Politik

Kabinettsumbildung in London Sunak zaubert gescheiterten Cameron aus dem Hut

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David Cameron wird dem moderaten Tory-Flügel zugerechnet.

David Cameron wird dem moderaten Tory-Flügel zugerechnet.

(Foto: picture alliance / Photoshot)

Großbritanniens Premier Sunak steckt im Umfragetief und kämpft um sein politisches Überleben. Mit einer Kabinettsumbildung versucht der Tory das Ruder herumzureißen. Neuer Außenminister wird Ex-Premier Cameron. Dieser ist bei Gegnern und Befürwortern des Brexit nicht sonderlich beliebt.

Damit hatte kaum jemand gerechnet. Der frühere britische Premierminister David Cameron ist als Außenminister in die Regierung in London zurückgekehrt. Das ist das Ergebnis einer Kabinettsumbildung von Regierungschef Rishi Sunak. Der konservative Premier hatte zuvor seine Innenministerin Suella Braverman entlassen. Auf ihren Posten rückte der bisherige Außenminister James Cleverly nach. Neuer Außenamtschef ist nun Cameron, der 2016 zurückgetreten war, nachdem die Briten in einem von ihm anberaumten Referendum für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt hatten.

Der 57-Jährige wird dem moderaten Flügel der Konservativen Partei zugerechnet und war von 2010 bis 2016 Regierungschef. Cameron hatte damals für den Verbleib seines Landes in der EU geworben. Dass er nun Minister wird, überraschte auch politische Kommentatoren. Sunak kämpft angesichts miserabler Umfragewerte und einer für kommendes Jahr erwarteten Parlamentswahl um sein politisches Überleben. Eine Kabinettsumbildung war schon seit Längerem erwartet worden. Ob ihm die Berufung Camerons nun die erhoffte Wende in den Umfragen bringen wird, ist allerdings ungewiss.

Cameron punktet mit seiner Erfahrung

Experten halten Cameron nach dem verlorenen Referendum für politisch gescheitert. Brexit-Gegner nehmen ihm übel, sich überhaupt erst auf das Wagnis einer Volksabstimmung über eine solch weitreichende Frage eingelassen zu haben. Bei Brexit-Befürwortern ist er wegen seines Werbens für einen Verbleib auch nicht gut gelitten. Hinzu kommt ein Vermächtnis aus Sparpolitik und Annäherung an China, das inzwischen kritisch gesehen wird. Zudem stand er vor wenigen Jahren wegen seiner Lobby-Tätigkeit für den mittlerweile insolventen Finanzdienstleister Greensill Capital in der Kritik.

Für Cameron spricht, dass er viel internationale Erfahrung mitbringt, die in einer Zeit großer außenpolitischer Herausforderungen nützlich sein könnte. Seine direkte Nachfolgerin in der Downing Street, Theresa May, lobte die Entscheidung: "Seine immense Erfahrung wird in dieser Zeit großer Unsicherheit in der Welt von unschätzbarem Wert sein." Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock schickte Cameron beim Kurznachrichtendienst X Glückwünsche auf Englisch.

Cameron selbst veröffentlichte ein längeres Statement. Er sprach von großen internationalen Herausforderungen, nannte den Krieg in der Ukraine und die Krise im Nahen Osten. Dass er selbst vor Kurzem erst die Regierung kritisiert hatte, als ein Bahnprojekt zusammengestrichen wurde, versuchte er aufzufangen: "Auch wenn ich mit einigen einzelnen Entscheidungen nicht einverstanden war, ist für mich klar, dass Rishi Sunak ein starker und fähiger Premierminister ist, der beispielhafte Führung beweist in einer schwierigen Zeit."

Wird Braverman für Sunak zur Gefahr?

Mit seiner Ernennung zum Minister sollte Cameron auch ins Oberhaus berufen werden. Die britische Zeitung "Times" kommentierte, Sunak sei es gelungen, mit der Personalie die Schlagzeilen zu bestimmen und damit vom Streit mit Braverman abzulenken. Die entlassene Rechtsaußen-Politikerin hatte zuletzt immer wieder für heftige Debatten gesorgt. Unter anderem bezichtigte sie die Polizei, auf dem linken Auge blind zu sein und Rechtsbrüche durch propalästinensische Demonstranten zu dulden.

Braverman war in der Vergangenheit immer wieder mit rechtspopulistischen Äußerungen aufgefallen. Trotzdem gilt sie als aussichtsreiche Kandidatin für die Parteiführung, sollten die Konservativen wie erwartet die Wahl im kommenden Jahr verlieren. Spekuliert wird, dass sie sich mit der Polizeischelte und anderen Äußerungen als Kandidatin des rechten Parteiflügels positionieren - und womöglich ihren Rauswurf sogar absichtlich herbeiführen wollte.

Braverman dürfte nun darauf hoffen, zur Galionsfigur der Rechten zu werden. Zuspruch für sie kam unter anderem von der Abgeordneten Andrea Jenkyns, die Sunak vorwarf, "vor den Linken eingeknickt" zu sein. "Ich unterstütze Suella Braverman, die dafür entlassen wurde, dass sie die Wahrheit gesagt hat", schrieb Jenkyns auf X. Doch ob Braverman dem Premier tatsächlich von den Hinterbänken aus gefährlich werden kann, gilt als fraglich. Viele Abgeordnete sind Berichten zufolge genervt von ihren Provokationen.

Quelle: ntv.de, jpe/dpa

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