Politik

Streit um den Fels von Gibraltar Spanien droht mit Veto beim Brexit

Umstrittener Felsen mit Blick auf Afrika: Gibraltar.

Umstrittener Felsen mit Blick auf Afrika: Gibraltar.

(Foto: imago stock&people)

Es ist nur ein kleiner Felsen am äußersten Rande Europas. Und doch ist er plötzlich ein großer Streitpunkt bei den Brexit-Verhandlungen. Madrid fordert von London eine schriftliche Zusicherung zu Gibraltar.

Eigentlich sollte auf dem Brexit-Gipfel am Sonntag nur noch alles festgezurrt werden. Nach monatelangem zähen Ringen wollten Großbritannien und die EU endlich den Vertrag über den britischen EU-Austritt im März 2019 und eine Absichtserklärung über die künftige Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft besiegeln. Doch nun gibt es plötzlich wieder ein Problem. Der Stein des Anstoßes: die 6,5 Quadratkilometer große Landzunge von Gibraltar, die zur großen Erbitterung der Spanier seit mehr als 300 Jahren zu Großbritannien gehört.

Wie der spanische Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, Luis Marco Aguiriano, sagte, verlangt Madrid eine schriftliche Zusicherung Londons in der Gibraltar-Frage. Es müsse erklären, dass Spanien bei jeder künftigen Vereinbarung zu den Beziehungen zwischen der EU und Gibraltar ein Veto-Recht eingeräumt wird. Andernfalls werde die Regierung beim Brexit-Sondergipfel mit Nein stimmen.

Der Vertrag der EU mit Großbritannien enthält zwar ein Protokoll zu Gibraltar, das den Umgang mit Pendlern, Steuerfragen und Fischereirechten regelt. Madrid stößt sich aber an Artikel 184 des Austrittsvertrags. In diesem werden die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen Großbritanniens mit der EU angesprochen, Gibraltar dabei aber nicht erwähnt. Spaniens Regierung fordert außerdem eine Klarstellung, dass es vor jeder Vereinbarung zu Gibraltar zuerst eine Einigung zwischen Madrid und London gibt.

Schon am Vormittag hatte Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez beklagt, dass die spanische und die britische Position noch weit voneinander entfernt lägen. "Meine Regierung wird immer die Interessen Spaniens vertreten. Wenn es keine Änderungen gibt, werden wir ein Veto gegen den Brexit einlegen", twitterte er.

EU will Text nicht noch einmal anfassen

Bisher lehnten es EU-Vertreter ab, den Text noch einmal anzufassen. Auch der Vorschlag des spanischen Außenministers Josep Borrell, in der Erklärung zu den künftigen Beziehungen das Thema Gibraltar explizit zu erwähnen, stieß in Brüssel auf Ablehnung. Die EU sperrt sich zudem offenbar gegen Nachverhandlungen auf dem Gipfel, der lediglich für zwei Stunden anberaumt ist. Laut "Spiegel" denkt Berlin gar nicht daran, am Sonntag in weitere Gespräche einzusteigen. "Es ist Zeit, dass wir den Deckel auf den Topf machen", sagte der EU-Botschafter Michael Clauß. Wenn die Texte nicht fertig seien, hätte die Kanzlerin bestimmt Besseres zu tun, als nach Brüssel zu reisen.

Der "Spiegel" zitiert auch einen EU-Diplomaten, der Spaniens juristisches Argument "hanebüchen" nennt. Es handele sich um einen "ärgerlichen hypernationalistischen Versuch, eine 300 Jahre alte Rechnung zu begleichen". Vor zwei Wochen habe niemand über Gibraltar geredet. Falls die Spanier nun das Austrittsabkommen oder die politische Erklärung aufschnüren wollten, wären sie vollkommen isoliert. "Wenn die Spanier das wollen, sind sie allein gegen 27."

Die britische Premierministerin Theresa May hatte am Donnerstag klargemacht, dass die britische Herrschaft über Gibraltar geschützt werde. Und Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo warf Madrid vor, das Territorium mit einer "Peitsche" an den Verhandlungstisch zwingen zu wollen. Die Spanier ihrerseits scheuen auch keine drastische Rhetorik. So erklärte Sánchez: Gibraltar ist nicht Teil des Vereinigten Königreiches." Und sein Außenminister Borrell erklärte: "Für uns ist Gibraltar Kolonialgebiet."

Die Halbinsel, die täglich rund 10.000 Pendler aus Spanien anzieht, gehört seit 1713 zu Großbritannien. Rund 30.000 Menschen leben in der Enklave, in der man bei gutem Wetter bis nach Afrika schauen kann. Wie die Gibraltarer sich in der Frage der Zugehörigkeit ihres Landes positionieren, machten sie in einer Abstimmung im Jahr 2002 deutlich. Damals votierten 99 Prozent von ihnen dafür, ein britisches Überseegebiet zu bleiben. Bei einer anderen Abstimmung 14 Jahre später zeigten sie sich allerdings auch als flammende Europäer: Beim Brexit-Referendum im Juni 2016 stimmten 95,9 Prozent gegen den Austritt aus der EU.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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