Sudan an der Grenze zum Bürgerkrieg Westerwelle besucht Krisenstaat
23.06.2011, 16:15 Uhr
Westerwelle trifft in Khartum den sudanesischen Außenminister Ali Karti.
(Foto: dapd)
Der Sudan wankt von Krise zu Krise: Die Provinz Darfur leidet an den Folgen des Völkermordes. Präsident Baschir wird international gesucht, ihm werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Vor der Unabhängigkeit des Südsudan droht dem Land zudem ein neuer Bürgerkrieg. Außenminister Westerwelle fordert bei einem Besuch eine friedliche Lösung.
Außenminister Guido Westerwelle hat die beiden künftigen Staaten im Sudan zu einer friedlichen Beilegung ihrer Konflikte aufgefordert. "Der Unabhängigkeitsprozess darf nicht noch auf den letzten Metern scheitern", warnte Westerwelle in der Hauptstadt Khartum. Der Süden des bislang größten afrikanischen Landes will sich im Juli für unabhängig erklären. Künftig gibt es dann den Sudan und den Südsudan.
Westerwelle rief beide Seiten auf, die noch offenen Fragen friedlich zu lösen. Ziel sei es, den Unabhängigkeitsprozess einigermaßen friedlich zu gestalten. "Das darf nicht zu neuen Konflikten führen." Im Süden hatten zu Beginn des Jahres fast 99 Prozent der Bevölkerung für die Loslösung vom Norden gestimmt. Die Unabhängigkeitserklärung soll am 9. Juli erfolgen, während Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat innehat.
Zuletzt hatte US-Präsident Barack Obama einen sofortigen Waffenstillstand auch in der sudanesischen Region Süd-Kordofan gefordert. Die Lage in dem ölreichen Gebiet an der Grenze zwischen dem Nord- und Südsudan sei "düster" und Berichte über ethnisch motivierte Gewalt "beunruhigend", erklärte Obama in Washington. Seit Anfang Juni liefern sich dort die sudanesische Armee und verbündete Milizen heftige Gefechte mit Einheiten aus dem Südsudan.
Besuch bei Bundeswehr-Soldaten
Als erster westlicher Außenminister seit längerer Zeit besuchte Westerwelle auch die Krisenprovinz Darfur im Westen des Landes. Der FDP-Politiker traf sich dabei auch mit einigen Bundeswehr-Soldaten, die im Rahmen einer UN-Friedensmission im Einsatz sind. In Darfur wurden seit 2003 bei Kämpfen zwischen Rebellen sowie Militär und regierungstreuen Milizen etwa 300.000 Menschen getötet. Mehr als drei Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Zwischen Nord und Süd gibt es immer noch eine Reihe von Grenzkonflikten. Erst vor wenigen Tagen verständigten sich beide Seiten über eine Entmilitarisierung der ölreichen und hart umkämpften Region Abyei. Auch die Verteilung der künftigen Öl-Einnahmen sowie die Übernahme der bisherigen Staatsschulden sind noch strittig. Der sudanesische Außenminister Ali Karti versprach ein konstruktives Bemühen um eine Einigung mit dem Süden. Zugleich warb er um deutsche Investitionen.

Zeit war auch noch für einen Besuch am Zusammenfluss von Blauem und Weißem Nil, zusammen mit dem deutschen Botschafter Rainer Eberle.
(Foto: dapd)
Am Vortag hatte der sudanesische Präsident Omar Al-Baschir dem Süden noch mit der Schließung der Ölleitungen gedroht, sollte es vor der Unabhängigkeit im Juli nicht eine Einigung über die Einkünfte aus den Ölquellen geben. Wie die "Sudan Tribune" berichtete, hatte Al-Baschir in der nordsudanesischen Hafenstadt Port Sudan erklärt: "Entweder der Norden erhält weiter seinen Anteil oder wir erhalten Gebühren für jeden Barrel, den der Süden nach Port Sudan schickt. Sollte das nicht akzeptiert werden, machen wir die Pipeline dicht." Nach der Teilung des Landes wird der Süden über 75 Prozent der Ölquellen verfügen. Der Exporthafen gehört wie viele Pipelines und die Raffinerien zum Norden.
Kein Treffen mit gesuchten Präsidenten
Der Sudan ist siebenmal so groß wie Deutschland, zählt aber nur etwa 40 Millionen Einwohner. Obwohl er über viele Rohstoffe verfügt, gehört er zu den ärmsten Ländern der Welt. Zwischen dem islamisch und arabisch geprägten Norden und dem christlichen und schwarzafrikanischen Süden gab es über viele Jahre hinweg schwere Kämpfe. Insgesamt wurden dabei zwei Millionen Menschen getötet.
Der amtierende sudanesische Präsident Omar al-Baschir wird wegen Kriegsverbrechen in Darfur mit internationalem Haftbefehl gesucht. Westerwelle vermied deshalb eine Begegnung mit Al-Baschir. Stattdessen stand ein Treffen mit Vizepräsident Ali Taha auf dem Programm. Westerwelle kündigte an, dass das Auswärtige Amt seine humanitäre Hilfe für den Sudan um eine weitere Million auf nun 4,2 Millionen Euro aufstocken werde. Bei dem zweitägigen Besuch ging es auch um das Schicksal einer Familie aus Hermannsburg in Niedersachsen. Der Vater hatte sich nach der Trennung von der Mutter mit den vier gemeinsamen Kindern über Ostern ins Ausland abgesetzt. Vermutet wird, dass sich der 37-Jährige im Sudan oder im Nachbarland Ägypten aufhält.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP