Anklagen wegen Fahnenflucht Tausend Russen kommen vors Militärgericht
27.04.2023, 18:24 Uhr Artikel anhören
Russischer Soldat in Luhansk: Nach der Aburteilung durchs Militärgericht müssen die Soldaten zurück an die Front.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Eine neue Mobilisierungswelle leugnet der Kreml, doch Putin verschärft zuletzt die Möglichkeiten für die gezielte Einberufung junger Männer. Gleichzeitig wächst vor den Militärgerichten die Zahl an Soldaten, die wegen Fahnenflucht oder Befehlsverweigerung verurteilt werden.
Seit Beginn der Mobilmachung in Russland im vergangenen Herbst haben die Behörden Medien zufolge mehr als 1000 Soldaten wegen Fahnenflucht, unerlaubter Entfernung von der Truppe oder Befehlsverweigerung angeklagt. "Stand letzte Aprilwoche sind 1064 Fälle bei Militärgerichten eingegangen", berichtete das unabhängige Portal Mediazona am Nachmittag. Das Medium verweist darauf, dass die Strafen für solche Vergehen nach der Mobilmachung verschärft wurden.
Insbesondere seit Anfang März lasse sich ein rapider Anstieg von Verfahren gegen unwillige Mobilisierte beobachten. Im März wurden demnach rund 400 solcher Fälle aufgerollt - die bisher vorliegenden Zahlen für April deuten auf ein ähnlich hohes Ergebnis hin. In über 90 Prozent der Fälle geht es laut Mediazona um das unerlaubte Entfernen von der Truppe. Zwar ist nur ein kleiner Teil der Urteile zugänglich, aber demnach werden die Rekruten von den Gerichten zumeist zu einer Bewährungsstrafe verurteilt - und können damit wieder an die Front versetzt werden.
Drastisch verschärfte Einberufungsregeln
Russlands Präsident Wladimir Putin hat im Herbst 2022 eine Teilmobilmachung verkündet - obwohl er zu Beginn des von ihm befohlenen Angriffskriegs noch versprochen hatte, nur Freiwillige und Zeitsoldaten ins Nachbarland zu schicken. Vorausgegangen waren mehrere Niederlagen der russischen Armee in der Ukraine. Aus Angst vor einer Einberufung flüchteten Hunderttausende Russen ins Ausland. Derzeit häufen sich wieder Spekulationen um eine neue Einberufungswelle.
Der Kreml hingegen dementiert bislang, eine Ausweitung der Mobilmachung zu planen. Allerdings setzte Putin erst Mitte April ein Gesetz in Kraft, wonach russische Männer künftig elektronisch zur Armee einberufen werden können. Es ermöglicht der Polizei, zum Dienst an der Waffe aufgerufene Staatsbürger zu suchen. Finanzämter, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen sind nun verpflichtet, persönliche Informationen über für die Mobilisierung infrage kommende Bürger zu liefern.
Quelle: ntv.de, mau/dpa