Politik

Wagner-Söldner im Visier Ukrainische Geheimoperation im Sudan?

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Ein Video soll die Festnahme von Wagner-Söldnern durch ukrainische Spezialeinheiten zeigen.

Ein Video soll die Festnahme von Wagner-Söldnern durch ukrainische Spezialeinheiten zeigen.

(Foto: Screenshot Youtube/ "Kyiv Post")

Immer mehr Videos lassen auf eine Geheimoperation ukrainischer Spezialkräfte in Afrika schließen. Das mutmaßliche Ziel: russische Wagner-Söldner auszuschalten.

Es klingt wie eine ziemlich verrückte Geschichte: ukrainische Spezialeinheiten, die in geheimer Mission in Afrika operieren, um dort russische Söldner zu töten. Was zunächst als Gerücht auf Telegramkanälen der Gruppe Wagner und in ukrainischen Medien kursierte, scheint sich nun zu verdichten. In den sozialen Medien und im Internet zirkulieren immer mehr Videos, die angeblich Beweise liefern.

Auf dem jüngsten Video, das in der vergangenen Woche online ging, knien drei Kriegsgefangene im Wüstensand. Drumherum liegen Leichen und verbrannte Palmwedel, offenbar nach einem Drohnenangriff oder Feuergefecht. Im Hintergrund ruft ein Muezzin von einer Moschee aus zum Gebet. Alle drei haben Wagner-Abzeichen auf ihren Uniformen, die ihnen abgenommen werden. Einer der Gefangenen hat weiße Haut und antwortet auf Russisch, die anderen beiden sind offenbar Afrikaner und sagen nichts.

Vermummte Uniformierte verhören den Weißen, dessen Augen verbunden sind, auf Russisch. Ihre Stimmen sind verzerrt: "Wie bist du in den Sudan gekommen?", fragen sie. Er antwortet, dass er für Wagner arbeite und von der Zentralafrikanischen Republik bis Karthum, Sudans Hauptstadt, vorgedrungen sei, "um die Regierung zu stürzen". In seiner Einheit hätten 100 Mann gedient.

Russland stützt die Rebellen im Sudan

Auf weiteren Videos sind Luftaufnahmen zu sehen, Drohnen schweben über Karthum; genauer gesagt über Omdurman, der Schwesterstadt auf der westlichen Seite des Nils, der die Millionenmetropole in zwei Teile teilt. Omdurman ist fast vollständig unter Kontrolle der sudanesischen RSF-Rebellen unter ihrem Anführer General Mohammed Hamdan Daglo, besser bekannt unter seinem Kriegsnamen Hemedti. Die RSF arbeitet seit Kriegsausbruch im April 2023 eng mit der russischen Wagner-Truppe zusammen. Diese schickte Hemedti Waffen und andere Kriegsausrüstung, sogar ein Privatflugzeug, das ihn nach Moskau brachte. Nur wenige Tage vor Beginn der russischen Invasion in die Ukraine traf Hemedti in Moskau den damaligen Vizeverteidigungsminister Alexander Fomin.

Die Drohnenaufnahmen zeigen nun mutmaßlich Wagner-Söldner, die in kleinen Einheiten in Omdurman operieren. Sie tragen Hightech-Kriegsausrüstung, darunter Nachtsichtgeräte und moderne Helme. In den Videos sieht man, wie Geschosse - offenbar abgefeuert von einer Drohne - plötzlich diese Einheiten oder deren Fahrzeuge treffen. Insgesamt sind es 14 Videos mit verschiedenen Angriffszielen. Sudanesische Journalisten bestätigen: Bei den Luftaufnahmen handelt sich um Omdurman.

