dem ukrainischen Volk ausdrücken wollen, sagt CDU-Politiker und Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine richte sich weniger gegen das Militär, sondern viel mehr gegen zivile Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser. Russland erkenne das Existenzrecht der Ukraine nicht an. Würde die Ukraine fallen, würde Russland gegen andere ehemalige Sowjetrepubliken wie Moldau oder die baltischen Staaten vorgehen. "Darin ist die Außenministerin sehr klar. Ich wünschte mir, die ganze Bundesregierung wäre es."
"Ich würde es so nicht formulieren", entgegnet SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner. Richtig sei, dass Russlands Präsident Putin ein Kriegsverbrecher sei, weil er zum Beispiel die Entführung tausender ukrainischer Kinder angeordnet habe. "Krieg ist das Schaurigste, das es gibt." Dennoch gebe es einen Dissens in der Bundesregierung, sagt Stegner. Ihm gehe es um die Frage, wie dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden kann. "Der Satz von Baerbock klingt mir ein bisschen danach, wie lange dieser Krieg dauern kann. Diese Logik finde ich nicht richtig."
Je länger der Krieg dauere, desto mehr Waffen müssten die westlichen Länder liefern. Dafür müsste eine Mehrheit in der Bevölkerung gefunden werden. "Ich glaube nicht, dass das ein Spaziergang ist." Gleichzeitig gebe es Statistiken, die die Zahl der Toten verzeichneten, die das zögerliche Verhalten von Bundeskanzler Scholz bei den Waffenlieferungen verursacht hätte. "Ich glaube, durch die Waffen, die geliefert werden, gehen auch Menschenleben verloren", so Stegner. Der SPD-Politiker befürwortet die Lieferung von Flugabwehrraketen, denn die würden die Bevölkerung schützen. "Bei den Taurus-Waffen ist das anders, die fliegen sehr weit, möglicherweise nach Russland. Das hat ein ganz anderes Aggressionspotential", fürchtet Stegner.
Waffenlieferungen mit Verträgen
Während Stegner von Klugheit und Vorsicht der Bundesregierung spricht, nennt es Kiesewetter "Misstrauen". Und er hat einen Vorschlag: "Frankreich und Großbritannien haben Storm Shadows geliefert. Dazu haben sie zwei Verträge ausgehandelt, und die Ukrainer müssen alle Bedingungen erfüllen. Das Vertrauen ist in den Vertrag gegossen." Auch die USA haben laut Kiesewetter die Lieferung von sogenannter Cluster-Streumunition an Bedingungen geknüpft. "Darüber müssen die Ukrainer jeden Tag berichten", so Kiesewetter. "Und nun sagen die Ukrainer: Die anderen vertrauen uns, warum können wir nicht einen solchen Vertrag auch mit dem Kanzler abschließen?" Für Kiesewetter ist die Ukraine ein verlässlicher Partner. Immerhin habe deren Armee keine aus westlicher Produktion stammenden Waffen auf russischem Boden eingesetzt. "So könnte das Kanzleramt viel Boden gutmachen."
"Ich bewundere Ihren Optimismus", entgegnet Stegner. Tatsächlich sind in der leidvollen Geschichte der Ukraine schon viele Verträge gebrochen worden. Zum Beispiel das Budapester Memorandum von 1994. Darin wurde die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenze festgelegt. Dafür beseitigte das Land sämtliche Atomwaffen auf seinem Staatsgebiet. Diesen Vertrag hat Russland mit dem Angriff auf die Ukraine gebrochen, und darauf zielt Stegner ab, wenn er sagt: "Der Bundeskanzler hat eine Verantwortung dafür, dass der Krieg sich nicht ausdehnt. Dafür ist es gut, wenn man Verträge hat, aber man kann sich auch täuschen."
Doch davon lässt sich Kiesewetter nicht beirren. Während Stegner auf Vermittlungen für einen Friedensvertrag durch Länder wie China und Brasilien setzt, fordert der CDU-Politiker: "Wir sollten etwas mehr Mut aus dem Kanzleramt haben." Und viel Vertrauen.
Quelle: ntv.de