Anwalt: Adnan S. ist wohlauf Türkei hält Mann aus München weiter fest
03.01.2019, 15:47 Uhr
In der Türkei sucht eine eigens eingerichtete Einheit nach vermeintlich verbotenen Äußerungen in sozialen Medien.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ein türkischstämmiger Deutscher reist zur Beisetzung seiner Mutter in die Türkei. Dort wird Adnan S. vorübergehend festgenommen und darf seither nicht ausreisen. S. hatte sich im Internet pro-kurdisch geäußert. Nun spricht sein Anwalt.
Der wegen einiger Facebook-Posts vorübergehend in Ankara festgenommene Münchner Adnan S. wird weiter in der Türkei festgehalten. S. sei zwar auf freiem Fuß und müsse sich nicht regelmäßig bei der Polizei melden, die Ausreisesperre bleibe aber in Kraft, sagte sein Anwalt Abdulmenaf Kiran. Er habe Einspruch gegen die Sperre eingelegt.
S., der nach Angaben seiner Familie seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und nur den deutschen Pass besitzt, war am 27. Dezember zur Beerdigung seiner Mutter in die Türkei geflogen und festgenommen worden. Der 56-Jährige blieb zwei Tage in Polizeigewahrsam. Seinem Mandanten werde vorgeworfen, mit einigen Einträgen in sozialen Medien Terror verherrlicht zu haben, sagte Anwalt Kiran.
S. habe allerdings "lediglich das Referendum zur Unabhängigkeit der Kurden im Nord-Irak in sozialen Medien unterstützt und ein Bild der Fahne der autonomen kurdischen Region geteilt". Das stelle nach türkischem Gesetz keine Straftat dar, aber das wüssten viele Sicherheitsbeamte nicht.
Unvollständige Akteneinsicht
Wie die Staatsanwaltschaft von den Einträgen erfahren hat, ist noch unklar. Der Anwalt gab an, nur begrenzten Zugang zu den Akten zu haben. Möglicherweise habe jemand S. angezeigt. Ähnliche Anzeigen oder Denunziationen haben bereits mehrfach zu Festnahmen geführt. Möglicherweise sei aber auch die Cyber-Kriminalitäts-Abteilung der Polizei über die Einträge gestolpert, sagte der Anwalt.
Diese zunehmend aktive Abteilung hat nach offiziellen Angaben 2018 rund 42.400 Konten auf sozialen Medien nach "Terrorpropaganda, Hass-Reden oder Beleidigung von Staatsmännern" durchforstet. Gegen rund 18.300 Nutzer wurde rechtlich vorgegangen.
Das Auswärtige Amt bestätigte, dass der Fall bekannt sei. Die Botschaft in Ankara betreue den Mann konsularisch. Kiran sagte, seinem Mandanten gehe es den Umständen entsprechend gut. "Aber natürlich ist er psychisch angeschlagen." Im Moment sei er in seiner Heimatregion in der Provinz Konya.
Journalisten-Verband warnt vor Türkei-Reisen
2017 hatte eine ganze Serie von Verhaftungen von Deutschen eine schwere Krise zwischen Ankara und Berlin ausgelöst. Mit der Freilassung und Ausreise einiger prominenter Fälle hatten sich die Beziehungen von Ende 2017 an leicht entspannt. Es sitzen aber noch immer fünf deutsche Staatsbürger "aus politischen Gründen" in Haft.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnte angesichts dieser Entwicklungen Journalisten und Blogger vor Reisen in die Türkei. "Die schönsten Wochen des Jahres sollte niemand im Polizeigewahrsam verbringen müssen", erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Der Urlaub könne zu einer "bösen Falle" werden.
Auch das Auswärtige Amt hat vor Reisen in die Türkei gewarnt. Festnahmen deutscher Staatsangehöriger habe es mehrfach im "Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien" gegeben. Äußerungen, die nach dem deutschen Gesetz von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, könnten "Anlass zu einem Strafverfahren in der Türkei geben". Das Teilen oder "Liken" eines fremden Beitrags reiche dafür schon aus.
Quelle: ntv.de, shu/dpa