Veröffentlicht wurden diese Videos zunächst von der ukrainischen Online-Zeitung Kyiv Post, die angibt, die Aufnahmen vom ukrainischen Militärgeheimdienst zugespielt bekommen zu haben. Viele Analysten sind jedoch skeptisch, betonen, dass man solches Material "mit Vorsicht betrachten muss", weil es der psychologischen Kriegsführung diene. Der US-Sender CNN ist diesen Videos nachgegangen und hat sie ukrainischen Militär-Offiziellen gezeigt. Diese gaben an, so CNN, der ukrainische Geheimdienst sei "wahrscheinlich" für die Angriffe auf die russischen Söldner im Sudan verantwortlich. Unabhängig bestätigen lassen sich diese Aufnahmen nicht.

Sudans Gold für Russlands Krieg

Sudanesische Journalisten und Menschenrechtsaktivisten bestätigten ntv.de, dass auch innerhalb Sudans Gerüchte über ukrainische Geheimoperationen zirkulieren, unabhängige Recherche und Berichterstattung allerdings unmöglich geworden sei, da sämtliche Kriegsparteien die Medien entweder für ihre eigene Propaganda manipulierten oder Journalisten gezielt mundtot machten. Die meisten Medienschaffenden haben mittlerweile ohnehin das Land verlassen.

Nach Libyen und der Zentralafrikanischen Republik galt der Sudan für Russland bislang als eines der strategisch wichtigsten Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Russlands Regierung will an Sudans Küste am Roten Meer einen Marinestützpunkt bauen, um die Transportschifffahrt Richtung Europa zu kontrollieren. Dafür setzte Moskau schon vor Kriegsausbruch in der Ukraine im Februar 2022 und in Karthum im April 2023 auf General Hemedti.

Hemedti gibt sich gegenüber Moskau als der optimale Partner. Aus den zahlreichen Minen Sudans, vor allem aus der Bürgerkriegsregion Darfur, aus der er gebürtig stammt, wurde bislang über Wagner-Kanäle Gold im großen Stil gen Libyen geschmuggelt und gelangte von dort aus mutmaßlich über Syrien oder die Vereinigten Arabischen Emirate nach Moskau. Die US-Regierung hat deswegen zwei Goldfirmen im Sudan auf die US-Sanktionsliste gesetzt, die für Wagner arbeiten und die es Russland ermöglichen, die westlichen Sanktionen zu umgehen.

"Diplomatische Gegenoffensive"

Über die Finanzströme der Gruppe Wagner war bislang wenig bekannt. Seitdem der kremlnahe Oligarch und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im August 2023 mit seinem Flugzeug abstürzte, rätseln Experten und Analysten, wie sich die Gruppe nun offiziell in den Strukturen des Verteidigungsministeriums und unter ihrem neuen Namen "Afrikakorps" neu strukturiert, auch wie die Finanzierung weitergeht. Zuvor wurde vermutet, dass mit dem Gold aus Afrika, vor allem aus der Zentralafrikanischen Republik und Sudan, der Sold für Wagner-Kämpfer beglichen wird, auch für diejenigen, die in der Ukraine im Einsatz sind. Insofern hätte die Ukraine theoretisch ein Interesse, diese Geldquellen abzuschneiden.

Auch in Kiew ist die russische Afrika-Offensive und die stetige Ausbreitung der Einflusszone von Wagner auf dem Kontinent nicht unbeobachtet geblieben. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba unternahm im letzten Jahr ebenfalls drei Reisen auf den Kontinent und besuchte dabei mehr als zehn Länder, darunter Kenia, Äthiopien und Ruanda, die keine engen Beziehungen mit Moskau pflegen. Er nannte dies selbst eine "diplomatische Gegenoffensive", nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin im Juli 2023 den afrikanischen Staatschefs in Sankt Petersburg beim Afrika-Russland-Gipfel den roten Teppich ausgerollt hatte.

"Russland versucht sehr, Länder durch Zwang, Bestechung und Angst in seinem Einflussbereich zu halten", betonte Kuleba bei seiner letzten Afrika-Reise im Juli 2023. Russland verfüge über zwei Instrumente für die Arbeit in Afrika, so Kuleba: "Die mächtigsten sind Propaganda und Wagner", sagte er. "Unsere Strategie besteht nicht darin, Russland zu ersetzen, sondern Afrika aus dem Einfluss Russlands zu befreien."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen