"Zensur" und "Auslöschung"Trumps Sicherheitspapier gleicht Kampfansage an Europa

Mit seinem neuen globalen Sicherheitskonzept greift Washington europäische Verbündete unverhohlen an. Das Papier beschwört nicht nur die "zivilisatorische Auslöschung" des Kontinents herauf, sondern macht klar und deutlich, dass die Trump-Regierung "ein völlig anderes Europa sehen möchte".
Steht Europa vor dem Niedergang? Diesen Eindruck erhält, wer die am Freitag veröffentlichte nationale Sicherheitsstrategie der USA liest. Darin wird in scharfer Sprache gegenüber den Verbündeten die America-First-Agenda (Amerika zuerst) von Präsident Donald Trump festgeschrieben. Auf Deutschland, die EU und die Nato kommen große Herausforderungen zu, warnen Politologen.
Das Weiße Haus beschwört in dem Strategiepapier eine "zivilisatorische Auslöschung" Europas herauf. Sollte sich die aktuelle Entwicklung fortsetzen, werde der Kontinent "in 20 Jahren oder weniger nicht mehr wiederzuerkennen sein", heißt es darin. "Es ist mehr als plausibel, dass spätestens innerhalb weniger Jahrzehnte bestimmte Nato-Mitglieder mehrheitlich nicht-europäisch werden", heißt es an anderer Stelle.
Damit greift die Trump-Regierung die Behauptung von Rechtsextremen auf, durch Migration finde gezielt ein "großer Austausch" der europäischen Bevölkerung statt, dem nur durch sogenannte Remigration begegnet werden könne, also eine scharfe Grenz- und Abschiebepolitik. Die USA betonten dazu in ihrer Strategie: "Die Ära der Masseneinwanderung muss enden." Trump hat der irregulären Migration in die USA den Kampf angesagt und betreibt eine Abschiebepolitik, die Kritikern zufolge Grundrechte missachtet.
USA möchten "völlig anderes Europa sehen"
Die US-Regierung prangert in ihrem Papier zudem eine angebliche "Zensur der Meinungsfreiheit und Unterdrückung der politischen Opposition" in Europa an. Ähnliche Argumente hatte Trumps Vizepräsident JD Vance bereits im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorgebracht. Hintergrund ist, dass die US-Regierung Rechtspopulisten wie die AfD unterstützt, um der Maga-Bewegung Trumps (Make America Great Again, Macht Amerika wieder großartig) in Europa einen größeren Einfluss zu verschaffen.
So sprach US-Außenminister Marco Rubio etwa von "verkappter Tyrannei" in Deutschland, nachdem der Verfassungsschutz die AfD im Mai vorläufig als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft hatte. Bundeskanzler Friedrich Merz verbat sich solche Einmischung in die Innenpolitik. Mit "Zensur" meint die US-Regierung überdies EU-Auflagen für amerikanische Internetkonzerne. So warfen Vance und Rubio der EU-Kommission erst am Freitag vor, mit einer Geldbuße von 120 Millionen Euro für die Plattform X von Tech-Milliardär Elon Musk die Meinungsfreiheit einzuschränken. Brüssel bestreitet dies.
Das Papier aus dem Weißen Haus erteilt einer Nato-Erweiterung zudem eine Absage. Damit enttäuscht Washington erneut die Hoffnungen der Ukraine auf eine Aufnahme in das transatlantische Bündnis. Zugleich ist die Strategie ein Indiz dafür, dass sich die Trump-Regierung Russland angenähert hat, das sich seit Jahren gegen die Nato-Osterweiterung wehrt. Die Regierung von Trumps Vorgänger Joe Biden wollte Russland in seinem Machtanspruch noch "einschränken", wie die "Washington Post" hervorhebt - solche Formulierungen finden sich in dem neuen Papier nicht.
Der Politologe Evan Feigenbaum vom Carnegie Endowment for International Peace, der unter Präsident George W. Bush für die Regierung arbeitete, nennt die neue Strategie äußerst "konfliktträchtig". Sie stelle "die Vereinigten Staaten klar gegen das gesamte europäische Projekt", schrieb Feigenbaum auf X. Ähnlich sieht es Kristine Berzina vom German Marshall Fund. Die Trump-Regierung mache deutlich, "dass sie ein völlig anderes Europa sehen möchte", sagte sie. Indem die USA die Legitimität europäischer Regierungen infrage stellten, griffen sie viele europäische Verbündete frontal an.