Politik

Strategie im Nahost-Konflikt Trump setzt auf Tauschhandel

US-Präsident Trump, Schwiegersohn Jared Kushner, Israels Premier Netanjahu und der US-Botschafter in Israel,  David Friedman, im März bei der Anerkennung der Golan-Höhen als israelisches Gebiet.

US-Präsident Trump, Schwiegersohn Jared Kushner, Israels Premier Netanjahu und der US-Botschafter in Israel, David Friedman, im März bei der Anerkennung der Golan-Höhen als israelisches Gebiet.

(Foto: AP)

Donald Trump ist Geschäftsmann. Den Palästinensern will er ihren Anspruch auf einen eigenen Staat abkaufen. Dann könnte Israel das Westjordanland annektieren, so wie es Präsident Netanjahu schon angekündigt hat. Doch hat der sogenannte Friedensplan eine Chance auf Erfolg oder könnte er das Gegenteil bewirken: eine neue Welle der Gewalt?

Seit Monaten kursieren die Spekulationen über Donald Trumps großen Wurf, seinen Lösungsplan für den Nahost-Konflikt. Schwiegersohn Jared Kushner ist mit der Ausarbeitung der Strategie betraut, die Trump selbst schon vor Monaten als "Jahrhundert-Deal" angekündigt hat. Unterstützt wird Kushner unter anderem vom US-Botschafter in Israel, David Friedman. Während der Termin, um die Strategie öffentlich zu präsentieren, gerade wieder verschoben wurde, ist Friedman schon mal vorab konkret geworden: "Ich denke, dass Israel unter gewissen Umständen das Recht hat, einen Teil, aber wahrscheinlich nicht das ganze Westjordanland zu behalten", sagte der Diplomat am vergangenen Wochenende im Interview mit der "New York Times".

Sein Chef im Weißen Haus will die Sache offenbar als Geschäftsmann angehen. Das ist sein Metier: kaufen, verkaufen. Abkaufen will Trump den Palästinensern ihren Anspruch auf einen eigenen Staat. Eine Forderung, die sie seit über 100 Jahren stellen. Als Gegenleistung bietet er Investitionen aus den arabischen Golfstaaten, das Versprechen auf einen Aufstieg aus der enormen wirtschaftlichen Misere. Die Antwort aus Ramallah auf David Friedmans Vorstoß kam schnell und war deutlich. Einen "Hundesohn" nannte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Botschafter und beschuldigte die USA einmal mehr, im Nahost-Konflikt nur israelische Interessen zu verfolgen. Anders ausgedrückt: Wir sind nicht käuflich.

Wohlstand im Tausch gegen politische Ziele – nicht zum ersten Mal wird versucht, den Nahost-Konflikt ökonomisch zu befrieden. Schon vor der Staatsgründung Israels wollten die Briten das Gebiet wirtschaftlich so weit entwickeln, dass beide Seiten, Zionisten und Palästinenser, zufrieden wären. "Die Strategie gab es mehrfach", sagt Nahost-Experte Peter Lintl von der Stiftung für Wissenschaft und Politik. "Und sie ist jedes Mal katastrophal gescheitert."

"Zu befürchten ist eine neue Welle der Gewalt"

Denn der Preis, den die Palästinensische Autonomiebehörde zahlen müsste, ist aus ihrer Sicht schlicht nicht annehmbar. Eine Annexion von Teilen des Westjordanlandes, ob mit oder ohne Investitionspaket der Golf-Staaten, würde die Besatzung des Gebietes verewigen und einen palästinensischen Staat unmöglich machen. Die israelischen Siedlungen dort widersprechen dem Völkerrecht. Israel würde sich einseitig durchsetzen, jeglicher Kompromiss wäre vom Tisch, damit aber auch jegliche Chance auf Frieden, sagt der Wissenschaftler. Für Lintl droht bei einer möglichen Annexion von Teilen der Westbank neue Gewalt, nicht nur aus dem Gaza-Streifen. "Das kann man sich im Moment überhaupt nicht vorstellen, denn das Westjordanland ist ja seit vielen Jahren im Vergleich zum Gaza-Streifen relativ ruhig. Aber es ist zu befürchten, dass sich die Bewohner dort radikalisieren würden, dass eine neue Welle der Gewalt käme."

Trotz dieser möglichen Folgen sprechen sich in Israel inzwischen 42 Prozent der Bevölkerung für eine Annexion aus. Viele haben schlicht die Hoffnung verloren, dass die Palästinenser überhaupt zu einer friedlichen Lösung bereit wären. Alle Parlaments-Mitglieder des Likud, der Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, befürworten mindestens eine Teil-Annexion. Und wer, wie alle religiös-nationalen Parteien, den Gebietsanspruch auf die Westbank aus der Bibel ableitet und das Land als von Gott versprochen ansieht, der ist ohnehin zu keinem Kompromiss bereit.

Drei Millionen neue palästinensische Mitbürger

Noch sind die Hardliner nicht in der Mehrheit, aber ihre Zahl nimmt zu. Und kaum einer von ihnen denkt die Annexion auch politisch zu Ende: Denn eine Eingliederung des Westjordanlandes würde für die neun Millionen Israelis drei Millionen neue palästinensische Mitbürger bedeuten. Wenn die Araber Staatsbürgerrechte bekämen, dann könnten die Palästinenser wählen gehen. "Das würde den grundlegenden Charakter und die Idee, mit der Israel gegründet würde, vollkommen verändern. Israel würde aufhören ein jüdischer Staat zu sein", sagt Peter Lintl. Für die Mehrheit der Israelis ist das jedoch laut Umfragen inzwischen das wichtigste Ziel: der Erhalt Israels als jüdischer Staat. Die Alternative wäre, den Palästinensern Staatsbürgerrechte zu verweigern. Dann würde Israel aufhören, ein demokratischer Staat zu sein.

Palästinenser verlassen die Westbank an einem Grenzübergang auf dem Weg nach Ost-Jerusalem

Palästinenser verlassen die Westbank an einem Grenzübergang auf dem Weg nach Ost-Jerusalem

(Foto: AP)

Kritiker der Regierung sehen schon heute Schritte, die wegführen von einer liberalen Demokratie. Das 2018 verabschiedete erste israelische Nationalstaatsgesetz enthält ausdrücklich nicht das Prinzip der Gleichheit. Arabisch ist nach dem Gesetz nun keine offizielle Staatssprache mehr. Das Erziehungsministerium verbannte eine jüdisch-arabische Liebesgeschichte aus dem Lehrplan, von mehreren Regierungsmitgliedern stammt ein Gesetzentwurf, der es verbieten soll, für den muslimischen Gebetsruf Lautsprecher zu benutzen. Kritiker des Nationalgesetzes befürchten, dass Nicht-Juden in Israel zu Bürgern zweiter Klasse werden.

Die Knesset, das israelische Parlament, diskutiert gerade ein Gesetz, mit dem das Prinzip der Gewaltenteilung aufgeweicht würde. Es soll den Abgeordneten ermöglichen, per Mehrheit Gesetze zu verabschieden, ohne dass sie der Oberste Gerichtshof als nicht rechtens kassieren könnte. "Als würde in Deutschland das Bundesverfassungsgericht entmachtet", erklärt Peter Lintl. Im Licht solcher Entwicklungen scheint ein gleichberechtigtes Leben von Juden und Arabern in Israel unwahrscheinlicher zu werden. Der Wissenschaftler fasst die Lage so zusammen: "Die Zeichen der Zeit stehen für Frieden so ungünstig wie noch nie."

Quelle: ntv.de

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