Politik

"Ihr Flugzeug ist viel besser" Wie sich Selenskyj bei Trump anbiederte

Diesmal von Angesicht zu Angesicht: Selenskyj traf Trump in dieser Woche in New York.

Diesmal von Angesicht zu Angesicht: Selenskyj traf Trump in dieser Woche in New York.

(Foto: imago images/ZUMA Press)

Der ukrainische Präsident Selenskyj ist bekannt als ehemaliger Komiker. Nun gerät er ungewollt in den Strudel eines Skandals, der die USA mitreißt. Im Telefonat mit US-Präsident Trump macht er dabei keine gute Figur - und schadet der Außenpolitik seines Landes.

Ein wenig ist es wie in seiner erfolgreichen Satire-Serie "Diener des Volkes", die dem einstigen Komiker Wolodymyr Selenskyj zum überwältigenden Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr verhalf: Am Ende der finalen Staffel ist der fiktive Präsident, der einst ahnungslose Geschichtslehrer Wassyl Goloborodko, so erfolgreich, dass die Ukraine plötzlich zu den G7 eingeladen wird. Auch in der Realität wird der ukrainische Politikneuling nun erstaunlich schnell zum großen Thema der Weltpolitik. Nur auf diesem Wege wollte er dies sicher nicht erreichen. Und gut steht er dabei auch nicht da.

Es sind viele Sätze im veröffentlichen Telefonat Selenskyjs mit seinem US-Amtskollegen Donald Trump, die sein Land irritieren. "Wir können entweder mein Flugzeug nehmen und in die Ukraine fliegen. Oder wir können Ihr Flugzeug nehmen, das sicher viel besser als meins ist", sagt der ukrainische Präsident am Ende des Gesprächs, als er Trump wieder und wieder in die Ukraine einlädt. Das überrascht weder in der Form noch inhaltlich. Der Satz könnte genauso aus einer jener Satire-Sendungen stammen, die Selenskyj jahrelang produzierte und moderierte. Doch der gesamte Text liest sich wie die Unterhaltung eines Chefs mit seinem Mitarbeiter, der seinem Vorgesetzten unbedingt gefallen möchte.

Das ist für die Ukrainer zwar keine neue Erkenntnis. Sie wissen, dass ihr Land nicht zu den Entscheidungsträgern der internationalen Politik gehört, sondern von Entscheidungen anderer Staaten abhängt. Das so deutlich bestätigt zu bekommen, ist für viele jedoch enttäuschend. Dabei geht es weniger um Flugzeugscherze an sich oder weitere Loblieder Selenskyjs, der Trump als "einen großen Lehrer" in Sachen Wahlkampf und Erneuerung der Regierung bezeichnet. Doch dass Trump ziemlich direkt um die Ermittlungen gegen den Ex-Vizepräsidenten Joe Biden und dessen Sohn Hunter, der für die ukrainische Gasholding Burisma saß, bittet, sagt einiges. Ebenfalls wie die sehr vage, aber doch deutliche Zusage Selenskyjs, die Sachlage zumindest überprüfen zu wollen. Dass das ukrainische Staatsoberhaupt dazu noch offenbar nichts von Veröffentlichung seines Parts im Telefonat wusste, ist quasi das i-Tüpfelchen.

"Man sieht zwar im veröffentlichen Gespräch selbst nicht, dass Trump die Ukraine mit besonderer Geringschätzung behandelt, das Telefonat ist mehr oder weniger korrekt gelaufen", glaubt der Kiewer Politologe Petro Oleschtschuk von der Schewtschenko-Universität. Es sei jedoch nicht zu übersehen, dass Selenskyj "zu gutwillig" gewesen sei, als er unmissverständlich angedeutet habe, dass der damals noch nicht ernannte, neue Generalstaatsanwalt zu 100 Prozent sein Vertrauter sei.

Setzte Biden die Entlassung des Generalstaatsanwalts durch?

Unter einem der Vorgänger des heutigen Generalstaatsanwalts, unter Wiktor Schokin, wurde gegen die Gasfirma Burisma ermittelt. Sie gehört einem Minister aus der Ära von Wiktor Janukowitsch, bevor dieser im Laufe der Maidan-Revolution 2014 nach Russland floh. Hunter Biden wurde von Burisma wenige Monate nach den Umstürzen in Kiew angeheuert und bekam Medienberichten zufolge rund 50.000 US-Dollar monatlich.

