Umdenken bei Islamistenmiliz? Taliban fordern Ortskräfte zum Bleiben auf
07.06.2021, 09:30 Uhr
Die Taliban fordern die Ortskräfte auf, in ihr normales Leben zurückzukehren.
(Foto: REUTERS)
Noch vor Kurzem bezeichnen die Taliban die Helfer ausländischer Streitkräfte als "Sklaven der Invasoren" und "Söldner". Nun scheint ein Umdenken stattzufinden. Viele Ortskräfte fürchten dennoch die Rache der Islamisten und wollen Afghanistan verlassen.
Die militant-islamistischen Taliban haben die Ortskräfte der ausländischen Streitkräfte in Afghanistan dazu aufgefordert, im Land zu bleiben. Afghanen, die als Übersetzer, Wachen und anderweitig für die ausländischen Streitkräfte tätig gewesen seien, sollten für ihre vergangenen Handlungen Reue zeigen und sich in Zukunft nicht an solchen Aktivitäten beteiligen, hieß es in einer Mitteilung der Islamisten.
"Aber keiner soll das Land derzeit verlassen." Die Taliban würden sie nicht stören, hieß es weiter. Sie sollten zu ihrem normalen Leben zurückzukehren und, wenn sie in irgendeinem Bereich über Fachwissen verfügten, ihrem Land dienen. Wenn sie den Feind verließen und als gewöhnliche Afghanen im Land lebten, würden sie auf keine Probleme stoßen. Fraglich ist, ob die Ortskräfte den Aussagen der Taliban trauen. Bislang wurden sie in offiziellen Taliban-Statements als "Sklaven der Invasoren" oder "Söldner" bezeichnet.
Aktuell wollen Zehntausende Afghanen, die für die Streitkräfte der NATO-Länder, darunter die Bundeswehr, tätig waren, samt ihren Familien aus Angst vor Racheaktionen der Taliban das Land verlassen. Alleine die US-Botschaft bearbeitet nach eigenen Angaben aktuell mehr als 18.000 Anträge für spezielle Ausreisevisa.
Auch die Mehrheit der Ortskräfte der Bundeswehr will über das sogenannte Ortskräfteverfahren Schutz in Deutschland suchen. Mitte Mai waren dies rund 450 Ortskräfte. Seit 2013 seien nach Zahlen des Verteidigungsministeriums knapp 800 Ortskräfte plus Familienangehörige in Deutschland aufgenommen worden.
Im April betonte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die Menschen vereinfacht und schnell nach Deutschland zu holen. "Ich empfinde es als eine tiefe Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, diese Menschen jetzt, wo wir das Land endgültig verlassen, nicht schutzlos zurückzulassen", so die CDU-Politikerin. Die ausländischen Truppen, darunter die Bundeswehr, sollen bis spätestens 11. September - dem Jahrestag der Anschläge in New York und Washington 2001 - aus Afghanistan abgezogen sein.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa