Rückzug aus Afghanistan Trump macht Tempo bei Truppenabzug
17.11.2020, 15:27 Uhr
Im November 2019 besuchte Donald Trump eine US-Militärbasis nördlich von Kabul.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bevor US-Präsident Donald Trump das Amt an seinen Nachfolger Biden übergeben muss, will er die Tausende US-Soldaten aus Afghanistan abziehen. Seine Pläne stoßen nicht nur bei der Nato auf Widerstand. Auch aus Trumps eigenen Reihen hagelt es Kritik.
Der amtierende US-Präsident Donald Trump will vor dem Ende seiner Amtszeit im Januar nach übereinstimmenden Medienberichten die Zahl der US-Truppen im Ausland weiter reduzieren. Kommandeure bereiteten sich auf einen Befehl vor, die Zahl der Soldaten in Afghanistan bis zum 15. Januar von derzeit rund 4500 auf etwa 2500 zu reduzieren, berichtete der Sender CNN am Montag, bevor weitere Medien nachzogen. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.
Führende Republikaner im US-Kongress und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnten vor vorschnellen Aktionen. Trumps Amtszeit endet am 20. Januar. Aus der Präsidentenwahl am 3. November war der Demokrat Joe Biden als Sieger hervorgegangen. Der Krieg in Afghanistan ist der längste in der Geschichte der USA. Seit 2001 sind amerikanische Soldaten in dem Krisenstaat. Nach den Anschlägen vom 11. September jenes Jahres waren von den USA angeführte Truppen dort einmarschiert. Seit fast zwei Jahrzehnten kämpfen Islamisten in Afghanistan für den Abzug der internationalen Truppen.
Den Berichten zufolge wird erwartet, dass Trump auch weitere Einschnitte bei den Soldaten im Irak befehligen dürfte. Dort sind nach CNN-Angaben noch 3000 US-Soldaten im Einsatz. Trump hatte bereits im September eine Reduzierung der dortigen Truppenstärke von 5200 auf 2000 Mann in Aussicht gestellt. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf einen Entwurf der Anordnung, dass zudem fast alle der mehr als 700 in Somalia stationierten Soldaten das Land verlassen sollten.
Trump verspricht Soldaten Rückkehr bis Weihnachten
Bereits im Wahlkampf 2016 hatte der Republikaner Trump versprochen, US-Truppen nach Hause zu holen. Knapp vier Wochen vor der Wahl hatte er Anfang Oktober überraschend auf Twitter angekündigt, dass die in Afghanistan verbleibenden Soldaten bis Weihnachten zurück in den USA sein sollten.
Kurz nach seiner Niederlage gegen Biden - die Trump noch immer nicht eingeräumt hat - hatte er Verteidigungsminister Mark Esper entlassen. Auch andere Führungsposten wurden neu besetzt. Der ehemalige Heeresoffizier Douglas Macgregor beispielsweise wurde zum leitenden Berater des geschäftsführenden Verteidigungsministers Christopher Miller ernannt. Macgregor ist ein Kritiker der Einsätze im Irak und in Afghanistan.
Offenbar hatte sich Esper nach Beratungen mit führenden Militärs im November gegen einen weiteren Abzug von Truppen aus Afghanistan ausgesprochen, da die dafür nötigen Bedingungen unter anderem mit Blick auf die Sicherheitslage noch nicht erfüllt seien. Über ein entsprechendes vertrauliches Schreiben an das Weiße Haus hatte am Wochenende zunächst die "Washington Post" berichtet, CNN bestätigte den Bericht am Montag.
Die USA hatten mit den militant-islamistischen Taliban Ende Februar ein Abkommen unterzeichnet, das den schrittweisen Rückzug aller US- und Nato-Streitkräfte bis Ende April 2021 in Aussicht stellt. Die Taliban verpflichteten sich unter anderem zu Friedensgesprächen mit der Regierung in Kabul, die im September aufgenommen wurden. Der Prozess war zuletzt jedoch ins Stocken geraten.
Republikaner: "Abzug würde Verbündeten schaden"
Der Preis für ein zu schnelles oder unkoordiniertes Verlassen des Landes könnte sehr hoch sein, warnte Nato-Generalsekretär Stoltenberg. Afghanistan drohe wieder ein Rückzugsort für Terroristen zu werden, die Angriffe auf Nato-Länder planten. Zudem könnte der Islamische Staat (IS) dann in dem Land das Terrorkalifat aufbauen, das er in Syrien und im Irak verloren habe. "Wir sind seit fast 20 Jahren in Afghanistan, und kein Nato-Verbündeter will länger bleiben als nötig", betonte Stoltenberg. Bei weiteren Minderungen der US-Truppenstärke würde die Nato ihren Einsatz zur Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte fortsetzen. Zugleich gilt, dass die Nato den Einsatz bei einem vollständigen US-Rückzug beenden müsste, weil die übrigen Alliierten militärisch nicht in der Lage sind, ihn alleine fortzuführen.
Warnungen vor einem voreiligen Rückzug aus dem Land sprachen auch führende Politiker von Trumps Republikanern im US-Kongress aus. "Ein rascher Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan würde unseren Verbündeten schaden und den Menschen gefallen, die uns Unheil wünschen", erklärte der Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell. Der ranghöchste Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses, Michael McCaul, teilte mit: "Ein voreiliger US-Abzug würde nicht nur die Verhandlungsfähigkeit der afghanischen Regierung gefährden, sondern US-Interessen mit Blick auf die Terrorismusbekämpfung in Gefahr bringen."
Welche Auswirkungen weitere US-Kürzungen auf das Engagement der Bundeswehr haben könnte, war zunächst unklar. Derzeit sind rund 1000 Soldatinnen und Soldaten im Norden des Landes stationiert. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, eine mögliche Truppenreduzierung oder ein Rückzug seien an einen Friedensvertrag gebunden. Die gewünschten Ergebnisse dazu lägen noch nicht vor. "Oberste Priorität" habe die Sicherheit der Bundeswehr-Soldaten vor Ort, betonte die CDU-Politikerin. Der Einsatz solle aber auch so beendet werden, "dass das, wofür sie gekämpft haben, auch abgesichert ist".
Quelle: ntv.de, chf/dpa/AFP