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Neuer Name, alte Kontakte Die Gruppe Wagner heißt jetzt Afrikakorps

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Der Präsident des Tschad, Mahamat Idriss Deby, traf Putin am 24. Januar im Kreml.

Der Präsident des Tschad, Mahamat Idriss Deby, traf Putin am 24. Januar im Kreml.

(Foto: picture alliance/dpa/POOL)

Mit neuem Namen wird die alte Wagner-Truppe jetzt in Afrika aktiv. Sie untersteht nun direkt dem russischen Verteidigungsministerium. Damit verlässt die Truppe "den Schatten einer Privatinitiative", sagt Wagner-Experte John Lechner.

Es hat sich vieles geändert in der berüchtigten Söldnertruppe der russischen Firma Wagner, seitdem ihr Chef, Jewgeni Prigoschin, im August vergangenen Jahres mit seinem Flugzeug abstürzte. Doch eines ist geblieben: der ideologische Bezug zu Nazi-Deutschland.

"Afrikakorps" heißt die neue Truppe - angelehnt an Hitlers Afrikafeldzug und die dafür abgestellten Einheiten unter Feldmarschall Erwin Rommel. Der Name ist offenbar Programm, denn die Truppe wurde auch in ihrer Befehlshierarchie neu aufgestellt - und zwar nicht als private Sicherheitsfirma wie zuvor Wagner, sondern als offizielle Einheit des russischen Verteidigungsministeriums.

Vorgestellt wurde sie am 23. November 2023 unter ihrem russischen Namen "Afrikanski Korpus" in einem neuen, gleichnamigen Telegram-Kanal, der tags zuvor von einem Oberst der russischen Armee eröffnet worden war. Im neuen Logo ist der afrikanische Kontinent abgebildet, umgarnt von einem schützenden Kreis. Als Gründungszweck wird in der Telegram-Nachricht angegeben, die Aufgabe sei neben der Terrorbekämpfung auch, "eine Infrastruktur aufzubauen und humanitäre Probleme zu lösen sowie epidemiologische Untersuchungen in bestimmten Gebieten" zu unternehmen.

Über diese neue "russische Militärpräsenz in Afrika" werde in Zukunft die Zusammenarbeit mit hochrangigen Wirtschaftspartnern abgewickelt, die sich "vorteilhaft für die afrikanische Wirtschaft" auswirken werden - vor allem in den Bereichen Energie und technologische Souveränität, so die Textnachricht. Auf einem Foto, das mit dem Text gepostet wurde, sieht man den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der seinem Vize Junus-bek Jewkurow die Hand reicht. Das Signal ist klar: Diese Truppe untersteht direkt der russischen Regierung.

Erst Pakt mit Russland, dann Austritt aus ECOWAS

Vizeverteidigungsminister Jewkurow war in den vergangenen Monaten viel in Afrika unterwegs. Gemeinsam mit Generalmajor Andrei Awerjanow, langjähriger Chef einer Spezialeinheit des Militärgeheimdienstes GRU, die für die gezielte Tötung von russischen Dissidenten im Ausland zuständig ist, reiste Jewkurow nur wenige Tage nach dem Absturz von Wagner-Chef Prigoschin zunächst nach Libyen, einem der wichtigsten strategischen Gebiete des Wagner-Imperiums. Er traf dort in Bengasi den Rebellenchef Chalifa Haftar, ein enger Wagner-Verbündeter. Laut verschiedenen Posts in Wagner-Telegram-Kanälen sagte Jewkurow bei diesem Treffen zu, dass die engen Beziehungen zu Moskau unter einem neuen Namen fortgesetzt würden.

Diese Pläne kommunizierte Jewkurow offenbar auch anderen Verbündeten: Zwischen August und Dezember 2023 tourte seine Delegation durch die Staaten, in denen Wagner bereits stationiert war: von Libyen über die Zentralafrikanische Republik nach Burkina Faso und Mali und weiter nach Niger. Im September unterzeichneten die Sahelstaaten Mali, Niger und Burkina Faso einen Verteidigungspakt mit Russland. Alle drei Staaten werden mittlerweile von Militärregierungen geführt, alle drei erklärten Ende Januar ihren Austritt aus der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten ECOWAS, die auch ein Verteidigungsbündnis ist. Wenige Tage zuvor war der Präsident des Tschad in Moskau, wo er Putin traf. Er flog mit einer Maschine, die zuvor auch von Wagner-Chef Prigoschin genutzt worden war.

