Politik

Scheuer nennt Habeck schizophren Verkehrspolitik wirft Jamaika aus der Bahn

Die Grünen wollen ein Enddatum für den Verbrennungsmotor - doch die anderen Parteien sträuben sich.

Die Grünen wollen ein Enddatum für den Verbrennungsmotor - doch die anderen Parteien sträuben sich.

(Foto: picture alliance/dpa)

Schon beim Thema Agrar kracht es bei den Jamaika-Verhandlungen, beim Verbrennungsmotor geht dann gar nichts mehr. Alles nicht so wild? Die Zeit könnte knapp werden für Union, FDP und Grüne.

CDU, CSU, FDP und Grüne haben im Streit um die Zukunft von Verbrennungsmotor und Pkw-Maut ihre Sondierungen über eine Jamaika-Koalition vertagt. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, beim Thema Wirtschaft und Verkehr habe es keine Einigung gegeben. Die nach einem Sondierungstag üblichen Stellungnahmen der Parteimanager fielen aus. An den Papieren werde in den Arbeitsgruppen aber noch gearbeitet, hieß es.

Dem Vernehmen nach hakt es bei der Frage eines Enddatums des Verbrennungsmotors. Die Grünen wollen grundsätzlich, dass ab 2030 in Deutschland keine neuen Diesel- und Benzinmotoren mehr zugelassen werden. Während sie dem Vernehmen nach darauf beharrten, einen möglichen Ausstiegszeitpunkt in die Liste der noch zu klärenden Fragen aufzunehmen, wehrte sich die Union strikt dagegen, überhaupt eine solche Frage zu diskutieren.

Da eine rasche Einigung nicht erwartbar gewesen sei, habe man die Gespräche wegen Folgeterminen verschoben. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte: "Nichts Dramatisches, es wird einfach noch gearbeitet." Und FDP-Chef Christian Lindner sprach von internem Beratungsbedarf bei den Grünen und beteuerte: "Kein Grund zur Sorge." Es sei bereits umstritten gewesen, ob die beschlossenen Klimaschutzziele für den Sektor Verkehr weiter zu gelten hätten, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Vorerst strittig seien auch Fragen der Zukunft der deutschen Autoindustrie wie Elektromobilität und damit auch ein Auslaufen des fossilen Verbrennungsmotors gewesen.

Schon am Mittag lief es nicht mehr rund. Die Unterhändler hatten sich beim Thema Landwirtschaft - trotz grundsätzlicher Einigkeit - in die Haare gekriegt. Grünen-Politiker Robert Habeck stieß mit seiner Interpretation der künftigen Agrarpolitik auf Kritik von Union und FDP. Der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister sah die Jamaika-Parteien auf dem Weg zu einer Wende in der Agrarpolitik und forderte von Union und FDP konkrete Vorschläge zur Umsetzung.

"Das ist echt schizophren"

Aus Sicht der Grünen, für die Habeck die Agrarsondierung leitet, gibt es dabei drei Möglichkeiten, eine Wende zu schaffen: über das Ordnungsrecht, über finanzielle Anreize für die Bauern aus dem Bundeshaushalt oder über eine Umverteilung der EU-Agrarsubventionen - so, dass weniger nach reiner Betriebsgröße und mehr nach Umwelt- und Tierschutz-Kriterien gefördert wird. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kommentierte, Habeck müsse "in einer anderen Veranstaltung gewesen sein". Seine Äußerungen stünden "im krassen Widerspruch zum bisherigen Sondierungsergebnis". "Das ist echt schizophren", so Scheuer.

"Wenn die Grünen unter einer Agrarwende verstehen, dass wir die gesamte Landwirtschaft auf den Kopf stellen und dadurch Betriebe in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährden, ist das mit der FDP nicht zu machen" betonte auch der rheinland-pfälzische Landwirtschaftsminister Volker Wissing von der FDP.

Immerhin sind die Unterhändler sich gründsätzlich einig, dass es mehr Tierschutz, weniger Pestizide und neue Klagewege für die Verbraucher geben soll. Letztere könnten etwa für Betroffene des Diesel-Abgasskandals Fortschritte bringen. Dafür soll in den weiteren Sondierungen über die Frage von Gruppenklagen diskutiert werden. Verbraucherschützer fordern solche Instrumente seit langem.

Union, Grüne und FDP wollen zudem über bessere Kundenrechte bei digitalen Angeboten beraten - etwa über datenschutzfreundliche Voreinstellungen oder eine Überprüfbarkeit von Algorithmen, nach denen bestimmte Internetdienste funktionieren. Bei Lebensmitteln wollen die Parteien verstärkte "Informations- und Bildungsangebote" vor allem für Kinder und Ältere prüfen.

Als Diskussionspunkt genannt wird auch ein staatliches Tierwohllabel für Fleisch im Supermarkt, das von der großen Koalition als freiwillig zu nutzendes Logo geplant war. Nun werden in dem Papier die Optionen "verpflichtend/freiwillig" genannt. Union, FDP und Grüne streben auch einen gesellschaftlichen Konsens für die Nutztierhaltung an. Wie mehr Umwelt- und Tierschutz bezahlt werden soll, blieb allerdings offen. Einigkeit bestehe aber, "dass die Kosten nicht einseitig zu Lasten der Bauern gehen" dürften, heißt es in dem Papier.

Glyphosat bleibt außen vor

Das umstrittene Unkrautgift Glyphosat, über dessen Zulassung in Brüssel bald entschieden werden soll, wird in dem Leitlinien-Papier nicht erwähnt. Die Grünen hoffen aber, dass es keine Verlängerung in der EU geben wird. Bisher waren sich Landwirtschaftminister Christian Schmidt von der CSU und Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD uneins - in solch einem Fall muss sich die Bundesregierung in Brüssel ihrer Stimme enthalten.

Scheuer zog gleichwohl ein positives Zwischenfazit der Sondierungsgespräche. "Natürlich streitet man mal auch, und haut sich auch mal paar Sprüche um die Ohren", sagte er dem TV-Sender Phoenix. "Das gehört aber auch dazu, um Klarheit und Wahrheit in die Diskussion zu bringen." Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, sagte, die Verhandlungsgruppe sei einen deutlichen Schritt vorangekommen.

Quelle: ntv.de, ftü/dpa

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