Es gibt unterschiedliche Angaben darüber, ob die Ermittlung durch Schokin, den Trump indirekt einen "sehr guten Generalstaatsanwalt" nennt, überhaupt ernsthaft geführt wurde. Mehrere Quellen bestreiten das. Der in der Ukraine wegen etlicher Korruptionsverbindungen umstrittene Schockin selbst besteht darauf, dass er 2016 nur wegen der Einflussnahme durch Joe Biden entlassen wurde. In einem Interview von 2018 bestätigt Biden, dass er die Entlassung Schockins von Kiew gefordert hat, den Ex-Generalstaatsanwalt bezeichnet er sogar als "Hurensohn". Allerdings war er nicht der Einzige, der sich gegen Schockin aussprach. Auch der Internationale Währungsfonds und westliche Geldgeber drangen auf die Entlassung des Generalstaatsanwalts.

Über den Zusammenhang mit Hunter Biden lässt sich jedoch nur spekulieren. Was aus ukrainischer Sicht nach der Veröffentlichung des Trump-Selenskyj-Telefonats allerdings deutlich wird: Im Konflikt mit Russland fühlt sich das Team um Selenskyj so stark angewiesen auf die USA, dass es bereit ist, zumindest verbal weit zu gehen.

Selenskyi pflicht Trump beflissen bei

So weit, dass die Beziehungen Kiews mit Deutschland und Frankreich, die neben der Ukraine und Russland zum sogenannten Normandie-Gesprächsformat zur Lösung des Donbass-Krieges gehören sowie zur gesamten EU, ungewollt belastet werden. "Die USA macht viel mehr für die Ukraine als die europäischen Staaten. Angela Merkel redet viel über die Ukraine, macht aber nichts", sagt etwa Trump zu Selenskyj. Und der ukrainische Präsident reagiert entsprechend: "Sie haben nicht zu hundert, sondern zu tausend Prozent Recht." Explizit Merkel und Macron machen laut Selenskyj zu wenig in Sachen Sanktionen gegen Russland. Diese Aussagen scheinen in Berlin, Paris und Brüssel überhaupt nicht anzukommen.

Dass die Ukraine wegen der Zusage für den Bau der russischen Gaspipeline Nord Stream 2 unzufrieden ist, ist längst kein Geheimnis. Kiew sieht das als Umweg, um die Russland-Sanktionen de facto abzuschwächen. Außerdem hatten Deutschland und Frankreich zuletzt stark und mit Erfolg für die bedingungslose Rückkehr Russlands in die Parlamentarische Versammlung des Europarates geworben. Damit wurde die erste Russland-Sanktion seit dem Beginn des Konflikts aufgehoben - und die Ukraine wird die ab Montag beginnende nächste Sitzungsperiode boykottieren. Andererseits wäre das Minsker Abkommen, das im Februar 2015 den Donbass-Krieg stark entschärft hat, ohne Berlin und Paris nie entstanden. Und die humanitäre Hilfe Deutschlands für die umkämpfte ostukrainische Region ist größer als alles, was die USA jemals in dieser Hinsicht leisteten.

"Die Zusammenarbeit mit der Bundeskanzlerin Merkel und mit dem französischen Präsidenten Macron wird für Selenskyj schwieriger", prophezeit Wolodymyr Fessenko vom Zentrum für angewandte politische Forschung Penta. "Aus meiner Sicht ist das aber eher der sicher unangenehme emotionale Hintergrund." Im Hinblick auf die US-Beziehungen der Ukraine glaubt Fessenko, dass das Weiße Haus in jedem Fall mit Selenskyj weiterarbeiten wird. "Trump hatte ein Problem mit Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko, weil dieser Hillary Clinton unterstützte. Er musste der Ukraine dennoch im Konflikt mit Russland helfen, weil die Interessen der USA dies forderten." Ähnliches gilt offenbar auch für die Demokraten, die Selenskyj ab nun zwar sicher kritischer einschätzen würden. "Doch sollte ein Demokrat die Wahlen im nächsten Jahr gewinnen, wird das Weiße Haus sich genauso verhalten, wie unter Trump im Laufe der Poroschenko-Amtszeit."

Außerdem müsste man laut Fessenko berücksichtigen, dass trotz mündlicher Zusagen Selenskyjs bisher keine Ermittlungen gegen Hunter Biden in der Ukraine eingeleitet wurden - und dass Selenskyj öffentlich stets betont, sich in die US-Wahlen unter keinen Umständen einmischen zu wollen. Vor innenpolitischen Konsequenzen muss sich der neue ukrainische Präsident wohl vorerst auch nicht fürchten, wenngleich seine Landsleute einige seiner Aussagen nicht so schnell vergessen dürften. Schließlich genießt er noch immer eine überwältigende Unterstützung in der Ukraine. Zuletzt lagen die Vertauenswerte von Selenskyj bei mehr als 70 Prozent.

Quelle: ntv.de

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