Alex Bruesewitz und Beatrix von Storch im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin. Titel seines Vortrags am Mittwochabend war: "Der globale Kampf um Wahrheit".
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Verneigung vor Donald Trump: Einen seiner Wahlkampfmanager hat die AfD nach Berlin eingeladen, um sich Nachhilfe in Sachen ideologischer Festigkeit geben zu lassen. Für den Gast aus den USA sind politische Wettbewerber die "Verkörperung des Bösen".
Der große Sitzungssaal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ist zu klein, die Plätze reichen nicht aus. Zu viele AfD-Abgeordnete, Mitarbeiter und Parteianhänger sind in das Bundestagsgebäude im Berliner Regierungsviertel gekommen - und das für einen Amerikaner. Nach Jahren, in denen ein anti-amerikanisches Klima in der AfD en vogue war, weht seit dem Amtsantritt von Donald Trump ein neuer Wind. Viele können ihr Glück kaum fassen, dass sie vom Präsidenten der westlichen Führungsmacht nicht länger wie Schmuddelkinder behandelt werden. Nun kommt mit Alex Bruesewitz auch noch ein Wahlkampfmanager von ihm zum Vortrag. Wie stolz sie in der AfD darüber sind, ist in jedem Moment der Veranstaltung zu spüren.
Der 28-jährige Bruesewitz ist seit dem Wahlkampf 2024 im Team Trump, heute agiert er als externer Berater und zentrale Figur im Umfeld des Präsidenten. Er verantwortet unter anderem einige seiner Social‑Media‑Präsenzen. Das Magazin "Time" kürte Bruesewitz kürzlich zu einem der 100 künftig einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. Eingeladen hat ihn die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch, schon lange großer Fan der "Make America Great Again"-Bewegung, kurz MAGA. Ihre einleitenden Worte - voll des Lobes für Trumps Politik - klingen ähnlich anbiedernd, wie die von westlichen Regierungschefs, wenn sie mit dem US-Präsidenten an einem Tisch sitzen.
Und dann setzt sie den Ton, der sich durch die eineinhalbstündige Veranstaltung ziehen wird: "Es gab den alten Westen vom Kalten Krieg", so von Stroch in ihrer fragwürdigen historischen Analyse, "danach kam der woke Westen, der LGBTQI-Plus-Something-Westen, der sich um Klima und solche Dinge kümmert, aber nicht um unsere tatsächliche Wertebasis". Nun stehe ein "neuer Westen" bevor, der von neuen "patriotischen Bewegungen" geprägt sei, wie MAGA und der AfD.
"Danke für den Kampf für das Gute in der Welt"
Ihr Fraktionskollege Ruben Rupp ergänzt mit einer Verschwörungsformel, "linke Globalisten" würden weltweit gegen sie arbeiten - nun würden sich endlich auch die "Patrioten" vernetzen, zu denen er die AfD zählt. Auch dazu soll der Austausch mit Bruesewitz dienen. "Danke für den Kampf für das Gute in der Welt - thank you, Mr. Bruesewitz, thank you, Mr. Trump", verneigt er sich vor dem nicht anwesenden US-Präsidenten gleich mit.
Bruesewitz selbst stapelt dann ähnlich wenig tief. Es sei ihm eine Ehre, hier mit all den Visionären zusammenzusitzen, die Deutschlands Zukunft gestalten werden, sagt er in den Saal voller AfD-Mitglieder. Was folgt, lässt sich am besten beschreiben als eine Mischung aus einer evangelikalen Predigt und einer Trump’schen Wahlkampf-Rede im Fiebertraum. "Jede Regierung, die damit droht, eine Oppositionspartei vom Wahlzettel zu streichen, damit sie nicht antreten kann, ist antidemokratisch wie Diktatoren in der Dritten Welt", holt er sich großen Applaus ab und lässt wie schon US-Vizepräsident JD Vance bei seinem Auftritt auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Frühjahr außer Acht, dass im Grundgesetz aufgrund der Geschichte Vorkehrungen getroffen worden sind, damit die deutsche Demokratie nicht noch einmal auf demokratischem Weg zugrunde geht.
