Politik

BSW geht jetzt nach Karlsruhe"Wir haben diese Entscheidung erwartet, der Bundestag ist schließlich befangen"

04.12.2025, 17:54 Uhr
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Der Europaabgeordnete Fabio De Masi soll beim BSW-Parteitag an diesem Wochenende als Nachfolger von Parteigründerin Sahra Wagenknecht zum BSW-Chef gewählt werden. (Foto: picture alliance / Ipon)

Der Wahlprüfungsausschuss lehnt den Einspruch des BSW gegen das Ergebnis der Bundestagswahl ab. Der designierte BSW-Chef Fabio De Masi zeigt sich nicht überrascht: "Das ganze Wahlprüfungsverfahren ist vordemokratisch" sagt er im Interview mit ntv.de. "Der Bundestag ist Richter in eigener Sache."

ntv.de: Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags hat Ihren Einspruch gegen das Ergebnis der Bundestagswahl abgelehnt. Ziehen Sie jetzt eine fertige Klage aus der Schublade und gehen vor das Bundesverfassungsgericht?

Fabio De Masi: Nein, es gibt noch keine fertige Klage. Wir müssen uns ja erst ansehen, was der Bundestag entschieden hat. Auch wenn wir erwartet haben, dass der Bundestag unseren Antrag ablehnen wird. Er ist schließlich befangen.

Aber Sie wissen schon, wie Sie in Karlsruhe argumentieren werden.

Unsere Argumente sind klar: Das Bundesverfassungsgericht hat 1991 geurteilt, dass sehr knappe Wahlergebnisse kein hinreichender Grund sind, vollständig nachzuzählen. Wenn es aber eine Kombination aus belegten Zählfehlern und sehr knappen Ergebnissen gibt, die dazu führen könnten, dass ein Parlament anders zusammengesetzt ist, tendiert Karlsruhe zu einer vollständigen Überprüfung. Zumal der Bundestag nicht mal eine größere Stichprobe nachzählen wollte.

Ihnen fehlen rund 9500 Stimmen. Woran machen Sie fest, dass bei einer Nachzählung so viele Stimmen zusätzlich auftauchen würden?

Fast 60 Prozent aller im vorläufigen Wahlergebnis korrigierten Stimmen entfielen nur auf das BSW, ein irrer Wert für eine Fünf Prozent Partei. Das gab es noch nie. Und es gibt immer noch tausende Stimmen offensichtlicher Zählfehler in den Daten, die nicht geprüft wurden. Die Landeswahlleiterin von Nordrhein-Westfalen schlug den Kreiswahlleitern vor, solche Auffälligkeiten zu prüfen, die Landeswahlleiter von Bayern und Hamburg sahen dafür keinen Anlass. Das werden Angriffspunkte für uns sein.

Sie haben vorgerechnet, dass dem BSW durch fehlerhafte Auszählungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit rund 30.000 Stimmen verlorengegangen sind. Aus dem Ausschuss hieß es dagegen bereits im Vorfeld der Entscheidung, durch bisherige Nachzählungen habe sich das BSW lediglich in geringem Umfang verbessert. Können Sie die Entscheidung nachvollziehen?

Nein. Der Bundestag widerspricht sich selbst. Die Bundeswahlleiterin verweigert bis heute Angaben dazu, warum dem BSW gegenüber dem vorläufigen Wahlergebnis 4277 Stimmen mehr zugesprochen wurden. Wir wissen bis heute nicht, ob es sich dabei um die Korrektur der sogenannten Schnellmeldungen vom Wahlabend handelt, die von den Kreiswahlleitern per Telefon weitergegeben wurden, oder um Korrekturen durch echte Nachzählungen. Wie kann der Bundestag da behaupten, bisherige Nachzählungen hätten nur wenige zusätzliche Stimmen erbracht, wenn gar nicht bekannt ist, wie häufig nachgezählt wurde?

Die von uns beklagten Auffälligkeiten, wie extrem hohe Wahlergebnisse für die Kleinpartei Bündnis Deutschland bei null Stimmen für das BSW, sind nicht plausibel. Das Bündnis Deutschland hatte etwa 76.000 Stimmen und wir 2,5 Millionen. Wir wissen von einzelnen Überprüfungen, zum Beispiel in Aachen, die als Fehler zu Lasten des BSW eingeräumt wurden. Warum will der Bundestag aber in Hamburg oder Bayern Dinge nicht prüfen, die sich in NRW bereits bei Überprüfungen als Fehler bewahrheitet haben?

Man könnte auch argumentieren: Viele Fehler zu Lasten des BSW wurden geprüft.

In weniger als zehn Prozent der Wahllokale wurden Wahlergebnisse geprüft oder korrigiert. Wir enthielten dabei 4277 Stimmen mehr, mehr als alle anderen Parteien zusammen. Uns fehlen 9500 Stimmen zur Fünf-Prozent Hürde. Das war also nicht wenig, sondern fast die Hälfte der noch fehlenden Stimmen.

Nach dem Wahlprüfungsausschuss muss noch das Plenum des Bundestags entscheiden. Rechnen Sie dort mit einem anderen Ergebnis?

Nein. SPD und CDU werden ja nicht freiwillig dem Kanzler Merz die Mehrheit nehmen, der bereits so unbeliebt ist wie die Ampel-Koalition. Das ganze Wahlprüfungsverfahren ist vordemokratisch. Der Bundestag ist Richter in eigener Sache.

Werden Sie dann Ihre Montagsdemonstrationen mit Laternen am Reichstag beenden? Die nächste Entscheidung in Ihrer Sache fällt schließlich nicht im Bundestag, sondern in Karlsruhe.

Wir werden nicht vor dem Bundesverfassungsgericht demonstrieren, aber bis zum Schluss vor dem Bundestag. Wir vertrauen auf den Rechtsstaat. Die Verfassungsrichter werden zwar von den großen Parteien vorgeschlagen. Aber wir hoffen, dass die Karlsruher Richter mehr Verantwortung für die Demokratie und korrekte Wahlergebnisse empfinden als Politiker, die sich an ihre Mandate klammern und unliebsame Konkurrenz aus dem Bundestag raushalten wollen.

Und wenn das Bundesverfassungsgericht Ihre Klage abweist?

Das würde mich sehr überraschen. Denn dann bräuchte man zukünftig gar keine Wahlprüfung mehr. In Mülheim bei der Oberbürgermeisterwahl in diesem Jahr wurde bei einem Abstand von 0,4 Prozent und einer vertauschten Wahlurne vollständig nachgezählt. Bei uns fehlen nur 0,019 Prozent und es gibt tausende belegte Zählfehler. Würde Karlsruhe darüber so hinweggehen wie der Bundestag, würde ich das akzeptieren müssen. Persönlich würde ich jedoch das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat verlieren.

Mit Fabio De Masi sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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