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Mit ein paar Tagen Verspätung empfängt US-Präsident Trump heute Bundeskanzlerin Merkel. Ihre gemeinsame Vorgeschichte hat das Zeug, für ein peinliches Treffen zu sorgen. Doch das wird nicht passieren.
Man hätte das Wetter als Metapher verstehen können. Ein Schneesturm verhinderte vor ein paar Tagen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Antrittsbesuch bei US-Präsident Donald Trump machte. Eiszeit im deutsch-amerikanischen Verhältnis.
Merkel selbst würde das so niemals sagen. "Miteinander reden statt übereinander reden – das wird mein Motto sein bei diesem Besuch, auf den ich mich ausdrücklich freue", hatte sie am Montag verkündet. Es geht darum, sich kennenzulernen, hieß es am selben Tag aus Regierungskreisen, es gehe darum, eine gemeinsame Basis zu entwickeln, damit künftige Probleme sich leichter lösen lassen, damit Vertrauen entsteht.
Die vielen Beleidigungen, mit denen Trump Merkel bedacht hat, sollen keine Rolle spielen. "Es ist in der Politik nicht sinnvoll, alte Äußerungen auf die Waagschale zu legen", sagte ein Vertreter der Bundesregierung.
So sieht man das wohl auch im Weißen Haus. Merkel hat Trump zwar nicht beleidigt. Aber sie hat keinen Zweifel daran gelassen, was sie von ihm hält. Am Morgen nach der Präsidentschaftswahl im vergangenen November stellte sie sich im Kanzleramt vor die Presse und erklärte, im Wahlkampf in den USA habe es eine "zum Teil schwer erträgliche Konfrontation" gegeben. Sie zählte auf, durch welche Werte Deutschland und die USA verbunden seien: "Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung." Und dann folgte ein Satz, den noch kein Bundeskanzler an die Adresse eines US-Präsidenten gesagt hat: "Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an."
Merkel hat alle Zahlen dabei
Trotz dieser eher durchwachsenen Vorgeschichte dürfte kein Gefühl für Peinlichkeiten aufkommen, wenn Trump Merkel im Weißen Haus begrüßt. Das würde, so unterschiedlich die beiden sind, weder zum großspurigen Politik-Neuling Trump noch zur stillen Technokratin Merkel passen.
Wie eng ihre Zusammenarbeit wird, dürfte in Wahrheit kaum davon abhängen, dass Trump sich zu den von Merkel aufgezählten Werten bekennt. Deutschland ist auf ein gutes Verhältnis zu den USA angewiesen – ohne den militärischen Schutz der Amerikaner hätte die EU ein Problem. Merkel wird versuchen, Trump klarzumachen, dass auch die USA an guten Beziehungen zu Deutschland und Europa interessiert sein sollten.

Schnee liegt kaum noch in Washington. Dafür ist das Wasser im Brunnen vor dem Weißen Haus grün - es ist St. Patrick's Day.
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Die entsprechenden wirtschaftlichen Daten haben sie und andere Vertreter der Bundesregierung in den vergangenen Tagen mehrfach referiert. Die Summe der seit dem Zweiten Weltkrieg getätigten deutschen Investitionen in den USA liege bei 271 Milliarden Euro, sagte die Kanzlerin etwa nach einem Treffen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft in München. Deutsche Unternehmen würden in den USA zudem rund 750.000 Arbeitsplätze schaffen, indirekt würden "deutlich über ein bis zwei Millionen Arbeitsplätze" in den USA von deutschen Unternehmen abhängen.
Zusätzlich beflügeln dürfte Merkel der Ausgang der Parlamentswahlen in den Niederlanden. Noch im Januar hatte Trump ein Auseinanderfallen der Europäischen Union prophezeit. Mag sein, dass er das nur so dahergesagt hat. Möglicherweise war ihm nicht klar, wie zentral die EU aus Sicht aller bisherigen Bundesregierungen ist. Aber das Abschneiden des Rechtspopulisten Geert Wilders, der in US-Medien als "der niederländische Donald Trump" bezeichnet wurde, ist ein Hinweis, dass Trumps Analyse falsch ist.
In Berlin: Nur keine Panik
Merkel wird sicher genau hinhören, wenn Trump über die Europäische Union sprechen sollte. In einem Hintergrund-Briefing im Weißen Haus vor einer Woche wurde deutlich, dass selbst hochrangige Vertreter der US-Regierung nicht wissen, was der Präsident über die EU denkt.
Nur gut dreieinhalb Stunden sind für diverse Gespräche, Mittagessen und eine gemeinsame Pressekonferenz eingeplant. Gesprochen werden soll nach Vorstellung der deutschen Seite über den Krieg in der Ukraine, über die Lage im Nahen Osten und im nördlichen Afrika, über die Beziehungen der EU zu den USA und über die Klimapolitik. Wichtig ist der Bundesregierung, dass am Ende beide, Merkel und Trump, die Bedeutung der Nato unterstreichen. Außerdem wird die Kanzlerin sicher noch einmal betonen, dass die Bundesregierung am Zwei-Prozent-Ziel der Nato festhält, also die Militärausgaben erhöhen will. Vermutlich wird sie es sich nicht nehmen lassen, darauf hinzuweisen, dass dieser Beschluss Jahre vor Trumps Amtsantritt gefasst wurde.
Darüber hinaus hat Merkel offenbar keine konkreten Ziele – dafür ist es wohl auch noch zu früh. Die neue US-Administration müsse sich erst "zusammenrütteln", heißt es aus Berliner Regierungskreisen. Gemeint ist damit, dass im amerikanischen Außenministerium noch nicht jede Stelle besetzt ist, dass noch immer nicht jeder Ansprechpartner bekannt ist. Das sei aber alles ganz normal, so heißt es in Berlin. Die Botschaft ist: Wir warten ab. Nur keine Panik.
In Washington: Maximale Ratlosigkeit
Während die deutsche Seite versucht, selbstbewusste Gelassenheit zu vermitteln, klingt in Washington eher maximale Ratlosigkeit durch. Was ist die Position der US-Regierung zum Pariser Klimaabkommen? "Das ist ein Thema, bei dem es noch Festlegungen geben wird", sagte einer der Regierungsvertreter beim Pressebriefing des Weißen Hauses. Wie will Trump die Ukraine-Krise lösen? "Ich kann nicht sagen, was der Präsident dazu denkt." Glaubt Trump, dass es gut wäre, wenn weitere Staaten die EU verlassen? "Ich kenne seine Gedanken dazu nicht."
Selbst über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP konnten die Vertreter der US-Regierung bei dem Briefing keine Position vorlegen. TTIP könne durchaus ein Thema bei den Gesprächen sein, sagten sie. Dabei geht man in Berlin davon aus, dass der Vertrag auf Eis liegt. Es wäre möglich, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, sagte ein deutscher Regierungsvertreter am Montag. "Ob das von Interesse ist, weiß ich nicht."
Kurzum: Merkel und die anderen Vertreter der Bundesregierung gehen gut vorbereitet in das Treffen mit Trump, sie haben alle Zahlen dabei und können zur Not auch ein Spontan-Referat über die russische Außenpolitik halten. Was bei dem Treffen rauskommt, ist trotzdem völlig unklar. Ein bisschen ist es so, als führe Merkel nicht ins Weiße Haus, sondern in ein Schwarzes Loch.
Durch Schneesturm "Stella" fielen in Washington übrigens Hunderte Flüge aus. Am Weißen Haus lagen jedoch nur ein paar Zentimeter Schnee. Vielleicht ist das die passende Metapher. Zumindest für Deutschland und Europa wird Trump vielleicht nicht so schlimm wie befürchtet.
Dieser Text ist die aktualisierte Version eines Artikels vom 13. März.
Quelle: ntv.de