Politik

Atteste, Klagen und Petitionen Widerstand gegen Masken an Schulen wächst

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Die Hitzewelle macht das Tragen der Masken nicht angenehmer.

(Foto: dpa)

Der Schulbetrieb ist in vielen Ländern wieder aufgenommen, doch die Vorgaben zu Masken in der Schule stoßen vielen Eltern und Schülern sauer auf. Es formiert sich Widerstand - auch mithilfe von medizinisch unbegründeten Attesten.

Dass Kinder und Jugendliche in den meisten Schulen einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen, treibt viele Eltern auf die Barrikaden. Dass in einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen ältere Schülerinnen und Schüler auch während des Unterrichts Masken tragen sollen, stößt auf viel Unverständnis. Das Ergebnis: Widerstand in Form von Klagen, Petitionen und Attesten hilfsbereiter Ärzte, die selbst an Sinn und Nutzen der Masken zweifeln.

Wie auch auf anderen Schauplätzen der Corona-Debatte ist der Widerstand gegen die Pandemie-Politik breit gefächert. Die Masken-Kritiker sind meist normale Menschen, die Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit sowie Angst vor negativen Gesundheitsfolgen für ihre Kinder ausdrücken und eher gemäßigte Forderungen formulieren. Weil der Protest und die Vernetzung untereinander üblicherweise über soziale Netzwerke wie Facebook-Gruppen und Messenger wie Telegram-Chats geschieht, mischen aber auch Anhänger kruder Ansichten in den Diskussionen mit. Darunter befinden sich Esoteriker, die Impfungen pauschal ablehnen, genauso wie Fürsprecher einer großen Corona-Verschwörung zur Durchsetzung einer neuen Weltordnung.

Viele sind noch in den Ferien

Vor allem aber der breite Widerstand normaler Bürger in der ganzen Republik muss den Verantwortlichen Sorge bereiten. In den sozialen Netzwerken bejubeln in diesen Tagen viele den Leiter der Jahn-Grundschule in Rathenow, der sich per öffentlicher Erklärung geweigert hat, die in Brandenburg geltende Maskenpflicht außerhalb des Unterrichts umzusetzen. Das ganze Ausmaß des Widerstands dürfte erst nach Ende der Sommerferien in allen Ländern erkennbar sein.

Die Petition einer Mutter aus NRW sammelte binnen elf Tagen mehr als 30.000 Unterschriften allein aus dem betroffenen Bundesland. Initiatorin Miriam Schmitz zweifelt in ihrem sachlichen Schreiben vor allem an der Verhältnismäßigkeit des tiefen Eingriffs in die Lebenswelt der Kinder. "Traumata ein Leben lang könnten die Folge sein", schreibt Schmitz. Für jeden Schultag mehrere saubere Masken bereitzuhalten und am Abend wieder zu waschen sei "bei mehreren Kindern in dem Alter nicht leistbar".

Gruselstorys aus dem Netz

In den sozialen Netzwerken ist der Ton erheblich rauer. Die Mütter und Väter organisieren sich in Gruppen wie "Eltern stehen auf" und gründen regionale Untergruppen. Darin schreiben etwaige Eltern teils abenteuerlich anmutende Berichte, wie sie sich gegenüber Lehrern oder Schulleitungen mit ihrer Masken ablehnenden Haltung nicht durchsetzen konnten.

Darunter finden sich kaum Eltern von vorerkrankten Kindern, aber viele Eltern mit Angst vor krankmachenden Nebenwirkungen der Mund-Nasen-Bedeckung. Die Geschichten über vermeintlich rüde und wüst drohende Direktoren lassen sich kaum überprüfen. Die Gruppenmitglieder scheinen diesen Darstellungen aber deutlich eher Glauben zu schenken als allem, was etablierte Medien über die Risiken von Covid-19 berichten.

Wer stellt ein Attest aus?

So wundert es auch wenig, dass in diesen Foren Wege zur Umgehung der Maskenpflicht diskutiert werden, insbesondere das Attest. Medienberichte hatten wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass einige Ärzte bereitwillig Scheine ausstellen, wonach die betreffenden Kinder keine Maske tragen sollen. Viele dieser Mediziner finden sich etwa über das Unterstützerregister des Vereins "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie", in dessen Vorstand der Arzt und Anti-Corona-Aktivist Sucharit Bhakdi sitzt.

Eine Stichprobe im Register führt etwa binnen weniger Minuten zu einem Kölner HNO-Spezialisten. Eine Patientin des Mannes berichtet auf der Plattform Jameda, wie der Mann sämtliche Hygienevorgaben und -empfehlungen mutwillig ignoriert. Dass Dr. S. auf Bitten auch medizinisch unbegründete Atteste ausstellt, ist naheliegend.

