Hilfspaket im Bundestag Spahn: Werden keinen Blankoscheck ausfüllen
21.10.2022, 04:09 Uhr
Spahn würde gerne erstmal sparen, zum Beispiel beim Bürgergeld.
(Foto: ZDF und Svea Pietschmann)
Heute entscheidet der Bundestag über die Finanzierung von Olafs Scholz' "Doppel-Wumms", des Hilfspakets der Bundesregierung. Damit soll unter anderem die Gaspreisbremse bezahlt werden. Warum die Union dagegen ist, erklärt Wirtschaftspolitiker Jens Spahn bei Maybrit Illner im ZDF.
200 Milliarden Euro neue Schulden - darüber soll im Laufe des Tages der Bundestag entscheiden. Sie stecken in einem sogenannten Sondervermögen, aus dem unter anderem die Gas- und die Strompreisbremse bezahlt werden sollen. Mit den Stimmen der Ampelkoalition wird am Ende die Finanzierung auch gewährleistet sein. Doch bei der Debatte wird es heftigen Gegenwind aus der Opposition geben, und die Union wird der Finanzierung nicht zustimmen. Das stellte der stellvertretende Unions-Fraktionschef Jens Spahn bei Maybrit Illner im ZDF klar.
Die Union wolle Menschen mit niedrigen Einkommen unterstützen. Wenn aber der Bundestag über die Finanzierung abstimme, wisse niemand, wie der Vorschlag der Bundesregierung konkret laute. "Es gibt einen Vorschlag der Gaskommission, der ist jetzt eineinhalb Wochen alt. Aber wir wissen nicht, was die Bundesregierung umsetzen wird", so Spahn. Bürger und Industrie müssten endlich darüber Bescheid wissen, was in diesem Winter auf sie zukommt. Bisher sei lediglich angekündigt worden, dass im März wahrscheinlich die Finanzierung des Gasgrundbedarfs kommen solle. Das sei komplex, gab Spahn zu. "Aber wenn wir das schon vor vier Monaten gemacht hätten, wäre er jetzt da." Tatsächlich hatte die Union schon vor Monaten eine Gaspreisbremse als Ersatz für die Gasumlage ins Gespräch gebracht.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärte in der Sendung, dass man nicht wisse, ob man den vollen Betrag von 200 Milliarden Euro überhaupt brauche. Vielleicht werde er aber auch gar nicht ausreichen. Auch die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, geht davon aus, dass im nächsten Jahr ein weiteres Hilfspaket beschlossen werden müsse - das wäre dann Nummer vier. Sie glaubt, die Verschiebung der Schuldenbremse wäre eine ehrlichere Politik.
"Keiner investiert in Deutschland"
Spahn sieht noch ein weiteres Problem: Im Augenblick investiere kein mittelständisches Unternehmen. Das bestätigte auch BDI-Präsident Siegfried Russwurm bei Illner: Laut einer Umfrage könne sich die Mehrheit der mittelständischen Wirtschaftsunternehmen wegen der hohen Inflation in Deutschland keine Investitionen leisten, selbst bereits geplante Neuentwicklungen müssten zurückgestellt werden.
"Wir brauchen Planungssicherheit, damit Investitionen stattfinden", sage Spahn. Auch hier sage der Gesetzentwurf der Ampelkoalition nichts aus. Man wisse nicht, wofür die 200 Milliarden konkret ausgegeben werden sollten. "Das ist so, als wenn man in einer Kneipe seinen Deckel bezahlen muss, bevor man überhaupt weiß, wie viel man getrunken hat", so Spahn. Die Union sei nicht bereit, einen Blankoscheck zu unterzeichnen. "Das Instrument an sich halten wir für ein mögliches, das kann man machen", so Spahn weiter. Aber man müsse die richtige Reihenfolge einhalten.
SPD-Generalsekretär Kühnert versuchte, die Regierung zu verteidigen. Wie sich Spahn das denn vorstelle, wollte er wissen. Ob die Regierung der Union jeden Cent vorrechnen solle. Darum gehe es nicht, erwiderte Spahn. Vielmehr gehe es um die vielen Menschen, die jetzt rechnen müssten, wie sie über den Winter kommen sollen, aber nicht wüssten, ob die Bundesregierung für die Gaspreisbremse 40, 80 oder gar 100 Milliarden Euro einplane. Unklar sei auch, woher das Geld kommen solle. So sei noch gar nicht über Sparmöglichkeiten gesprochen worden, zum Beispiel beim Bürgergeld.
"Die große Sozialkeule" der Union
Heinrich von der Grünen Jugend freute sich ein wenig: Nach 16 Jahren Großer Koalition entdecke die Union ihr soziales Gewissen. Sie kritisierte aber die Sparvorschläge Spahns. Er spiele arme Menschen gegen noch ärmere Menschen aus, warf sie ihm vor. "Das Sparpotential vieler Leute ist einfach vorbei", sagte sie. "Dass Sie jetzt die große Sozialkeule rausholen, finde ich schon eigenartig", ging sie Spahn direkt an.
Heinrich kritisiert aber auch die Bundesregierung. Die Gaspreisbremse, die erst im März greifen soll, komme viel zu spät, kritisierte sie. "Wir fordern, dass es im März eine rückwirkende Auszahlung für Januar und Februar geben muss." Ein bisschen lenkte Kühnert dann doch noch ein. Man hätte tatsächlich früher mit den Planungen beginnen können, die Sache mit der Gaspreisbremse sei keine oscarreife Leistung gewesen, gab er zu. Spahn warf er aber vor: "Sie sagen einerseits, Ihnen kommt das alles zu spät, andererseits wollen sie jetzt, dass wir ihnen ganz spitz ausrechnen, was das alles kostet."
Zum Schluss gab Spahn dann ein Versprechen: Jetzt gehe es erst einmal um das Sondervermögen an sich. Wenn dann über Gas- und Strompreisbremse abgestimmt werde und die Bundesregierung ein Finanzierungskonzept vorlege, "dann sehen die Dinge schon ganz anders aus".
Quelle: ntv.de