Heftige Kritik aus London Sturgeon will Impfstoff-Liefermengen nennen
29.01.2021, 13:21 Uhr
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon kündigte an, ab der kommenden Woche über erwartete Liefermengen zu informieren.
(Foto: REUTERS)
Die EU wirft dem Pharmakonzern Astrazeneca vor, Großbritannien bei der Belieferung mit Corona-Impfstoff zu bevorteilen und damit gegen vertragliche Abmachungen zu verstoßen. Die schottische Regierungschefin Sturgeon will nun für mehr Transparenz sorgen - was Premier Johnson offenbar erbost.
Während sich die EU-Kommission mit dem Impfstoffhersteller Astrazeneca über Lieferengpässe streitet, bahnt sich in Großbritannien ein Streit zwischen London und Edinburgh über die Veröffentlichung von Daten zur Impfstofflieferung an. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte angekündigt, von kommender Woche an öffentlich Auskunft über die erwarteten Liefermengen zu geben. Das stieß dem "Telegraph" zufolge auf heftige Kritik bei der Zentralregierung. Premierminister Boris Johnson warnte Sturgeon demzufolge, die Sicherheit der Impfstoffversorgung im Land aufs Spiel zu setzen. Hintergrund ist die Forderung der EU, in Großbritannien hergestellten Impfstoff auch auf den Kontinent zu liefern.
Staatssekretärin Lucy Frazer hatte zuvor eine Veröffentlichung von Daten zu Impfstofflieferungen mit Verweis auf Sicherheitsrisiken abgelehnt. "Die Regierung verheimlicht überhaupt nichts", sagt Frazer in der BBC auf die Frage, warum Großbritannien die Informationen zurückhält. "Nach meinem Verständnis ist es aus Sicherheitsgründen."
Diese Auseinandersetzungen finden vor dem Hintergrund eines Streits um Impfstofflieferungen zwischen der EU und dem britisch-schwedischen Pharmakonzern Astrazeneca statt. Der Hersteller hatte der Darstellung der EU-Kommission zufolge vor einer Woche sehr überraschend und ohne plausible Erklärung eine Lieferkürzung angekündigt. Großbritannien erhält nach Angaben der Regierung jedoch weiterhin die zugesagte Menge. Laut Astrazeneca liegt das daran, dass Großbritannien seinen Vertrag mit der Firma früher abgeschlossen hat. Die Regierung in London verweist zudem auf erhebliche Investitionen in die Entwicklung und Produktion des Impfstoffs im eigenen Land.
"Liegen im Grunde zwei Monate zurück"
In einem Interview mit verschiedenen europäischen Zeitungen erklärte Astrazeneca-Chef Pascal Soriot, dass es noch Schwierigkeiten bei der Impfstoff-Produktion in einzelnen Anlagen gebe, die mit der Zeit behoben werden können. "Wir sind in Europa jetzt zwei Monate hinter unserem ursprünglichen Plan", sagte Soriot der "Welt". Man habe auch Anfangsprobleme in Großbritannien gehabt. "Aber der Vertrag mit den Briten wurde drei Monate vor dem mit Brüssel geschlossen. Wir hatten dort drei Monate mehr Zeit, um Pannen zu beheben."
In der EU habe es mit einem Werk in Belgien "einen Standort mit großer Kapazität gegeben, der Ertragsprobleme hatte", zitierte die italienische Zeitung "La Repubblica" den Firmenchef. "Wir glauben, dass wir diese Probleme in den Griff bekommen haben, aber wir liegen im Grunde zwei Monate hinter dem zurück, wo wir sein wollten."
Der deutsche Europaabgeordnete Peter Liese von der CDU hatte sich in einem BBC-Podcast am Donnerstagabend besorgt über die britische Vorgehensweise bei der Sicherung von Impfstoffen geäußert. Sollte sich herausstellen, dass Großbritannien einen Vertrag mit Astrazeneca abgeschlossen habe, der dem Land präferierten Zugang zu dem im eigenen Land hergestellten Impfstoff garantiere, sei das ein Verhalten wie von Ex-US-Präsident Donald Trump. Der habe ein Export-Verbot für die in den Vereinigten Staaten hergestellten Impfstoffe erlassen. Der in der EU produzierte Impfstoff von Pfizer und Biontech werde hingegen sowohl nach Großbritannien als auch in andere Länder exportiert. "Wir können nicht die Einzigen sein, die fair spielen", so Liese.
Quelle: ntv.de, lwe/dpa/rts/AFP