Politik

Verschärfung des Waffenrechts USA machen einen Schritt vor und einen zurück

First Lady Jill Biden sieht zu, wie US-Präsident Joe Biden das neue Waffengesetz unterschreibt.

First Lady Jill Biden sieht zu, wie US-Präsident Joe Biden das neue Waffengesetz unterschreibt.

(Foto: AP)

Die gerade beschlossene vorsichtige Verschärfung der Waffengesetze in den USA wird nicht viel ändern, ist für das Land aber ein großer Schritt. Zugleich werden die Regeln an anderer Stelle wieder gelockert. Amerika führt einen Kampf um seine Zukunft.

Es ist 08.36 Uhr am Samstagmorgen als Joseph Biden, der 46. Präsident der Vereinigten Staaten, im Oval Office ein Gesetz unterzeichnet, das historisch ist. Nicht wegen der faktischen Veränderung, die es nach sich zieht, eher wegen des politischen Signals. Das Gesetz soll Waffengewalt unwahrscheinlicher machen. Vielen republikanische Senatoren fehlte lange der politische Wille, die Waffengesetze auch nur minimal zu verschärfen.

Uvalde hat alles verändert. 19 Grundschulkinder und zwei Lehrerinnen kamen am 24. Mai ums Leben, weil ein 18-Jähriger, mit einem halbautomatischen Gewehr, das im Krieg eingesetzt wird, seine alte Schule betrat und eine ganze Grundschulklasse tötete. Amerika ist erschüttert. Nur wenige Wochen zuvor hatte ein 18-Jähriger im Bundesstaat New York aus rassistischen Motiven mit der gleichen Waffenart in einem Supermarkt zehn Menschen erschossen, vornehmlich Schwarze.

Der Präsident ist an beide Orte gereist, er trauerte mit den Angehörigen und rief sein Land auf, so etwas nicht länger zu akzeptieren. Bei einer Ansprache an die Nation rief er "enough": nicht nur "genug", sondern, "es reicht". Biden forderte den Kongress auf, etwas zu tun. Dort stellten sich die republikanischen Senatoren quer. Zehn von ihnen brauchten die Demokraten bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen, um einen solchen Gesetzentwurf überhaupt zur Abstimmung zu bringen und dann zu beschließen. Es sind zehn Republikaner, die im Hintergrund mit den Demokraten verhandeln. Verhandlungsführer der Konservativen ist John Cornyn aus Texas.

Schüsse vor der eigenen Tür

Schusswaffengewalt ist Alltag in den Vereinigten Staaten. Die meisten Attacken schaffen es nicht in die Fernsehnachrichten, nicht einmal in die Lokalzeitung. Selbst in der US-Hauptstadt Washington jagt die Polizei mehrmals täglich Schützen, wie ein kurzer Blick in ihren Twitter-Account zeigt, auf dem sie bei jeder Schießerei eine Warnmeldung veröffentlichen.

Vor einer Woche passierte es vor meiner Haustür. Am vergangenen Sonntag feierte Amerika "Juneteenth". Biden hatte den 19. Juni erst im vergangenen Jahr zum Feiertag erklärt, um an das Ende der Sklaverei der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA zu erinnern. An der 14. Straße in Washington feierte die Schwarze Community ein Fest, das nicht offiziell bei der Stadt angemeldet war. Die Polizei sperrte die betroffenen Straßen dennoch, damit die Menschen sicher feiern konnten.

Am frühen Abend fallen Schüsse. Sie treffen drei Erwachsene, darunter ein Polizeibeamter, und einen Teenager. Der 15-Jährige stirbt noch am Tatort. Ich konnte das alles aus meinem Fenster sehen - die Panik, als die Schüsse fallen, die Polizisten, die losrennen, um zu helfen, und diejenigen, die versuchen, den Täter in der flüchtenden Masse von Menschen zu erkennen und ihm zu folgen. Es dauert nur Minuten, da sind 20 weitere Einsatzwagen da, ein Helikopter kreist in der Luft.

Der Supreme Court erlaubt das offene Tragen von Waffen

Doch neben dieser Szene entwickelt sich eine weitere. Wenige Meter vom Tatort entfernt springen junge schwarze Frauen auf das Dach eines Polizeiautos und tanzen. Die Schüsse scheinen sie nicht aus der Ruhe gebracht zu haben, so alltäglich sind solche Erlebnisse für Menschen in den USA. Während ich als Europäer zusammenzucke und nachhaltig beeindruckt bin, wenn es auf meiner Straße knallt, können Amerikaner schon Minuten später wieder tanzen.

Blick auf die 14. Straße in Washington, 19. Juni 2022.

Blick auf die 14. Straße in Washington, 19. Juni 2022.

(Foto: Christopher Wittich)

An solchen Vorfällen wird das neue Waffengesetz wohl nichts ändern, auch wenn Joe Biden es "das bedeutendste der vergangenen dreißig Jahre" nennt. Denn zwar bringt es minimale Verschärfungen, wie eine grundsätzliche Prüfung vor dem Verkauf von Waffen an 18- bis 21-Jährige und mehr Geld für die Bundesstaaten, um eigene Programme für mehr Sicherheit zu entwickeln. Vor allem aber sieht das überparteiliche Gesetz 15 Milliarden Dollar für die Sicherheit an Schulen und die mentale Gesundheit von jungen Menschen vor. Insgesamt zeigt diese politische Reaktion, dass sich in Amerika etwas bewegt. Doch der eine Schritt, den die Politik nach vorn gegangen ist, geht der Supreme Court zurück.

Am Tag, bevor das Gesetz die politischen Mehrheiten im Kongress erreichte, entschied das oberste Gericht der USA, dass die Bundesstaaten es in Zukunft schwerer haben werden, den Bürgerinnen und Bürgern zu verbieten, Waffen offen zu tragen. In Washington ist dies bisher nicht erlaubt, aber zum Beispiel in Texas ganz normal, dass jeder seinen Revolver an der Gürtelschnalle tragen kann.

Amerika kämpft um seine Zukunft

Die Argumentationsgrundlage des Gerichts ist der zweite Verfassungszusatz. Er garantiert Amerikanerinnen und Amerikanern das Recht, Waffen zu besitzen und zu tragen. In Teilen der Gesellschaft beginnt sich eine Debatte über diesen Zusatzartikel zu entwickeln, mit der Frage: Wie zeitgemäß ist er? Die Gruppe ist sehr klein, aber es gehören berühmte Stimmen dazu. In einer seiner letzten Fernsehsendungen sagte der Komiker Trevor Noah kürzlich, beim zweiten Verfassungszusatz habe er den Eindruck, dass es den Amerikanern wichtiger ist, die Verfassung selbst zu schützen als die amerikanische Bevölkerung, die ja eigentlich durch die Verfassung geschützt werden soll.

Doch vor allem das Urteil des Supreme Courts spaltet das Land. Viele akzeptieren die Vorstellung, dass man es für notwendig hält, im Haus eine Waffe zu haben. Aber offen tragen in der Öffentlichkeit? Es ist nicht das einzige strittige Thema. Auch über Schwangerschaftsabbrüche entschied das oberste Gericht vor kurzem. Sein Urteil warf die Frauenrechte um Jahrzehnte zurück, es wird den Kulturkampf im Land weiter anfachen.

Denn wieder einmal führt Amerika einen Kampf um seine Zukunft. Einen ersten Stimmungstest wird es im November geben. Dann sind Halbzeit-Wahlen für die Präsidentschaft von Joe Biden, das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats werden neu gewählt. Das Ergebnis wird nachhaltig über den politischen Kurs des Landes entscheiden.

Quelle: ntv.de

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