Kremlchef will Machterhalt Bericht: Putin spielt Prigoschin und Militärs gegeneinander aus
06.05.2023, 23:40 Uhr Artikel anhören
Den US-Geheimpapieren zufolge wollte Putin in dem Streit zwischen Militärs und Wagner nicht intervenieren.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Seit Monaten attackiert Prigoschin Russlands Militärführung. Ein Bericht zeichnet nun nach, wie tief die Kluft zwischen dem Wagner-Chef und dem Verteidigungsministerium offenbar ist. Demnach hat Putin wenig Interesse, den Konflikt zu entschärfen. Er scheint sogar davon zu profitieren.
Seit Monaten rennen russische Kämpfer der Söldnergruppe Wagner an, um Bachmut zu erobern. Doch noch immer ist die ostukrainische Stadt nicht im Besitz Moskaus. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin schiebt die Schuld am langsamen Vorrücken auf Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow. Diese seien dafür verantwortlich, dass seine Söldner nicht ausreichend Munition zur Verfügung hätten, wettert der 61-Jährige in einem von zwei Videos, die am Freitag veröffentlicht wurden. In dem anderen Clip kündigte Prigoschin an, seine Männer am 10. Mai aus der Stadt abzuziehen.
Der angedrohte Rückzug ist nur die jüngste Attacke in einer monatelangen Fehde zwischen der Söldnergruppe und der russischen Militärführung um Einfluss und Macht. Seit geraumer Zeit kritisiert Prigoschin immer wieder Moskaus Militärplaner. Wie die "Washington Post" berichtet, tut sich das russische Verteidigungsministerium schwer damit, auf die verbalen Angriffe zu reagieren. Die Zeitung beruft sich dabei auf die geleakten US-Geheimdienstdokumente, die über die Gamer-Plattform Discord an die Öffentlichkeit gelangten.
Beamte planten offenbar Kampagne gegen Prigoschin
Demnach wandte sich die russische Militärführung auch an Russlands Präsident Wladimir Putin, um in dem Streit zu intervenieren. Prigoschins neuerliche Tiraden deuten allerdings darauf hin, dass die Militärs beim Kremlchef auf taube Ohren stießen, schreibt das Blatt. Den US-Geheimpapieren zufolge habe Putin Prigoschin angewiesen, die Probleme selbst mit dem Verteidigungsministerium zu klären.
Um Prigoschin zum Schweigen zu bringen, sollen Mitarbeiter des russischen Verteidigungsministeriums auch erwogen haben, eine Kampagne zu starten, um den Wagner-Chef öffentlich zu diskreditieren. "Die Beamten stellten zunächst fest, dass das Verteidigungsministerium, wenn es gegen Prigoschins öffentliche Äußerungen vorgehen wollte, gleichwertige Verbündete finden muss, um Prigoschin zu bekämpfen, anstatt dies selbst zu tun", zitiert die "Washington Post" aus dem geheimen US-Dossier. "Letztlich war man sich jedoch nicht sicher, wie das Verteidigungsministerium einen Informationskrieg mit Prigoschin erfolgreich führen könnte, wenn die russische Regierung Prigoschin nicht verbietet, öffentliche Äußerungen zu tätigen." Laut der Zeitung beruht das Dossier auf einem Geheimdienstreport. Es sei also wahrscheinlich, dass die Informationen durch das Abfangen oder Abhören von russischer Nachrichtenkanälen gesammelt worden seien.
Rivalisierende Gruppen für den Machterhalt
In den vergangenen neun Jahren habe Russland die Söldnergruppe Wagner benutzt, um ihre Interessen im Ausland mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Prigoschin sei in dieser Zeit bei der russischen Führung aber immer wieder in Ungnade gefallen. Moskaus frühe Misserfolge in der Ukraine haben dem Söldnerführer die Chance gegeben, zu einem nationalen Machtfaktor zu werden, schreibt die "Washington Post". Während die russische Armee nicht vorankam, habe die Gruppe Wagner einige bescheidene, aber öffentlichkeitswirksame Siege erzielt, was den Einfluss von Prigoschin vergrößert habe. Mit dem wachsenden Ansehen seien die Attacken des Wagner-Chefs auf Armeeführung und Behörden gestiegen.
Als Prigoschin immer prominenter und seine Angriffe immer persönlicher wurden, wollte ihn das Militär ins Abseits stellen, so das Blatt. Zunächst habe man ihm die Rekrutierung von Sträflingen untersagt. Dann seien seine hastig ausgebildeten Söldner direkt nach Bachmut in das ukrainische Abwehrfeuer geschickt worden, was zu hohen Verlusten geführt habe.
Laut "Washington Post" passt die Auseinandersetzung zwischen Wagner und den Militärs zu Putins Strategie, einzelne, von rivalisierenden Gruppen kontrollierte Machtbereiche zu schaffen, damit ihm niemand zu mächtig wird. Dieses Vorgehen mag zwar Putins Machterhalt dienen, im Krieg habe sich diese Strategie aber als sehr schädlich erwiesen, analysiert die Zeitung.
Quelle: ntv.de, jpe