Miersch bei "Maischberger" Souverän, ehrlich, aber kein Kühnert
16.10.2024, 05:23 Uhr Artikel anhören
Thorsten Frei (l.) und Matthias Miersch bei "Maischberger".
(Foto: WDR/Oliver Ziebe)
Seit gut einer Woche ist Matthias Miersch Generalsekretär der SPD. Am Dienstagabend kann er bei "Maischberger" erstmals auf großer Bühne zeigen, was er kann. Die Diskussion mit CDU-Politiker Thorsten Frei meistert er überzeugend.
Boris Pistorius wäre ein guter Kanzler, sagt Matthias Miersch. Der SPD-Generalsekretär braucht eine gewisse Zeit, bis ihm klar wird, was er da gerade gesagt hat, darum fügt er hinzu: "Aber wir haben einen Kanzler." Und die Ampel habe in der nächsten Woche viel vor sich.
Seit gut einer Woche ist Miersch neuer Generalsekretär der SPD. Am Dienstagabend hat er bei "Maischberger" im Ersten seinen ersten Talkshow-Auftritt in der neuen Funktion. Er wirkt souverän und selbstsicher, meistert die Diskussion mit dem 1. Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, zwar nicht mit Bravour, aber überzeugend.
Miersch tut das, was sein Amtsvorgänger Kevin Kühnert bereits getan hat - und was seine Aufgabe ist: Er vertritt seine Partei. Beide Sozialdemokraten gehören eigentlich zum linken Flügel der SPD. Mit dem Amtsantritt mussten sie ihre eigenen Überzeugungen allerdings hinten anstellen.
Die Wirtschaftspläne der SPD
Bei seinem ersten Talkshow-Auftritt werden allerdings auch Unterschiede deutlich. Miersch ist themensicher, er hat sich gut vorbereitet. Zwischendurch macht er auch mal einen kleinen Witz. Aber eins ist offensichtlich: Ein Schöngeist wie Kühnert ist er nicht. Dieser konnte Sätze vom Anfang bis zum Ende in Schriftdeutsch formulieren, mit jeder Menge Verschachtelungen.
Mierschs Sätze sind lange nicht so geschliffen wie die seines Vorgängers. Er spricht, wie er denkt: geradeheraus, frei von der Leber weg. Dennoch ist das, was er sagt, manchmal nicht leicht zu begreifen. Vor allem, als er zu Beginn der Diskussion den Entwurf des SPD-Vorstands zur Wirtschafts- und Steuerpolitik verteidigt. Ein wenig nervös wirkt er dabei.
Die "arbeitende Mitte" solle mehr Geld in der Tasche haben, "Reiche" dafür mehr abgeben, sagt Miersch. Das ist eine der Forderungen, mit der die SPD in den Bundestagswahlkampf gehen will. Konkret denken die Sozialdemokraten über eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer nach. Die hatte es gut hundert Jahre lang in Deutschland gegeben, und sie hatte dem Staat viel Geld in die Tasche gespült. 1997 war sie jedoch "ausgesetzt" worden.
Frei fordert Agenda 2030
Nun will die SPD Einkommen und Vermögen reicher Menschen wieder besteuern. "Erstmal haben wir eine politische Grundsatzentscheidung getroffen am Wochenende im Vorstand", sagt Miersch. "Wir wollen 95 Prozent der Bevölkerung, der Arbeitenden, die in unserm Land wirklich auch unter Inflationsdruck stehen und standen, die wollen wir entlasten. Und jetzt kommt es sehr drauf an, wie man entlastet und wie man belastet." Diese Diskussion sei die Feinarbeit, die jetzt vor der SPD liege.
Was Miersch meint, wird etwas später deutlicher: Wenn ein allein lebender Mensch im Jahr ein zu versteuerndes Einkommen von 66.761 Euro hat, muss er 42 Prozent zahlen. Bei Partnern liegt die Grenze bei 133.521 Euro. Ab rund 278.000 Euro bei Alleinverdienern greift dann erst der Reichensteuersatz von derzeit 45 Prozent. Diesen Höchstsatz zahlt dann jeder, der darüber liegt, selbst wenn er Millionen verdient. Das findet die SPD ungerecht. Sie will höhere Einkommen stärker besteuern. "Wir haben erst einmal eine Zielbestimmung gemacht, und da haben wir gesagt, bei einem Jahreseinkommen von 278.000 Euro könnte der Spitzensteuersatz auf 48 Prozent ansteigen", sagt Miersch. "Das ist in der Diskussion, aber das ist die politische Grundsatzentscheidung, die der Vorstand getroffen hat."
Obwohl auch die CDU vor etwa anderthalb Jahren über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer nachgedacht hat, kritisiert Thorsten Frei die Idee des SPD-Vorstands. Nach der von Kanzler Gerhard Schröder auf den Weg gebrachten Agenda 2010 brauche es jetzt eine Agenda 2030, sagt er. Nur so könne Deutschland aus der aktuellen Wirtschaftskrise wieder herauskommen.
"Warten wir doch erstmal ab"
"Aber wir sehen keine Regierungspartei, die die Kraft hätte zu einer solchen Agenda 2030", sagt Frei. Er bezieht sich auf CDU-Chef Friedrich Merz. Der hatte in einer anderen Talkshow vorgerechnet, dass man den Spitzensteuersatz um 60 Prozent anheben müsse, um 95 Prozent der Steuerzahler zu entlasten. Frei rechnet weiter: Bei einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes um einen Prozentpunkt kämen bis zu 1,5 Milliarden Euro für die restlichen Verdiener heraus. Die Pläne der SPD brächten höchstens 9 Milliarden Euro, man brauche aber etwa 15 Milliarden. Unklar bleibt, woher Frei die Grundlagen für seine Rechnung nimmt.
Miersch verteidigt sich damit, dass die SPD erstmal einen Entwurf vorgelegt habe, der noch ausgearbeitet werde. Dann könne man mit der Union auch darüber diskutieren.
Doch Frei hat noch mehr Kritikpunkte. Die SPD entlaste mit ihren Plänen die deutschen Unternehmen nicht. "Wenn man das umsetzen würde, dann würde es Hunderttausende von Arbeitsplätzen ins Ausland vertreiben. Und deswegen ist es so schädlich, deswegen ist es so leistungsfeindlich", sagt er. Miersch nennt das eine Unterstellung. Die SPD wolle in Unternehmen investieren. Der Plan des SPD-Vorstands sähe vor, "dass es dann auch eine 'Supersonderabschreibung' gibt, die dann auch die Wirtschaft beflügelt." Und er fügt hinzu: "Warten wir doch jetzt erstmal ab, wie dieses Konzept genau aussieht."
Quelle: ntv.de