Immer heftigere Kritik Verliert Moskau langsam die Geduld mit Prigoschin?
11.05.2023, 19:19 Uhr Artikel anhören
Jewgeni Prigoschin teilte zuletzt heftig gegen die russische Militärführung aus.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
In den vergangenen Tagen wird die Kritik von Jewgeni Prigoschin an der Militärführung in Moskau immer lauter. Nun soll der Wagner-Chef den Bogen überspannt haben. Einem Bericht zufolge werden die Verbalattacken des Söldnerführers im Kreml als "ernsthafte Bedrohung" betrachtet.
Die ständigen Ausfälle von Jewgeni Prigoschin werden in Russland offenbar zum Problem. Wie das unabhängige Internetmedium Meduza unter Berufung auf russische Regierungsquellen berichtet, verliert Moskau mit dem Chef der Wagner-Gruppe langsam die Geduld. Demnach hätte Prigoschins anhaltende Kritik begonnen, "die oberste Führung des Landes ernsthaft zu beunruhigen". Der Wagner-Chef habe mit seinen Aussagen eine "rote Linie" überschritten, heißt es.
So hatte Prigoschin vor einigen Tagen in einem Online-Video gesagt: "Ein glücklicher Opa denkt, dass alles gut ist. Aber was soll das Land tun, wenn sich herausstellt, dass dieser Opa ein völliger Idiot ist?" Anschließend gab es in sozialen Netzwerken eine Diskussion darüber, wen Prigoschin damit meinte. Kremlchef Wladimir Putin wird in der Bevölkerung teilweise despektierlich als "Opa" oder "Bunker-Opa" bezeichnet.
Beamte im Kreml sollen Prigoschins Äußerungen als "ernsthafte Bedrohung" betrachten. Der Wagner-Chef handele derzeit "nicht als Teil desselben Teams und nicht aus denselben Interessen heraus" wie die russischen Behörden, sagte eine der Quellen. "Er hat mit Bachmut sein eigenes Projekt und er tut derzeit alles dafür. Aber das ist ein persönliches Projekt, das darauf abzielt, ihm mehr Einfluss auf das Verteidigungsministerium zu verschaffen, damit Wagner die Hauptkraft hinter dem Sieg wird."
Prigoschin hat auch Fürsprecher
Weitere Quellen von Meduza, die der Putin-Regierung nahestehen, sagten, dass Prigoschins Verhalten möglicherweise mit einem "persönlichen Versprechen" zusammenhängt, das er Putin gegeben haben soll, wonach die Gruppe Wagner Bachmut bis zu einem bestimmten Datum erobert haben würde. Spekuliert wird, dass der Wagner-Chef bereits hinter dem Zeitplan liegt und deshalb nervös und verärgert ist.
Trotz seiner engen Kontakte in Moskaus Führungsriege könnte Prigoschin in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Zum Kreis seiner Fürsprecher soll der Direktor der russischen Nationalgarde, Wiktor Solotow, sowie der Gouverneur der Region Tula und ehemalige Putin Leibwächter Alexei Djumin gehören. Staatliche russische Nachrichtenagenturen erhielten laut Meduza bereits eine "Warnung" aus dem Kreml, dass Prigoschin als "Verräter" gebrandmarkt werden soll, sollte er weiterhin das Verteidigungsministerium kritisieren.
Wie die "Washington Post" bereits vor einigen Tagen unter Berufung auf US-Geheimdokumente schrieb, passt der Streit wischen Prigoschin und Russlands Top-Militärs zu Putins Strategie, einzelne, von rivalisierenden Gruppen kontrollierte Machtbereiche zu schaffen, damit ihm niemand zu mächtig wird. Dieses Vorgehen mag zwar Putins Machterhalt dienen, im Krieg habe sich diese Strategie aber als sehr schädlich erwiesen, analysiert die Zeitung.
Quelle: ntv.de, jpe/ses