Politik

Beschleunigte Abwärtsspirale Versteckte US-Jobkrise erschreckt Analysten

Arbeitsmarkt in den USA: Allen Betroffenen fehlt das Geld in der Tasche, der Wirtschaft fehlt es zur Erholung.

Arbeitsmarkt in den USA: Allen Betroffenen fehlt das Geld in der Tasche, der Wirtschaft fehlt es zur Erholung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die USA sind vom historischen Aufschwung abrupt in die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg abgestürzt. Ein Blick auf Zahlen abseits der Arbeitslosen zeigt: Es ist sogar noch schlimmer als befürchtet.

Im Februar im US-Kongress: Donald Trump strotzt vor Selbstbewusstsein. Bei seiner Rede zur Lage der Nation rattert er eine Rekordziffer nach der anderen herunter. "Unsere Wirtschaft ist die beste, die wir je hatten", brüstet er sich: "Jobzahlen boomen, Einkommen steigen, Armut sinkt." Anfang des Jahres haben die Vereinigten Staaten elf Jahre stetigen Wachstums hinter sich. Und vor allem streicht Trump die gute Lage für die Arbeiter heraus.

Rund ein halbes Jahr später sind viele dieser Arbeiter ihren Job wieder los. Seit fast vier Monaten haben sich nun jede Woche mehr als eine Million US-Amerikaner neu arbeitslos gemeldet. Die Corona-Krise frisst sich aber womöglich über die Industrie hinaus bis in die oberen Einkommensschichten.

In den USA hängen mehr als zwei Drittel der Wirtschaft am Konsum: etwa 70 Prozent. Weil das Sozialversicherungsnetz in den USA viel grober geknüpft ist als etwa in Europa, hat ein Jobverlust auch einen größeren Effekt auf die Wirtschaft. Es beschleunigt die Abwärtsspirale für die rund 330 Millionen Einwohner.

Die Krise macht aber auch vor denen nicht Halt, die es geschafft haben, ihren Arbeitsplatz zu behalten. Mindestens vier Millionen US-Amerikanern sind bis Anfang Juli bereits die Gehälter gekürzt worden. Mindestens sechs Millionen weitere Menschen, die nach Stunden bezahlt werden, sind zu weniger Arbeit gezwungen, zeigen Zahlen des Arbeitsministeriums. Andere geben an, dass wohl noch viel mehr Beschäftigte betroffen sind: Insgesamt 20 Millionen Menschen, schätzt Moody Analytics.

Tiefe Rezession

Vor allem Angestellte, sogenannte "White Collar Workers", bekommen weniger Geld, geben Arbeitsmarktforscher der Universität von Chicago an. Ganze drei Viertel aller Kürzungen zwischen 5 und 50 Prozent gab es bei solchen Arbeitnehmern, im Mittel sind es 10 Prozent weniger. Zu den bekanntesten Arbeitgebern gehören unter anderen General Motors, Tesla oder die Major League Baseball. Tesla etwa kürzte von Mitte April bis Ende Juni zwischen 10 und 30 Prozent. Die Pläne für Juli sind nicht bekannt. Zur Arbeitslosigkeit in den USA kommt also eine schwere Einkommenskrise. Und allen Betroffenen fehlt es an Geld in der Tasche und der Wirtschaft somit an Erholung.

Laut Experten weist dies auf eine tiefe Rezession hin, denn in einer Krise haben solche Beschäftigten sonst als Letzte finanzielle Einbußen. Zudem sind breit angelegte Kürzungen sehr ungewöhnlich und könnte sich zu einem längerfristigen Problem für die Wirtschaft entwickeln, schreiben US-Medien. In früheren Krisen entließen Unternehmen eher ihre Angestellten, um nicht die Arbeitsmoral der Belegschaft zu untergraben. Ein solcher Effekt von Gehaltskürzungen ist wissenschaftlich belegt.

Im vergangenen Jahr sah es in den USA noch ganz anders aus. Nach vielen Jahren des Aufschwungs konnte sich auch manch ungelernter Arbeiter endlich über eine kleine Lohnerhöhung freuen. Trump hatte starke Argumente für eine Wiederwahl im November. Aber dann kam das Coronavirus über die Vereinigten Staaten und die Welt. Trump versucht seit Monaten, die US-Wirtschaft trotz der tödlichen Virus-Risiken wieder anzukurbeln, ebenso wie viele Bundesstaaten. Das ist teilweise gelungen, hat aber einen hohen Preis.

Kein Geld, kein Konsum

Experten sehen in der frühzeitigen Öffnung einen, wenn nicht den Hauptgrund für die weiterhin hohen Todes- und Infektionszahlen im Land. Die Arbeitsmarktzahlen sind ebenfalls desaströs. Anfang Juli hatten noch immer mindestens 12 Millionen US-Amerikaner weniger einen Job als im Februar. Der gemeldete Arbeitslosenanteil ist noch immer schlimmer als beim Höhepunkt der Großen Rezession, ausgelöst durch den Bankencrash 2008. Das Risiko, weniger Geld für seine Arbeit zu bekommen, ist doppelt so hoch wie damals. Und wer nichts oder weniger verdient, der kann auch nicht mehr kaufen.

Der Ausblick auf die kommenden Monate ist eher düster. Im Juli und August wird der Konsum stagnieren, analysierte Goldman Sachs zuletzt. Weniger als die Hälfte der US-Amerikaner glaubt, dass sie innerhalb der nächsten Monate einen neuen Job findet, falls sie ihren bisherigen verlöre, stellte eine Umfrage fest. Nur weil jemand eine Gehaltskürzung hat hinnehmen müssen, ist sein Job noch lange nicht sicher, sollte sich die Krise fortsetzen.

Bislang hat die US-Regierung denen ohne Job sowie Unternehmen mit Sonderzahlungen unter die Arme gegriffen, um den Konsum zu stützen. Doch die Maßnahmen für die Bürger laufen Ende des Monats aus. Die Republikaner im Kongress haben schon signalisiert, dass sie keine Verlängerung anstreben. Die grundsätzliche Argumentation: Die Menschen könnten sich ja sonst daran gewöhnen, nicht arbeiten zu müssen.

Quelle: ntv.de

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