Er spricht die klassischen Bestseller von Rechtsganzaußen an, die auch die AfD gerne nutzt: Migration, Identitätspolitik, das Leugnen des menschengemachten Klimawandels. Das klingt dann so: "Die Marxisten wollen nicht nur Wahlen gewinnen, sie wollen die Realität umschreiben", sagt Bruesewitz. "Verrückt: Sie denken, Jungen könnten Mädchen sein und umgekehrt." Oder: "Sie behaupten, sie würden das Klima retten wollen, doch glaubt es oder nicht: Das Klima hat sich schon seit der Entstehung der Erde ständig verändert."
Die AfD soll mehr beten
Das kennt man alles auch von der AfD, doch etwas unterscheidet seine Rede von klassischen AfD-Auftritten: Bruesewitz' Betonung seines christlichen Glaubens. Immer wieder zitiert er aus der Bibel. Wenn er die niedrige Geburtenrate in Deutschland und den USA kritisiert, appelliert er: "Seid wahrhaftig und mehret euch, wie es im Buch Genesis steht." Wenn er die Energiepolitiken anprangert: "Nutzt Gottes Gaben Kohle, Öl und Kernenergie verantwortungsvoll, um Bezahlbarkeit und Unabhängigkeit zu garantieren."
Vor allem in den tonangebenden Ostverbänden der AfD dürften Parteimitglieder solche Ausführungen eher befremdet zur Kenntnis nehmen, schließlich sind gerade dort weniger die traditionellen Kirchgänger in die AfD eingetreten. Dem AfD-Bundestagswahlprogramm zufolge ist das Christentum gerade mal noch "eng verbunden" mit der deutschen Geschichte und Kultur. Viel mehr findet sich dazu nicht.
Der Ratgeber aus Übersee fordert dennoch, jeder solle auch sich selbst hinterfragen: "Betet mehr", sagt er. "Lehrt eure Kinder die Bibel neben der Geschichte, damit sie wissen, woher sie kommen und wohin wir gehen." Mehrfach bezeichnet er die MAGA-Politik als "christlichen Nationalismus". Er meint dabei eine fundamentalistische Version des Christentums. Beatrix von Storch wird das gut gefallen. Sie setzt sich in der AfD beispielsweise für eine rigide Abtreibungspolitik ein - die Parteichefs Weidel und Chrupalla sind bei diesem Thema eher für eine Lockerung. Beide fehlen im vollen Saal. Fraglich also, trotz stehender Ovationen für Bruesewitz, ob MAGA und AfD nicht doch mehr ein Zweck- als ein Überzeugungsbündnis eingehen.
Aus dem Wettbewerber wird die "Verkörperung des Bösen"
Eines aber dürften sie aufmerksam verfolgt haben: Wie es der US-Gast schafft, die politische Auseinandersetzung auf eine andere Ebene zu heben, sie so zu emotionalisieren, dass die eigene Parteiführung für die Anhänger selbst zu einer religiösen Führung wird. "Es geht nicht mehr nur darum, Wahlen zu gewinnen", sagt Bruesewitz: "Es geht um etwas Tieferes: die spirituelle Seele unserer Nation." Die Gegner - wahlweise beschimpft als Atheisten, Marxisten oder Nihilisten - sind für ihn nicht politische Konkurrenten oder ideologische Gegner, sondern der Feind: die "Verkörperung des Bösen" und darauf aus, "das Licht des Glaubens, der Familie und der Freiheit auszulöschen". Wer solchen Thesen als Anhänger überzeugt ins MAGA-Lager folgt, ist mit inhaltlichen Argumenten für andere politische Parteien quasi unerreichbar.
Da ist es dann auch kein Problem mehr, sich deutlich weniger christlich über seine politischen Mitbewerber zu äußern, wie es auch Donald Trump immer wieder tut. Alex Bruesewitz weicht an einer Stelle von seinem Skript ab, weil er unbedingt diesen wenig nächstenliebenden Witz aus der Corona-Zeit machen will: "Wisst ihr, warum Marxisten immer Masken tragen?", fragt er, ohne eine Antwort abzuwarten. "Weil sie hässliche Menschen sind." Der Saal johlt.
Quelle: ntv.de
