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Beben im Bildungsministerium Stark-Watzinger schmeißt Staatssekretärin raus

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Döring hatte früher eine Professur für Philosophie in Tübingen inne. 2023 wurde sie Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium.

Döring hatte früher eine Professur für Philosophie in Tübingen inne. 2023 wurde sie Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium.

(Foto: picture alliance/dpa)

Hochschullehrer kritisieren in einem offenen Brief den Umgang mit einem propalästinensischen Protestcamp, die Bildungsministerin ist entsetzt. Ihr Haus lässt daraufhin Konsequenzen für die Unterzeichnenden prüfen - ein massiver Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. Jetzt muss eine führende Beamtin gehen.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger will ihre Staatssekretärin Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand versetzen lassen. Darum habe die FDP-Politikerin Bundeskanzler Olaf Scholz gebeten, teilte ihr Ministerium am Abend mit. Hintergrund ist Kritik wegen einer Prüfung möglicher Konsequenzen für Hochschullehrer, die einen offenen Brief zum Umgang mit propalästinensischem Protest an Berliner Hochschulen unterzeichnet hatten.

Döring hatte Stunden zuvor ihre Entlassung angedeutet. Auf X schrieb sie: "So wird nun dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn ein jähes Ende finden. Stay tuned." Kurz darauf zitierte sie noch einmal ihren vorherigen Tweet und schrieb darüber: "Habe gerade Anruf bekommen, muss den Tweet löschen." Inzwischen sind beide Posts auf ihrem Account gelöscht, online verbreiten sich die Screenshots aber.

Ministerin war "fassungslos"

Dörings Entlassung ist eine Folge der Ereignisse nach der Räumung eines propalästinensischen Protestcamps an der Freien Universität Anfang Mai. Mehrere Hundert Dozentinnen und Dozenten von mehreren Berliner Hochschulen veröffentlichten damals einen offenen Brief, in dem sie das Recht auf friedlichen Protest der Studierenden auf dem Campus verteidigten – "unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind". Sie forderten die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen und strafrechtlicher Verfolgung abzusehen.

Die Bundesbildungsministerin äußerte sich entsetzt über die Forderung und schrieb, das Statement mache sie "fassungslos". Gerade Lehrende müssten "auf dem Boden des Grundgesetzes stehen". Gut einen Monat später veröffentlichte der NDR Recherchen, wonach die Fachreferate in Stark-Watzingers Ministerium angewiesen wurden, zu prüfen, ob die Unterzeichnenden des offenen Briefes strafrechtlich belangt werden können, und ob man ihnen bereits bewilligte Fördermittel entziehen könne.

Dies wäre allerdings ein Eingriff in die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit, wie Kritiker sowohl in der Bundesregierung als auch in der Opposition monierten. Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Jarzombek, betonte im "Spiegel", er teile die Aussagen der Unterzeichnenden zwar nicht. Sie seien aber von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Vergabe von Forschungsmitteln daran knüpfen zu wollen, mache ihn sprachlos. "Bei diesem Umgang mit der Wissenschaftsfreiheit muss man sich fragen, inwiefern die Ministerin selbst noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht", so Jarzombek im "Spiegel". Auch an den Hochschulen sorgten die Recherchen für massiven Unmut, Forderungen nach dem Rücktritt von Stark-Watzinger wurden laut.

Stark-Watzinger kündigt Aufarbeitung an

"Fest steht, dass eine Prüfung potenzieller förderrechtlicher Konsequenzen bei den zuständigen Fachreferaten in der Tat erbeten wurde", teilte die Ministerin nun mit. Die für die Hochschulabteilung zuständige Staatssekretärin Döring habe den Prüfauftrag veranlasst. Döring hatte am Freitag in einer E-Mail an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses die Verantwortung für den Vorgang übernommen. "Ich habe die rechtliche Prüfung des offenen Briefes im Rahmen eines Telefonats beim zuständigen Abteilungsleiter beauftragt", hieß es in dem Schreiben. Dabei sei es aber nicht um förderrechtliche Konsequenzen gegangen. Sie habe sich "offenbar missverständlich ausgedrückt".

Stark-Watzinger kündigte an, den Sachverhalt "gründlich und transparent" aufzuarbeiten. Es sei der Eindruck erweckt worden, "dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde." Das widerspreche den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit, so die FDP-Politikerin. "Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt", betonte Stark-Watzinger.

Gleichzeitig sagte die Ministerin, dass sich ihre Bewertung des Unterstützerbriefes nicht geändert habe. "Es macht mich bis heute fassungslos, wie einseitig in diesem Brief der Terror der Hamas ausgeblendet wurde", schrieb die FDP-Politikerin. "Und wie dort etwa pauschal gefordert wurde, Straftaten an den Universitäten nicht zu verfolgen, während gleichzeitig antisemitische Volksverhetzung und gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu beobachten sind."

Quelle: ntv.de, mit dpa

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