Schon Anfang Juli hatte die Sendung "Report Mainz" aufgezeigt, wie leicht solche Atteste zu bekommen sind. Dabei hatten die verdeckt auftretenden Redakteure gegenüber dem jeweiligen Arzt keinen Hehl aus ihrer persönlichen Abneigung gegen die Maske gemacht und gar nicht erst behauptet, vorerkrankt zu sein.

Unklares Ausmaß

Die Berichterstattung scheint aber auch manchen Arzt verschreckt zu haben. Im Telegram-Chat "ElternStehenAuf NRW" fragt eine Nutzerin nach Ärzten, die noch großzügig Atteste ausstellen, weil viele der im Internet kursierenden Mediziner inzwischen zurückhaltend geworden seien. Schließlich droht ihnen im schlimmsten Fall sogar der Entzug ihrer Zulassung. Per Direktnachrichten informieren die Eltern einander darüber, wo sie dennoch Erfolg hatten. Aber nicht alle Schulen scheinen die Atteste zu akzeptieren. Sie legen den Kindern ohne Maske ein striktes Abstandsgebot auf, sodass sie nicht immer am Unterricht teilnehmen können.

Wie groß das Ausmaß der begründeten und unbegründeten Atteste ist, lässt sich schwer einschätzen. Zwar haben die vielen verschiedenen Protestgruppen im Internet Nutzer in vierstelliger oder niedriger fünfstelliger Zahl. Andererseits hat allein NRW fast 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler. Eine Abfrage der Bildungsministerien verschiedener Länder blieb am heutigen Freitag zumeist unbeantwortet. In Schleswig-Holstein zumindest ist das Problem unbegründeter Atteste laut Ministeriumssprecher David Ermes bislang nicht bekannt. Aus dem Schulministerium in NRW heißt es, die Maskenpflicht habe zu keinen Problemen in den ersten Tagen des angepassten Schulbetriebs geführt. Probleme mit unbegründeten Attesten seien nicht bekannt.

Klagen und Drohungen

Bleibt den Eltern noch der Rechtsweg: Bereits am Donnerstag berichtete die "Rheinische Post" über zwei Klagen, die dem Oberverwaltungsgericht Münster vorliegen, sowie über eine Klage in Köln. Das könnte aber erst der Anfang einer Welle sein, vor der die Justizbehörden stehen. In den sozialen Medien tauschen die Eltern untereinander reichlich Vordrucke für Anzeigen aus.

Dass viele davon aus Laienhand stammen und vermutlich rechtlich kaum haltbar sind, sei dahingestellt. So verlangen etwa einige Aktive von den Schulleitungen, eine Haftungserklärung für den Fall zu unterschreiben, dass die Kinder durch die Masken geschädigt werden. Dass Schulleitungen sich darauf ein- oder sonstwie beeindrucken lassen, ist eher unwahrscheinlich.

Auch der Verein "Klagepaten", der ursprünglich zur Durchsetzung des Kitaplatz-Anspruchs angetreten war, ist mit von der Partie. Auf seiner Seite finden sich von Rechtsanwälten formulierte Musterschreiben, mit denen Eltern ihren Schulen erklären sollen, dass ihre Kinder keine Maske tragen. Sollte Kindern ohne Maske der Präsenzunterricht verweigert werden, bietet der Verein eine Rechtsberatung an.

Sanktionskulisse allein machtlos

Tatsächlich stehen Schulen vor dem Problem, dass sich die Maskenpflicht kaum mit Gewalt und Sanktionen durchsetzen lässt. Sollte an einer Schule eine nennenswerte Zahl an Eltern und Schülern die Maske verweigern, wäre die Schulleitung vermutlich relativ machtlos. Zwar haben vereinzelt Bildungsminister der Länder in letzter Konsequenz auch Schulverweise als Strafe nicht ausgeschlossen. Diese aber in großer Zahl zu verhängen, dürfte wegen des Gebots der Verhältnismäßigkeit kaum eine Option sein.

So werden die Verantwortlichen in Schulen und Politik die erkennbar große Zahl an Maskengegnern eher durch Argumente überzeugen müssen. In Berlin wird der Schulbetrieb im Rahmen eines Forschungsprojekts eng durch Experten der Charité begleitet, samt regelmäßiger Corona-Tests an ausgewählten Schulen. Das soll Schwachstellen im Hygieneplan aufzeigen - und im Idealfall auch schon bald Auskunft geben über Sinn und Unsinn der Masken an den Schulen.

Quelle: ntv.de

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