Politik

Champagner für den Youngster Was Amthors Verhalten so fatal macht

Räumt ein, sein Engagement für die Firma Augustus Intelligence sei "ein Fehler" gewesen: CDU-Hoffnungsträger Philipp Amthor

Räumt ein, sein Engagement für die Firma Augustus Intelligence sei "ein Fehler" gewesen: CDU-Hoffnungsträger Philipp Amthor

(Foto: picture alliance/dpa)

CDU-Hoffnungsträger Amthor gibt sich auf Twitter zerknirscht, er habe sich "politisch angreifbar" gemacht. Warum Lobbyismus so gefährlich ist, selbst wenn er nicht gegen das Gesetz verstößt. Fragen und Antworten.

Philipp Amthor hat sich als Abgeordneter des Bundestags für ein Unternehmen eingesetzt. Grundsätzlich ist das erlaubt. Was genau macht sein Verhalten so problematisch?

Entscheidend im Fall Amthor ist die Frage, ob er aus seinem Einsatz einen persönlichen Vorteil gezogen hat. Fotos zeigen den CDU-Youngster mit dem Chef der Firma Augustus Intelligence in Sankt Moritz und auf Korsika, Champagner und Austern soll es gegeben haben. Auch nach New York ist Amthor offenbar gereist, um den Unternehmer zu treffen. Hat er sich zu diesen Reisen einladen lassen, dann besteht der Verdacht, dass es sich um eine Gegenleistung für sein Engagement gehandelt hat. Das wäre ein Verstoß gegen das Abgeordnetengesetz.

Amthor soll 2018 auf Briefpapier des Bundestags an Wirtschaftsminister Peter Altmaier geschrieben und um politische Unterstützung für die Firma gebeten haben. Er tat das also als Mitglied des Bundestags und organisierte auch Treffen für die Firma mit dem Staatssekretär. Laut Wirtschaftsministerium wurden dabei "weder Kooperationen noch Fördergelder besprochen oder später vereinbart". Das Gesetz verbietet jedoch, dass ein Abgeordneter für die Ausübung seines Mandats Zuwendungen oder Vermögensvorteile erhält. Ob er die erhalten hat, wird nun geprüft.

Das Gesetz ist ein Aspekt. Was ist mit Moral?

Abseits der Rechtslage empfinden es viele als Fehlverhalten, dass Amthor sich Aktienoptionen für das Unternehmen geben ließ. Solche Optionen sind quasi das Versprechen, Augustus-Aktien zu irgendeinem Zeitpunkt für einen bereits festgelegten Preis kaufen zu dürfen. Sie werden also erst dann interessant, wenn der Aktienwert steigt, der Besitzer der Optionen sie aber noch immer zu dem festgelegt niedrigen Preis kaufen kann. Daher ist es kein Beleg für Amthors Integrität, dass er die Optionen bislang nicht nutzte, wie er selbst erklärte. Im Gegenteil: Das Warten darauf, dass der Aktienwert steigt, ist in dem Fall Geschäftssinn. Im Abgeordnetengesetz sind jedoch Aktienoptionen nicht als Vermögensvorteil enthalten. Vereine wie Lobbycontrol fordern deshalb, dass Lücken wie diese im Gesetz geschlossen werden.

Wie groß ist das Problem von Lobbyarbeit in der Politik?

Beobachtern zufolge spielt Lobbyarbeit heute eine sehr viel größere Rolle in der Politik als etwa vor 20 Jahren. Ministerien wie etwa das Verteidigungsministerium geben Millionen ihres Budgets für externe Berater aus, wenn im eigenen Haus die Kompetenzen fehlen. Damit machen sie sich jedoch abhängig von der Expertise solcher Unternehmen. "Die Beraterfirmen sind aber externe Akteure, die auch noch andere Kunden haben", erklärt der Politologe Timo Lange, Kampagnenleiter bei Lobbycontrol. "Diese Kunden haben womöglich klare Interessen an politischen Entscheidungen des Ministeriums", die sie dann über die Beraterfirmen beeinflussen könnten.

Berater können auch Abgeordnete selbst sein, die etwa neben ihrem Mandat freiberuflich Firmen unterstützen. Das ist gesetzlich erlaubt und muss nicht offengelegt werden. "Die Mandatsträger müssen lediglich erklären, dass sie Strategieberatung für Kunden anbieten. Sie müssen aber nicht einmal angeben, für wen genau sie die Beratung machen oder in welcher Branche der Kunde tätig ist", kritisiert Lange. Hier könne niemand nachprüfen, ob ein Interessenkonflikt vorliege.

Immer wieder sorgten Fälle von Lobbyismus in der Politik für Aufsehen - wie etwa die Einflussnahme der Automobilbranche auf den Umgang mit dem Dieselskandal oder die Vermarktung von Treffen mit SPD-Spitzenpolitikern unter dem Label "Rent a Sozi". Möglicherweise gefährlicher ist jedoch die Lobbyarbeit, die unterm Radar der Öffentlichkeit abläuft. Etwa wenn ein Verteidigungspolitiker im Verteidigungsausschuss über die Vergabe eines Rüstungsprojekts mitentscheidet und gleichzeitig im Aufsichtsrat einer der Firmen sitzt, die sich um das Projekt bewerben. "Aus Sicht des Gesetzes war dieser Vorgang in Ordnung. An solchen Stellen fehlt dem Bundestag eine Handhabe, um gegen diese Art von Lobbyismus vorzugehen", so Lange.

Wie schädlich ist Lobbyarbeit für die Gesellschaft?

Gefährlich wird es immer, wenn politische Entscheider das Gemeinwohl aus dem Blick verlieren, weil die Vorteile Einzelner schwerer zu wiegen scheinen. So können Fehlentscheidungen entstehen. Über diese Gefahr hinaus verlieren Bürgerinnen und Bürger, die feststellen, dass sich die Politik von den Interessen Einzelner beeinflussen lässt, Vertrauen in die Richtigkeit politischer Entscheidungen. Nutzen sie wirklich dem Gemeinwohl oder haben sie Ziele, die von außerhalb des Politikbetriebs gar nicht erkennbar sind? Dem populistischen Vorwurf, die Eliten "machten ohnehin, was sie wollen", leistet Lobbyismus darum Vorschub und ist auch deshalb gefährlich.

Wenn Lobbying und Vorteilsnahme Raum greifen, zersetzt das jedoch auch auf andere Art den Zusammenhalt der Gesellschaft. In Brasilien etwa, wo Korruption in der Politik sehr üblich ist, beobachtete der Soziologe Roberto Kant schon vor Jahren, wie aufgrund solcher Erfahrungen auch die Bereitschaft in der Bevölkerung schwand, sich an die Regeln zu halten. Statt das Gesetz zu befolgen, entscheiden viele Brasilianer nach eigenem Empfinden. "Wichtig ist nicht, was legal ist, sondern wichtig ist, was man für legitim hält", analysierte Kant. Das führt am Ende dazu, dass kaum eine Verlängerung des Führerscheins ohne Schmiergeld erhältlich ist. Denn der schlecht bezahlte Beamte hält es für legitim, dass er sich neben der Gebühr auch noch privat bezahlen lässt.

Quelle: ntv.de

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