Ultrarechts erstarkt bei Wahl Sozialdemokraten führen in Rumänien
02.12.2024, 05:45 Uhr Artikel anhören
Die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Marcel Ciolacu liegen bei der Wahl vorn. Die Regierungsbildung könnte jedoch schwierig werden.
(Foto: via REUTERS)
Die Rumänen wählen ihr Parlament neu. So wie es aussieht, bleiben die Linken stärkste Kraft. Die rechten Kräfte legen jedoch enorm zu. Auch könnte das NATO-Land, das an die Ukraine grenzt, bald einen rechtsextremen und russlandfreundlichen Präsidenten bekommen.
Bei der Parlamentswahl in Rumänien haben die Ultrarechten nach einem Zwischenstand bei der Auszählung deutlich hinzugewonnen. Die Sozialdemokraten (PSD) standen nach Auszählung der Stimmen in gut 90 Prozent der Wahllokale aber weiter als stärkste Kraft dar, wie die zentrale Wahlbehörde in Bukarest bekannt gab. Die PSD lag bei fast 24 Prozent der Wählerstimmen. Die extrem rechte Partei AUR kam auf fast 18 Prozent. Sollte sich dies im Endergebnis wiederfinden, würde das eine Verdopplung ihrer Stärke im Vergleich zur Parlamentswahl vier Jahre zuvor bedeuten.
Bei den Teilergebnissen kommt die bürgerliche Partei PNL mit rund 14 Prozent der Stimmen auf Platz drei, gefolgt von der konservativ-liberale Reformpartei USR mit etwa 11 Prozent. Auf Platz fünf kommt demnach die Ungarn-Partei UDMR mit rund 7 Prozent.
Der sozialdemokratische Regierungschef Marcel Ciolacu sagte, mit dem Wahlergebnis hätten die Menschen in Rumänien "ein wichtiges Signal" gesetzt und sich dafür ausgesprochen, "den europäischen Weg fortzusetzen, aber auch unsere Identität und unsere nationalen Werte zu schützen". AUR-Chef George Simion hingegen sprach von einem "Beginn einer neuen Ära, in der die Rumänen ihr Recht zurückerobern, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden".
Rechtsextremer könnte Präsident werden
Beobachter gehen davon aus, dass die Aussicht, dass der parteilose, rechtsextreme und kremlfreundliche Kandidat Calin Georgescu kommende Woche die Präsidentenwahl gewinnen könnte, die Beliebtheit von AUR gesteigert hat. AUR unterstützt Georgescu, der bei der ersten Runde der Präsidentenwahl eine Woche zuvor überraschend auf Platz eins gekommen war. Ministerpräsident Ciolacu, der das Präsidentenamt anstrebte, landete nur auf dem dritten Platz und zog damit nicht in die Stichwahl am 8. Dezember ein. In die Stichwahl eingezogen war auch Elena Lasconi von der konservativ-liberalen Reformpartei USR. Das Oberste Gericht ordnete allerdings eine Neuauszählung der Stimmen an.
Die Parlamentswahl habe nicht zu einer "Klärung" der Situation beigetragen, sagte der Politologe Cristian Pirvulescu. "Wir sehen ein außergewöhnlich zersplittertes Parlament, wodurch zahlreiche Risiken entstehen", sagte er. Dies deute auf schwierige Verhandlungen zur Regierungsbildung hin.
Bislang hatte sich das 19-Millionen-Einwohner-Land Rumänien einem Rechtsruck widersetzt, Experten zufolge hat die Wut über die steigende Inflation und die Regierung allerdings zugenommen.
Wichtiger NATO-Standort
Es gab Spekulationen, dass die Parlamentswahl und die zweite Runde der Präsidentschaftswahl auch zu einem Kurswechsel in der Außenpolitik insbesondere mit Blick auf die Ukraine und Russland führen könnten. Das EU- und NATO-Land Rumänien hat angesichts des russischen Angriffskriegs eine große strategische Bedeutung, 5000 NATO-Soldaten sind in Rumänien stationiert.
Nach der Präsidentschaftswahl hatte das rumänische Präsidialamt erklärt, der parteilose Georgescu habe bei seinem Wahlkampf auf Tiktok "massiv" von seiner Reichweite profitiert, die das Netzwerk mit einer "bevorzugten Behandlung" noch vergrößert habe. Vor der zweiten Wahlrunde müssten daher "Sofortmaßnahmen" gegen Tiktok ergriffen werden.
Nach Angaben des Präsidialamtes gab es zudem "Cyberangriffe", die den ordnungsgemäßen Ablauf des Wahlprozesses "beeinflussen" sollten. Der rumänische Verteidigungsrat habe auch "ein wachsendes Interesse" Russlands festgestellt, erklärte das Präsidialamt. Tiktok wies die Vorwürfe einer Wahlbeeinflussung als "falsch und irreführend" zurück.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP