Politik

Schottische Regierung in Aufruhr Sturgeon trotzt Lügenvorwürfen

"Wenn Sie glauben, Sie könnten mich aus dem Amt jagen, irren Sie sich und beurteilen mich falsch", sagte Sturgeon.

"Wenn Sie glauben, Sie könnten mich aus dem Amt jagen, irren Sie sich und beurteilen mich falsch", sagte Sturgeon.

(Foto: picture alliance/dpa/PA Wire)

Turbulente Tage für Premierministerin Sturgeon. Erst wird ihr Fehlverhalten im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen gegen ihren Vorgänger vorgeworfen. Dann folgt ein Misstrauensvotum. Alles wird abgeschmettert. Die Angriffe scheinen sie sogar zu stärken.

Sechs Wochen vor der schottischen Parlamentswahl hat Regierungschefin Nicola Sturgeon eine Misstrauensabstimmung gewonnen. Eine Mehrheit der Abgeordneten votierte im Parlament in Edinburgh gegen den Antrag der konservativen Partei. Die Oppositionspartei wirft Sturgeon vor, das Parlament in die Irre geführt zu haben. Ein unabhängiges Gutachten attestierte ihr jedoch, keinen Fehler gemacht zu haben. Auch deshalb erschien bereits vor der Abstimmung im Parlament kaum vorstellbar, dass Sturgeon wirklich über den Antrag der oppositionellen Konservativen stürzt. "Wenn Sie glauben, Sie könnten mich aus dem Amt jagen, irren Sie sich und beurteilen mich falsch", sagte Sturgeon siegessicher. "Wenn Sie mich als Regierungschefin absetzen wollen, tun Sie dies bei einer Wahl." Die Vorwürfe des Ausschusses hat sie bereits als parteipolitisch motiviert zurückgewiesen.

"Insgesamt scheint Nicola Sturgeon ziemlich gut aus der Sache hervorgegangen zu sein", sagte Kirsty Hughes, Direktorin der Denkfabrik Scottish Council on European Relations in Edinburgh. Der renommierte Politologe John Curtice sagte, die Vorwürfe gegen Sturgeon seien in sich zusammengebrochen. Hintergrund ist eine Affäre um Sturgeons Vorgänger Alex Salmond. Mehrere Frauen hatten Salmond versuchte Vergewaltigung und sexuelle Belästigung vorgeworfen, doch vor gut einem Jahr wurde der Ex-Regierungschef freigesprochen. Nun stellte sich die Frage, ob Sturgeon in dem Fall richtig gehandelt hat - und wann sie von den Vorwürfen erfahren hat.

Salmond warf seiner einstigen Vertrauten vor, sie habe ihn politisch kaltstellen wollen, und die Konservativen stürzten sich begierig auf den Streit. Sturgeon aber wies alle Anschuldigungen zurück, das unabhängige Gutachten bestätigte sie. Nun kann sich die Regierungschefin wieder der wichtigen Regionalwahl widmen. Ihre Schottische Nationalpartei (SNP) hofft bei der Abstimmung am 6. Mai auf die absolute Mehrheit, um dann ihre Forderung nach einem neuen Unabhängigkeitsreferendum zu verstärken. Doch nachdem die SNP in Umfragen zeitweise mit deutlichem Vorsprung geführt hatte, ist das Rennen nun wieder offen.

Unabhängigkeit, Brexit, Coronavirus: Sturgeon trifft Nerv

Der Politikwissenschaftler Curtice vermutet, dass der parteiinterne Streit die SNP zwei bis drei Prozentpunkte kosten dürfte. "Es war offensichtlich eine langwierige, unordentliche und politisch schädliche Affäre", sagte Expertin Hughes. Wichtig sei, dass wieder der Wahlkampf im Vordergrund stehen könne, sagte Curtice. "Unabhängigkeit, Brexit, Coronavirus: Diese Fragen sollten nun wieder behandelt werden." Diese Themen sprechen vor allem für Sturgeon. Ihr Krisenmanagement in der Corona-Krise wird von den Schotten über die Parteigrenzen hinweg geschätzt, wie Umfragen wiederholt gezeigt haben.

Mit ihrem Ziel, Schottland wieder in die EU zu führen, trifft Sturgeon ebenfalls einen Nerv - denn den Brexit lehnt eine deutliche Mehrheit der Schotten ab. Hinzu kommt: Ihr wichtigster Gegenspieler, der britische Premierminister Boris Johnson, ist in Schottland äußerst unbeliebt. Wohl auch deshalb will Johnsons Sprecherin die Vorgänge im Norden nicht kommentieren.

Der Premier rüstet sich derweil für eine harte Debatte. Die Regierung in London beharrt darauf, dass sie letztlich entscheidet, ob Schottland nach 2014 zum zweiten Mal über eine Loslösung abstimmen darf. Beim ersten Mal votierte eine knappe Mehrheit gegen die Loslösung - und Johnson lehnt eine Wiederholung strikt ab. Doch die SNP ist der Meinung, dass sich wegen des Brexits die Vorzeichen geändert haben und außerdem das schottische Parlament über ausreichend Befugnisse verfüge. Einen Gesetzentwurf, welche Frage bei einer Volksbefragung gestellt werden soll, hat die Regionalregierung bereits präsentiert. Genug Stoff für den Wahlkampf ist garantiert.

Quelle: ntv.de, ysc/dpa

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