Politik

Die Lehren des Parteitags Wer bei der AfD die Strippen zieht

Alexander Gauland im Gespräch mit den "Flügel"-Vertretern Andreas Kalbitz und Björn Höcke.

Alexander Gauland im Gespräch mit den "Flügel"-Vertretern Andreas Kalbitz und Björn Höcke.

(Foto: dpa)

Um die gewünschte Konstellation im Bundesvorstand durchzudrücken, bedient sich die AfD der Methoden des verhassten Establishments. Ist sie vielleicht selbst schon ein Teil davon? Vier Lehren vom Parteitag der AfD in Hannover.

Der rechte Flügel hat die Strippen in der Hand

Vergangene Woche kam die Nachricht, dass Georg Pazderski für das Amt des Bundessprechers kandidieren wolle. Danach wurden im rechten "Flügel", wie sich die Truppe um Björn Höcke nennt, die Köpfe zusammengesteckt. Es wurde ein Plan geschmiedet, um Pazderski zu verhindern. Der Berliner AfD-Chef gilt als gemäßigt, hatte sich am Parteiausschlussverfahren gegen Höcke beteiligt und sucht Koalitionsanschluss. Gauland soll gedrängt worden sein, Bedingungen an Pazderski zu stellen, um "Flügel"-freundlicher zu werden. Dem Vernehmen nach war Pazderski nicht einverstanden.

Eine Alternative musste her. Etwas Radikales. Dann wurde Doris von Sayn-Wittgenstein überredet, gegen Pazderski anzutreten. Die ultrarechte schleswig-holsteinische Landesvorsitzende gilt, wie Pazderski auch, als Karrieristin - aber mit Vorstellungen, die dem "Flügel" passen. Nach einer schwachen Rede von Pazderski holt die Fürstin die Delegierten mit einer stramm-nationalen Rede aus den Sesseln. Schließlich schmettert sie "Ich wünsche nicht, dass ich Koalitionsgespräche anbieten muss, sondern dass die anderen um Koalitionsgespräche betteln" ins Mikrofon. Die Halle jubelt.

Das Kalkül des Flügels geht auf, Pazderski kann sich nicht gegen Sayn-Wittgenstein durchsetzen, doch umgekehrt schaffte sie es auch nicht. Um den Patt zu lösen, springt Alexander Gauland ein. Damit bekommt der "Flügel" genau das, was er will und schon vorher wollte: eine Doppelspitze aus Meuthen und Gauland. Vertreter des "völkischen Lagers" hatten diese Lösung schon vor dem Parteitag als "ideal" bezeichnet. Bevor Gauland gewählt werden kann, spielt sich jedoch noch ein anderes Kapitel ab.

Das Hinterzimmer gewinnt an Bedeutung

Dass Politiker Deals schließen und zum Teil alles andere als transparent handeln, ist nichts Neues. Genau das hat die AfD häufig in großer Ausführlichkeit kritisiert. So sei eben das Establishment und deswegen brauche es die AfD, hieß es oft. Nicht zum ersten Mal hat sich in Hannover die AfD genau dieser Mittel bedient. Hinter verschlossenen Türen wurde verhandelt, unter welchen Bedingungen Pazderskis Antritt verträglich sei. Auch Doris Sayn-Wittgenstein wurde nach Absprachen im Hinterzimmer ins Rennen geschickt - die überraschende Kandidatur war ein Ass in der Hinterhand.

Nach dem Patt dann wieder: Hinterzimmer. Pazderski zieht zurück, bekommt einen Stellvertreterposten angeboten, ebenso Sayn-Wittgenstein. Meuthen und Gauland regeln die Arbeitsaufteilung. Meuthen soll den Großteil der Arbeit machen, Gauland wollte mit seinen 76 Jahren ja eigentlich nicht.

Am Ende steht nur noch Alexander Gauland auf der Liste der möglichen Kandidaten, die Delegierten können nur noch für oder gegen ihn stimmen. Auch wenn die Parteispitze diese Wahl als "basisdemokratisch" lobt, dürfte die Machart vielen AfD-Anhängern sauer aufstoßen. Transparent war das nicht. Ist ja auch nicht schlimm, die anderen Parteien machen das ja auch so. Aber von denen will sich die AfD ja auch um jeden Preis abgrenzen. Und da kommen wir zum nächsten Punkt.

Die AfD hat Angst, vielleicht doch im Establishment anzukommen

Mit 92 Abgeordneten ist die AfD in den Bundestag eingezogen und stellt dort die drittstärkste Fraktion. Das ist zweifelsohne ein beeindruckender politischer Erfolg für eine so junge Partei. Es werden Selfies geschossen im Plenum und Fotos in Richtung der scheinbar leeren Ränge der übrigen Fraktionen. Dass der Bundestag ein Arbeitsparlament ist, in dem sich das Gros der Arbeit in Ausschüssen und bei Beratungen abspielt, wird dabei gerne unterschlagen. In sozialen Medien tauchen Fotos der schicken neuen EDV-Ausstattung auf und von den schönen neuen Büros.

Parteichef Meuthen teilt freilich die Begeisterung, dass die AfD jetzt ganz oben mitspielt. Doch ihn treibt auch etwas um: die Angst, selbst Teil des verhassten Establishments zu werden. In seiner Rede auf dem Parteitag versichert er dennoch, dass die Partei dort nicht angekommen sei. "Und lassen Sie mich das klar sagen: Das wollen wir auch gar nicht sein."

Dass der Chef einer Partei, deren DNA die Kritik an "denen da oben" ist, das so deutlich sagen muss, spricht für sich. Es gab Befürchtungen, die AfD-Fraktion könne die Arbeit im Bundestag stören, mit schrillen Zwischenrufen oder Aktionen für Aufsehen sorgen. Bislang ist nichts davon passiert. Die Abgeordneten versuchen sich am parlamentarischen Prozess zu beteiligen. Das ist sicherlich die vernünftigere Variante. Doch damit, schreibt der AfD-Kenner Justus Bender in der FAZ, habe "der Bundestag die AfD schon mehr verändert als die AfD ihn".

Die Gegner der AfD haben nichts dazugelernt

Die AfD hat sich im Bundestag bisher an die demokratischen Spielregeln gehalten und vertritt dort einen Teil der deutschen Bevölkerung. Man muss die Partei, die Politik, für die sie steht, und die zum Teil provokanten, auch völkischen Töne, die in ihr angeschlagen werden, nicht mögen. Doch auch diese Partei muss die Möglichkeit haben, Parteitage abzuhalten, ohne dass ihre Vertreter um ihre körperlichen Unversehrtheit fürchten müssen. Der Protest rund um das Congress Centrum in Hannover war größtenteils friedlich. Das lag jedoch wohl auch an der massiven Polizeipräsenz. Vereinzelt kam es dennoch zu Übergriffen. Der Pressesprecher der AfD musste an einer Tankstelle in eine Gruppe Polizisten flüchten, der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk kam nach einem Angriff mit einer Armbinde zum Parteitag.

Eine weitere Erkenntnis des 8. Bundesparteitages der AfD ist, dass einige Gegner der Partei immer noch nicht gelernt haben, dass sie der Partei nur helfen, wenn sie ihre Mitglieder angreifen. Schließlich gehört der Opfer-Status zu deren Selbstbild. Aber selbst wenn dies nicht so wäre: Gewalt ist kein Teil des demokratischen Prozesses. Dass AfD-Parteitage von Wasserwerfern, Räumpanzern und Hunderten Polizisten geschützt werden müssen, ist ein Armutszeugnis für alle, die gegen die AfD demonstrieren.

Quelle: ntv.de

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