Wie wird Putin reagieren? US-Vertreter: "Russen sind in Schwierigkeiten"
13.09.2022, 11:48 Uhr
Vormarsch im Osten: Den ukrainischen Truppen ist ein Überraschungserfolg gegen Russland gelungen.
(Foto: AP)
Im Krieg gegen Russland geht die Ukraine in die Offensive. Unklar ist jedoch, ob ihre jüngsten Erfolge die Wende des Krieges bedeuten. US-Vertreter äußern sich laut einem Zeitungsbericht zurückhaltend: Viel hänge jetzt von der Reaktion des russischen Präsidenten ab.
Nach der erfolgreichen Gegenoffensive der Ukraine im Raum Charkiw sehen US-Regierungsvertreter Hinweise auf einen möglichen Wendepunkt im Krieg gegen Russland. Gleichzeitig wachse der Druck auf Moskau, Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Vorstöße der Ukrainer zu verhindern, berichtet die "Washington Post" unter Verweis auf Vertreter der USA und anderer westlicher Staaten, die über Geheimdiensterkenntnisse verfügen.
Viel hänge von den nächsten Schritten des russischen Präsidenten Wladimir Putin ab, werden die Beamten zitiert. Dieser könne etwa eine Generalmobilmachung veranlassen oder Verstärkung aus anderen Landesteilen anfordern, um die schweren Verluste in der Ukraine auszugleichen. "Die Russen sind in Schwierigkeiten", so ein US-Vertreter. "Die Frage wird sein, wie die Russen reagieren werden. Aber ihre Schwächen sind aufgedeckt worden und sie haben keine großen Reserven an Personal oder Ausrüstung."
Dass Russland nun chemische oder taktische Atomwaffen einsetzen könnte, halten die Quellen jedoch für unwahrscheinlich. Denn trotz aller Unzulänglichkeiten seien die Russen immer noch in der Lage, sich neu zu formieren und hart zurückzuschlagen. "Sicherlich ist es ein militärischer Rückschlag", sagte ein US-Vertreter. Er sei aber nicht sicher, ob man von einem "großen strategischen Verlust" sprechen könne. Noch immer hält Russland große Gebiete im Osten und im Süden der Ukraine besetzt, darunter die strategisch wichtigen Städte Mariupol und Cherson.
Die Ukraine hat nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj bei ihrer Gegenoffensive seit Anfang September 6000 Quadratkilometer zuvor russisch besetzter Gebiete zurückerobert. Die Soldaten hätten diese Fläche im Süden und im Osten "befreit" und würden "weiter voranschreiten", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. Die Ukraine hatte in den vergangenen Tagen in der nordöstlichen Region Charkiw unter anderem die Städte Isjum, Kupjansk und Balaklija zurückerobert.
Unklar, ob weitere Vorstöße möglich sind
Militärexperte Thomas Wiegold zeigte sich im Gespräch mit ntv zwar überrascht über die schnellen Vorstöße der Ukrainer, mahnte aber ebenfalls zur Vorsicht. Bisher habe die Ukraine nur einen kleinen Teil der von Russland besetzten Gebiete zurückerobert. "Die Frage wird sein, kann die Ukraine die Geschwindigkeit dieser Vorstöße halten und weiterführen?" Unklar sei, ob Truppenstärke und Material der Ukrainer dafür ausreichten.
Auf der anderen Seite sei jedoch ein "Kaskaden-Effekt" möglich, so Wiegold. Denn die Ukrainer hätten mit der Stadt Kupjansk einen wichtigen Eisenbahn-Knotenpunkt erobert. Und Russland sei beim Nachschub und Truppenverlegungen sehr stark auf die Eisenbahn angewiesen, so der Experte. Daher könne die Eroberung von Kupjansk durchaus "Bedeutung haben, weit über diesen Frontabschnitt hinaus, bis in den Donbass, vielleicht sogar bis hin in den Süden". Dennoch äußerte sich Wiegold zurückhaltend, ob es sich tatsächlich um die Wende des Kriegsverlaufs handelt. "Da müssen wir noch ein bisschen abwarten."
Quelle: ntv.de, kst