Verlust der Senatsmehrheit droht Die Demokraten ziehen ins letzte Gefecht um die Great Plains


Tim Sheehy (l) und John Tester kämpfen um den womöglich entscheidenden Sitz im Senat.
(Foto: REUTERS; picture alliance / abaca)
Bei der Wahl Anfang November steht für die Demokraten nicht nur das Weiße Haus auf dem Spiel. Auch im Senat droht ihnen der Verlust der Mehrheit. Für einen möglichen Wahlsieger Trump wären das gute Voraussetzungen. Doch um das zu verhindern, setzen seine Gegner auf einen Bundesstaat.
Den Demokraten droht bei der Wahl am 5. November eine schmerzhafte Niederlage. Im schlimmsten Fall verlieren sie das Weiße Haus und ihre Mehrheit im Senat. Ex-Präsident Donald Trump liegt laut Umfragen in vielen "Battleground States" knapp vor oder gleichauf mit Harris. Sollten die Republikaner auch in den beiden Kongresskammern gewinnen, könnte Trump bei der Durchsetzung seiner Agenda leichtes Spiel haben.
Aktuell halten die Demokraten zwar noch die Mehrheit im Senat. Aber die ist mit 51 Senatoren hauchdünn. Beim anstehenden Urnengang droht diese zu kippen. Parallel zum Präsidenten wird ein Drittel der Sitze im Senat und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Speziell zwei Senatssitze stehen dabei im Fokus. In West Virginia tritt der streitbare Joe Manchin nicht mehr an. Mitunter als Bremser der Biden-Agenda tituliert, erklärte sich dieser im Verlauf der Amtsperiode zum Parteilosen und gab seinen Verzicht auf mögliche sechs weitere Jahre in der Kammer des Kongresses bekannt.
Die Chancen der Demokraten diesen Sitz dennoch zu halten? Nicht existent. Das Rennen ist laut Umfragen nicht zu gewinnen. Der republikanische Kandidat führt in dem Kohlestaat mit weitem Abstand – je nach Umfrage liegt dieser rund 30 Prozentpunkte in Front.
Montana als letzte Chance für die Demokraten
So bleibt noch ein Staat, in dem die Demokraten – sollte sich nichts gänzlich Unerwartetes ergeben – Chancen haben: in Montana. In dem Bundesstaat an der kanadischen Grenze mit rund einer Million Einwohnern auf einem Gebiet größer als Deutschland steht mit Jon Tester ein langjähriger demokratischer Senator zur Wiederwahl.
Dabei drohen in dem landschaftlich idyllischen Bundesstaat auch dessen Ambitionen im Sand zu verlaufen. In den letzten Jahrzehnten verloren die Demokraten nach und nach den Zugriff auf Ämter auch in den anderen Bundesstaaten der Great Plains. Dort waren durch Senatoren in den benachbarten Bundesstaaten wie North und South Dakota oder auch Nebraska vertreten. Mit Testers Sitz in Montana könnte jetzt ihre letzte Enklave fallen. Während Montana bei den Präsidentschaftswahlen dezidiert republikanisch abstimmte, schickten sie immer wieder Demokraten in den US-Senat. Tester ist seit 2007 bereits im Amt. Auf dem zweiten Senatssitz von Montana saß von 1913 bis 2015 durchgehend ein Demokrat. Inzwischen ist Tester aber der letzte verbliebene Demokrat in einem bundesstaatsweit gewählten Amt.
Bodenständig und stets seine Herkunft betonend - Farmer in dritter Generation im Bundesstaat - verläuft sein Wahlkampf. Linke Identitätspolitik? Gibt es bei Tester nicht. Schlagworte, die man eher bei republikanischen Kandidaten vermuten würde, finden sich in seinem Wahlkampf. "Pro gun, pro Farm, pro Veteran" plakatiert der 68-Jährige großflächig. Auftritte mit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin gibt es konsequenterweise nicht. Nicht einmal ein "Endorsement" (Unterstützungserklärung) hat er an Harris verteilt. Mit der Partei auf Bundesebene will er möglichst wenig in Verbindung gebracht werden. Tester setzt darauf, dass die Wählerschaft bereit ist, ihr Ticket zu "splitten": Trump als Präsident und Tester in den Senat.
Die bundesweite Bedeutung der Entscheidung in Montana spiegelt sich auch bei den eingesetzten Mitteln wider. Über 250 Millionen Dollar flossen parteiübergreifend bereits in den Wahlkampf in Montana.
"Yellowstone" feuert Zuzug an
Der Verlust der Mehrheit in der wichtigeren der beiden Kongresskammern hätte erhebliche Folgen für die Demokraten. Denn in der Kammer mit 100 Mitgliedern - je zwei pro Bundesstaat - wird neben Gesetzen auch über bedeutende Personalentscheidungen abgestimmt. Minister der neuen Administration oder auch Besetzungen an den Bundesgerichten müssen durch den Senat bestätigt werden.
Einen Vorteil, den Trump während seiner ersten Amtszeit nutzen konnte. Zwischen 2017 und 2021 hielten die Republikaner die Mehrheit im Senat. Der damalige Präsident konnte in dieser Zeit unter anderem drei Sitze am Supreme Court mit (sehr) konservativen Kandidaten besetzen, was über Jahrzehnte die Rechtsprechung am höchsten US-Bundesgericht prägen wird - die Posten werden auf Lebenszeit besetzt.
Montana könnte nun das Zünglein an der Waage sein für die Mehrheitsverhältnisse. Doch "Big Sky Country" ist ein Staat im Wandel. Denn die Natur zieht Jahr für Jahr wohlhabende Amerikaner aus anderen Bundesstaaten an, die Land und Häuser kaufen. Als massive Gentrifizierung wird dies von einigen Beobachtern beschrieben. Dazu trägt auch die populäre Netflix-Serie "Yellowstone" ihren Teil bei. Diese beschreibt ironischerweise genau diesen Kampf: Alt-Eingesessene gegen Spekulanten, Investoren und Neureiche, die den Großstädten entfliehen.
In Umfragen beide Kandidaten fast gleichauf
Die sich wandelnde Demografie und die politische Polarisierung entlang von Parteilinien gefährden jetzt den Sitz des 68-jährigen Demokraten. Nur noch knapp die Hälfte der aktuellen Einwohner wurde im Staat selbst geboren. Und viele der neuen Bewohner tendieren eher zu den Republikanern, werden vielfach sogar als "politische Flüchtlinge" beschrieben, die sich den liberalen Staaten an der Westküste entziehen. Sein Gegenüber bei der Abstimmung im November ist ein Symbol dessen. Der multimillionenschwere Unternehmer Tim Sheehy ist ein Zugezogener. Ex-Navy-Seal und loyaler Trump-Anhänger. So prägt den Wahlkampf auch der stets präsente Konflikt: Neubürger vs. Alteingesessen.
Tester bespielt das Narrativ der neureichen Bürger, die Land und Farmen aufkaufen und so die Immobilienwerte und die damit verbundene Grundsteuer in der Umgebung in den Himmel schießen lassen. Für seit Jahrzehnten dort bereits wohnende Menschen eine enorme finanzielle Belastung. "Bei dieser Wahl geht es darum, sicherzustellen, dass wir einen Staat haben können, der derselbe Staat ist, in dem wir aufgewachsen sind", so Tester bei einer Wahlkampfveranstaltung. "Ich habe genug von dem, was hier passiert. Es ist an der Zeit, unseren Staat zurückzuerobern", erklärt der 68-Jährige in einem Werbespot. Der Demokrat versucht, die Wut der langjährigen Bevölkerung zu kanalisieren.
Aber reicht das aus, um die Wahl zu gewinnen? In Umfragen vor einem Monat lag der Demokrat noch mit bis zu acht Punkten hinten. Inzwischen scheint der Rückstand zu schrumpfen. Wenige Tage vor der Wahl trennen die beiden Kandidaten - je nach Befragung - drei Prozentpunkte oder sind sogar gleich auf.
Quelle: ntv.de