Politik

Neuer Parteichef gesucht Trump macht die Demokraten radikaler

Anhängerinnen der zwei aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des Demokraten-Chefs beäugen einander kritisch.

Anhängerinnen der zwei aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des Demokraten-Chefs beäugen einander kritisch.

(Foto: REUTERS)

Von ihrer Wahlniederlage haben sich die US-Demokraten noch immer nicht erholt. Heute wählen sie einen neuen Parteichef. Egal, wer siegt: Die Basis legt die Partei auf einen radikalen Oppositionskurs fest.

Die vielen und vielfältigen Proteste gegen US-Präsident Donald Trump können über eines nicht hinwegtäuschen: Die Demokratische Partei ist am Boden. Sie ist nicht einmal mehr stark genug, um von Trump als Feindbild benutzt zu werden.

Es ist nicht nur die unerwartete Niederlage bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen November - die könnte man sich noch schönreden. Die Demokratin Hillary Clinton hatte gegen Trump zwar verloren, aber immerhin knapp drei Millionen Stimmen mehr geholt. Es ist auch nicht die Niederlage bei der Wahl zum Repräsentantenhaus. Sie konnten den Senat nicht zurückgewinnen. Damit hatte kaum jemand gerechnet.

Tom Perez fehlen nach eigenen Angaben nur noch ein paar Dutzend Stimmen zum Sieg.

Tom Perez fehlen nach eigenen Angaben nur noch ein paar Dutzend Stimmen zum Sieg.

(Foto: AP)

Und für die Demokraten ist es sogar noch schlimmer. Die regulär gewählte Parteichefin, Debbie Wasserman Schultz, musste im Juli 2016 zurücktreten, mitten im Wahlkampf. Von Wikileaks veröffentlichte E-Mails aus der Demokratischen Partei hatten gezeigt, dass sie sich nicht neutral verhalten, sondern Clintons Mitbewerber Bernie Sanders klar benachteiligt hatte.

Seither amtiert Donna Brazile als Parteichefin. Brazile, die amerikanische Fernsehzuschauer als Kommentatorin bei CNN kennen, hat immer klar gemacht, dass sie das Amt nur für den Übergang ausüben will. Das ist wahrscheinlich auch eine gute Idee: Sie ist für eine von jenen Entscheidungen verantwortlich, die Clinton möglicherweise die Präsidentschaft kosteten. Brazile steckte ein paar Millionen Dollar in Werbung, mit der städtische Wähler zur Teilnahme an der Wahl bewegt werden sollten. Spätestens seit der Wahl ist klar, dass die Demokraten dieses Geld besser in Swing States gesteckt hätten.

Kommt eine "Tea Party von links"?

An diesem Samstag nun wählen die Demokraten in Atlanta einen neuen Vorsitzenden. Gesucht wird jemand, der ein besseres strategisches Geschick hat als Brazile, sich den Flügeln der Partei gegenüber fairer verhält als Wasserman Schultz und so populär werden kann wie Barack Obama, der als Präsident in den vergangenen acht Jahren Gesicht und faktischer Chef der Demokraten war. Kurzum: Gesucht wird jemand, der die Partei wieder aufbaut.

Keith Ellison ist als Student zum Islam konvertiert.

Keith Ellison ist als Student zum Islam konvertiert.

(Foto: AP)

Gesucht wird allerdings auch ein strategischer Kurs. Seit Wochen diskutieren die Medien in den USA, ob eine "Tea Party von links" entsteht. Noch ist es zu früh, eine Antwort auf diese Frage zu geben. Klar ist, dass es einen entsprechenden Druck gibt. So haben ehemalige Sanders-Wahlkämpfer eine Gruppe namens "We Will Replace You" gebildet, deren Name – "wir werden euch ersetzen" – Programm ist. Die Organisation droht damit, gegen jeden demokratischen Politiker, der nicht deutlich genug Widerstand gegen Trump leistet, einen Gegenkandidaten aufzustellen. Dies ist keine leere Drohung: Das amerikanische System der Vorwahlen begünstigt radikale Kandidaten. In innerparteilichen Wahlen können sie häufig mehr Wähler mobilisieren als gemäßigte Bewerber. Genau so hatte die echte Tea Party die Republikaner auf einen strammen Anti-Obama-Kurs festgelegt.

In Atlanta stehen acht Kandidaten zur Wahl. Abstimmen dürfen nur die 447 Mitglieder des Democratic National Committee (DNC) – echte Parteitage veranstalten die großen Parteien in den USA nur, um ihre Präsidentschaftskandidaten zu bestimmen. Die drei aussichtsreichsten Bewerber sind ganz nach dem Geschmack der Demokraten, die sich als die Partei der Vielfalt sehen: ein Latino, ein schwarzer Muslim und ein schwuler Bürgermeister.

Clinton-Mann gegen Sanders-Unterstützer

Als Favorit gilt Obamas früherer Arbeitsminister Tom Perez. Der 55-Jährige ist gebürtiger New Yorker und der Sohn von Einwanderern aus der Dominikanischen Republik. Eine herzerwärmende Aufsteigergeschichte hat er trotzdem nicht zu bieten: Sein Vater war Arzt, seine Mutter kam als Tochter des damaligen Botschafters der Dominikanischen Republik in die USA. Perez selbst studierte Jura an der Eliteuniversität Harvard.

Trump unterstützt Ellison

"Eines kann ich über den Abgeordneten Keith Ellison sagen", twitterte Präsident Trump. "Er ist derjenige, der früh vorhergesagt hat, dass ich gewinne!" Trump bezog sich auf einen Talkshow-Auftritt Ellisons im Sommer 2015. Damals sagte der Demokrat einen Sieg Trumps in den Vorwahlen voraus. Später erklärte er, wie er zu seiner Prognose gekommen war. "Donald Trump ist kein Held der Arbeiterklasse, aber er war ziemlich gut darin, einen im Fernsehen zu spielen."

Chancen rechnet sich auch der 56 Jahre alte Keith Ellison aus. Der Kongressabgeordnete kommt aus dem ländlichen Bundesstaat Minnesota an der Grenze zu Kanada und war 2007 der erste Muslim im US-Kongress. Seine Kandidatur wird von dem Mann unterstützt, der Clinton in den Vorwahlen unterlag: Bernie Sanders. Auch der linke Filmemacher Michael Moore hat sich für Ellison ausgesprochen. Entsprechend deutlich positionierte der sich in einer Debatte der acht Bewerber, die von CNN ausgestrahlt wurde. Trumps bisherige Handlungen würden die Frage nach einem Amtsenthebungsverfahren aufwerfen, sagte Ellison.

Perez zeigte sich ebenfalls als scharfer Trump-Kritiker – angesichts der Stimmung an der Basis der Demokratischen Partei bleibt ihm auch gar nichts anderes übrig. "Wir haben von Anfang an gesehen, dass diese Person die Uhr zurückdrehen will", sagt Perez über den Präsidenten. "Die Demokratische Partei muss ihren Kampf gegen Donald Trump richten."

Im Vorwahlkampf hatte Perez Clinton unterstützt, Ellison stand an der Seite von Sanders. Die Spaltung der Demokraten, die dadurch offenbar wurde, droht sich nun zu wiederholen. Theoretisch könnte Pete Buttigieg der lachende Dritte sein. Buttigieg ist Bürgermeister der Stadt South Bend im konservativen Bundesstaat Indiana. Als dort ein Gesetz verabschiedet wurde, dass Unternehmen erlaubt, Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender zu diskriminieren, outete er sich in der Lokalzeitung als schwul. Auch Buttigieg will Trump bekämpfen. Er fügt jedoch hinzu: "Aber wir können nicht zulassen, dass er unsere Vorstellungskraft beherrscht, denn es sind unsere Werte und unsere Kandidaten, die wichtig sind."

Die Wahl des neuen Parteichefs wird einen Hinweis geben, welchen Kurs die Demokraten einschlagen: den radikaleren von Bernie Sanders oder den gemäßigten der bisherigen Parteiführung. Rhetorisch wird es zweifellos eine Radikalisierung geben. Etwas anderes würde die Basis nicht zulassen.

Quelle: ntv.de

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