In Burkina Faso trat das Afrikakorps erstmals mit neuem Label in Erscheinung. Hundert russische Sicherheitsmänner wurden dorthin abbestellt, um den Militärführer Ibrahim Traoré, der sich 2022 an die Macht geputscht hatte, als Leibwächter zu beschützen. Ende Januar wurde dies stolz auf Telegram bekannt gegeben und von russischen Medien in Umlauf gebracht. Burkinas Präsident Traoré versicherte hingegen, "kein einziger Russe" sei hier, um zu kämpfen.

Seitdem zirkulieren Rekrutierungsaufrufe in den Telegram-Kanälen, auch in denjenigen, die bislang von Wagner genutzt wurden. Die ehemaligen Wagner-Söldner sollen mit dem Afrikakorps neue Verträge abschließen, heißt es darin. Daneben prangen russische Telefonnummern. Ziel sei es, über 20.000 neue Rekruten anzuwerben, ist dort erklärt. Als Sold werden 280.000 russische Rubel versprochen, umgerechnet rund 2800 Euro.

Die Befehle kommen aus Moskau

Damit tritt die Truppe "heraus aus dem Schatten einer Privatinitiative", sagt der US-amerikanische Wagner-Experte John Lechner ntv.de. Sie stehe damit in Zukunft "im Rampenlicht mit einem offiziellen Status, gelenkt und auch finanziell ausgestattet von der russischen Regierung". Dies habe auch einen Nachteil. Bislang hat der Kreml jegliche direkte Verantwortung für die von Wagner begangenen Menschenrechtsübergriffe in Afrika weit von sich gewiesen. Jahrelang tat der russische Präsident Wladimir Putin, als habe er mit Wagner nichts am Hut.

Jetzt kommen die Befehle offenbar direkt aus Moskau. Im Oktober verübten russische Uniformierte - offenbar ehemalige Wagner Söldner - ein Massaker in der Zentralafrikanischen Republik, in einer Goldmine in der Nähe der Ortschaft Koki im Nordwesten des Landes. Dort töteten sie mindestens 16 Minenarbeiter, um die Mine zu übernehmen. Die lokale Bevölkerung macht dafür Moskau direkt verantwortlich, wie die US-Nachrichtenseite "Daily Beast" berichtet, die mit Einheimischen gesprochen hat. Offenbar werden die Brutalität und die Methoden der ehemaligen Wagner-Truppe auch im neuen Gewand fortgeführt.

Russischen Telegram-Kanälen zufolge soll in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, das neue Hauptquartier für die russischen Truppen in Afrika eingerichtet werden. Lokale Regierungsmitglieder berichten, es werde noch immer nach einem passenden Gebäude gesucht. Viel mehr ist über die neuen Strukturen bislang nicht bekannt, sagt Wagner-Experte Lechner, der dieser Tage mit vielen hochrangigen Wagner-Leuten Gespräche führt: "Vieles ist noch immer im Prozess", so Lechner: "Doch die Transition ist fast abgeschlossen."

Auch Marsalek hat weiter seine Finger im Spiel

Klar sei: Der neue Fokus Russlands verlegt sich derzeit weg von den lukrativen Minengebieten in der Zentralafrikanischen Republik, wo Wagner 2017 seine Afrika-Operationen begonnen und seither damit finanziert hat. Der Schwerpunkt des Afrikakorps ist die Sahelregion. Dort gebe es mehr "prestigeträchtige" Unternehmen für die Truppe, so Lechner, wie beispielsweise die Terrorismusbekämpfung.

Bei allen Veränderungen setzt das ehemalige Wagner-Imperium doch vor allem auf Kontinuität: Nach Informationen des "Wall Street Journal" ist niemand anderes als Jan Marsalek, der ehemalige Chef des deutschen Zahlungsdienstleistern Wirecard, damit beschäftigt, für die neue Afrika-Truppe Moskaus weltweit funktionierende Finanzstrukturen aufzubauen. Marsalek soll schon früher Kontakte zur Prigoschin-Miliz unterhalten haben, von britischen Ermittlern wird er verdächtigt, Teil eines russischen Spionagenetzwerks gewesen zu sein.

Laut "Wall Street Journal" hält Marsalek sich in Dubai auf. Die Zeitung berief sich in einem entsprechenden Artikel im vergangenen Dezember auf Geheimdienstquellen und Berichte von Leuten, die einst Marsaleks Büro in der Wirecard-Chefetage in München besucht hatten: Angeblich standen dort Fotos von Marsalek in Libyen, neben General Haftar, auf seinem Schreibtisch hatte er zudem eine Putin-Statue. Für Wagner-Experte Lechner allerdings klingt diese Geschichte "fast zu gut, um wahr zu sein".

Quelle: ntv.de

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