Politik

Opposition glaubt Zahlen nicht Staatsmedien sehen Erdogan nur noch knapp vorn

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Unterstützer des amtierenden Präsidenten Erdogan versammeln sich am Abend vor dem Hauptquartier der AKP in Istanbul.

Unterstützer des amtierenden Präsidenten Erdogan versammeln sich am Abend vor dem Hauptquartier der AKP in Istanbul.

(Foto: AP)

Nach Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gewinnt der türkische Präsident Erdogan bei den Präsidentschaftswahlen die Mehrheit der Stimmen. Allerdings schafft er die 50-Prozent-Schwelle nur knapp. Die Opposition unterstellt der Regierungspartei AKP Trickserei.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan liegt laut Staatsmedien nach Auszählung von 75 Prozent der Stimmen nur noch knapp über einer absoluten Mehrheit. Der Amtsinhaber kommt demnach auf 50,8 Prozent, wie die staatliche Agentur Anadolu berichtet. Sollte kein Kandidat in der ersten Wahlrunde eine absolute Mehrheit erreichen, kommt es am 28. Mai zu einer Stichwahl.

Die Opposition hat scharfe Kritik an den Zahlen von Anadolu geäußert und hält diese für nicht belastbar. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP, der als gemeinsamer Kandidat eines Sechser-Bündnisses angetreten ist, lag laut Anadolu bei rund 43,4 Prozent der Stimmen. Kilicdaroglu hatte während der Stimmauszählung am Abend erklärt, er liege vorne.

Die Staatsagentur veröffentlicht in der Regel zunächst die Auszählungsergebnisse in Erdogan-Hochburgen. Die ersten Daten lassen daher noch keine Rückschlüsse auf das Endergebnis zu. Der Kandidat eines ultranationalistischen Parteienbündnisses, Sinan Ogan, lag laut Anadolu bei rund 5,3 Prozent. Muharrem Ince von der Vaterlandspartei hatte seine Kandidatur kurz vor der Wahl zurückgezogen, sein Name stand aber noch auf den Stimmzetteln. Er lag vorläufig bei 0,5 Prozent.

Opposition glaubt Anadolu-Zahlen nicht

Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul und Parteifreund Kilicdaroglus, warf der AKP taktische Manöver bei der Stimmauszählung vor. In Hochburgen der Opposition lege die Partei von Präsident Erdogan bewusst Einspruch gegen die Ergebnisse ein. Dadurch werde die Auszählung langsamer gemacht, und das Ergebnis falle zunächst zugunsten der Regierung aus. Imamoglu rief dazu auf, die offiziellen Zahlen zu ignorieren. "Wir glauben Anadolu nicht", sagte er. Die Nachrichtenagentur habe "jegliche Seriosität verloren". Die Zahlen von CHP-Wahlbeobachtern zeichneten "ein positives Bild", betonte ein Parteisprecher. Die CHP werde ihre Zahlen veröffentlichen, sobald eine "bedeutende Anzahl" der Wahlurnen geöffnet worden sei.

Nach den ihnen vorliegenden Zahlen zeichne sich bei der Regierung ein Abwärtstrend ab, "das ist eindeutig", so Imamoglu. Der Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas, sagte unter Berufung auf Wahlprotokolle, Kilicdaroglu liege mit rund 47,4 Prozent knapp vorne. Erdogan komme demzufolge auf rund 46,8 Prozent der Stimmen. Rund 92.000 Wahlurnen von insgesamt rund 192.000 seien ausgezählt. Er gehe davon aus, dass die Präsidentenwahl schon in der ersten Runde entschieden werde.

*Datenschutz

Derweil warf die türkische Regierung der Opposition eine "diktatorische Haltung" während der Stimmauszählung vor. Frühzeitig ein Ergebnis bekanntzugeben, sei "politischer Raub", sagte der Sprecher der regierenden AKP, Ömer Celik.

Umfragen sahen Kilicdaroglu vorn

Zahlen des oppositionsnahen Nachrichtenportals Anka zufolge lagen Erdogan und Kilicdaroglu nach Teilauszählungen fast gleichauf - und beide unterhalb von 50 Prozent. Kandidaten anderer Parteien kamen Anka wie Anadolu zufolge auf insgesamt etwa fünf Prozent der Stimmen.

Die meisten Umfragen hatten einen knappen Vorsprung Kilicdaroglus bei der Präsidentenwahl vorhergesagt, manchen von ihnen zufolge konnte er sich sogar Hoffnung auf einen Sieg in der ersten Runde machen.

*Datenschutz

Beobachtern zufolge war die Wahlbeteiligung trotz Wahlpflicht bemerkenswert hoch, die offizielle Zahl wurde jedoch zunächst nicht veröffentlicht. Bei der letzten landesweiten Wahl 2018 hatte der 69-jährige Erdogan mit 52,5 Prozent der Stimmen in der ersten Runde gewonnen, die Wahlbeteiligung lag bei über 86 Prozent.

Der Wahlkampf war angespannt und galt als unfair, vor allem wegen der medialen Übermacht der Regierung. Bestimmendes Thema war die schlechte wirtschaftliche Lage mit einer massiven Inflation. Erdogan versprach unter anderem eine Anhebung von Beamtengehältern und weitere Investitionen in die Rüstungsindustrie. Er führte eine aggressive Kampagne und beschimpfte die Opposition als "Terroristen". Erdogan regiert das Land mit seinen 85 Millionen Einwohnern seit zwei Jahrzehnten; seit 2003 zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen