Politik

Kiew hat mehr Truppen im Land Warum ist die Ukraine Russlands Armee trotzdem unterlegen?

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Die Ukraine braucht mehr gut ausgerüstete Soldaten an der Front, um die Angreifer an manchen Abschnitten aufhalten zu können.

Die Ukraine braucht mehr gut ausgerüstete Soldaten an der Front, um die Angreifer an manchen Abschnitten aufhalten zu können.

(Foto: IMAGO/NurPhoto)

Moskaus Truppen nutzen an manchen Frontabschnitten ihre Übermacht und rücken vor. Laut Angaben von Präsident Selenskyj gibt es zahlenmäßig jedoch deutlich mehr ukrainische als russische Streitkräfte im Land. Trotzdem hat Kiew den Angreifern im Kampf mitunter viel weniger entgegenzusetzen.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat bei seinem Besuch in Polen Zahlen genannt, die auf den ersten Blick eine deutliche Überlegenheit von Kiews Streitkräften erahnen lassen könnten: Aus 880.000 Soldaten besteht die ukrainische Armee laut ihres Staatschefs. In früheren Angaben war sogar die Rede von fast einer Million Soldaten. Russland habe derzeit 600.000 Soldaten in der Ukraine, hieß es von Selenskyj weiter. Einen Widerspruch zu den vielen Berichten über deutlich überlegene Russen an manchen Frontabschnitten ist das jedoch nicht.

Bei den 880.000 Soldaten handelt es sich um die gesamte ukrainische Armee, bei den 600.000 russischen Soldaten lediglich um jene, die in die Ukraine geschickt wurden. Dort konzentrieren sie sich auf Angriffe in bestimmten Abschnitten wie Pokrowsk, wo Moskaus Truppen deutlich in der Überzahl sind. Unter den 880.000 Mitgliedern der ukrainischen Streitkräfte sind hingegen auch jene, die die Nordgrenze zu Belarus und Russland bewachen, wo es keine Kämpfe gibt.

Iwan Tymotschko, Vorsitzender des Rates der Reservisten der ukrainischen Landstreitkräfte, sagte laut der Nachrichtenagentur Unian auf Kanal 24, in der von Selenskyj genannten Zahl seien zudem Universitäten, Rekrutierungszentren und rückwärtige Brigaden enthalten. Mit der Nationalgarde zusammen würden die Verteidigungskräfte der Ukraine mehr als eine Million Personen umfassen. Die Zahl derer, die tatsächlich an der Frontlinie kämpfen, sei jedoch "eine völlig andere".

Kursk-Kämpfer wohl nicht mit einberechnet

Tymotschko vermutet, dass in Selenskyjs Angabe von 600.000 russischen Soldaten nicht jene in der russischen Region Kursk einberechnet wurden, die dort das von der Ukraine besetzte Territorium zurückerobern sollen. Im November hieß es aus Kiew, Russland habe in dem Gebiet 50.000 Mann zusammengezogen. Auch Nordkoreaner kämpfen dort für den Kreml.

Tymotschko verweist zudem darauf, dass zu den 600.000 russischen Kämpfern in der Ukraine noch Truppen außerhalb des Landes hinzukämen, die in das Logistik- und Deckungssystem eingebunden seien. Obendrein verfügt die russische Armee über viele weitere aktive Soldaten, die keinen Bezug zum Angriffskrieg haben.

Zahlenmäßig überlegen ist die Ukraine also bei der Gesamtzahl an Armeemitgliedern innerhalb des Landes, jedoch nicht an gewissen Frontabschnitten wie Pokrowsk. In den letzten Wochen klagten die Soldaten dort vor allem über zu wenig Infanterie. In anderen Gebieten wie der Region Charkiw ist es vom Kampfgeschehen her deutlich ruhiger, weil die russische Seite dort nicht ihr Augenmerk hat.

Selenskyj lehnt es trotz Druck aus den USA ab, auch 18- bis 25-Jährige zu rekrutieren, um den russischen Invasoren an schwer umkämpften Frontabschnitten mehr entgegensetzen. Der Staatschef hatte mehrfach betont, aufgrund schleppender Waffenlieferungen aus dem Westen könnten nicht mal die jetzigen Soldaten vollständig ausgerüstet werden.

Die Demografin Ella Libanowa sagte dem "Spiegel", auf dem Gebiet, das die Ukraine kontrolliert, würden insgesamt 30 Millionen Menschen leben. In den von Moskaus Streitkräften besetzten Gebieten sollen es sechs bis sieben Millionen sein. Russland hat rund 145 Millionen Einwohner.

Quelle: ntv.de, rog

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen