Politik

Pressefreiheit in Corona-Zeiten Wir müssen uns ein eigenes Bild machen

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Pressekonferenzen sind gegenwärtig nur eingeschränkt möglich.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Das macht einmal mehr die gegenwärtige Coronavirus-Pandemie deutlich. Aus China dringen nur unzureichende Informationen über die Entstehung des Virus an die Außenwelt. Und auch in Deutschland gibt es Grund zur Kritik.

Der Tag der Pressefreiheit 2020 fällt in eine Zeit, in der wir Journalisten unter besonderen Bedingungen recherchieren, produzieren und publizieren. Für jeden von uns hat sich der Arbeitsalltag verändert. Als Chefredakteurin eines Nachrichtensenders war und ist es mein größtes Ziel, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen und so vor allem ihre Gesundheit, aber eben auch ihre Arbeitsfähigkeit zu sichern.

Insofern hat der Schutz der Pressefreiheit in diesen Tagen eine ganz praktische Dimension. Angefangen bei der Ausstattung unserer Reporterteams, die für viele Menschen das Fenster zur Außenwelt darstellen. Sie benötigen beispielsweise sogenannte Angeln, also Mikrofone, die einen größeren Abstand zu Interviewpartnern ermöglichen als die in normalen Zeiten üblichen Handmikros. Bis hin zu baulichen Maßnahmen in unserem Sendezentrum, um größere Abstände zwischen den Kollegen und Kolleginnen zu schaffen, die für das Sendegeschehen zwingend in unserem Gebäude präsent sein müssen.

Dafür gab und gibt es eine riesengroße Unterstützung, verbunden mit der Anerkennung, dass die Arbeit, die unsere Teams leisten, systemrelevant ist. Die Reichweiten der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass gerade in der Krise auch viele neue Nutzerinnen und Nutzer uns ihr Vertrauen schenken. Das hat uns gleichzeitig gefreut und bestärkt, unserer gesellschaftlichen Verantwortung auch unter schwierigen Bedingungen unvermindert nachzukommen.

Welche Auswirkungen eine massive Einschränkung von Pressefreiheit haben kann, zeigt sich unter anderem an der mangelnden Transparenz über die Entstehung und Verbreitung des Coronavirus in China. Man kann gar nicht genug Hochachtung vor den mutigen Journalisten und Bloggern haben, die trotz staatlicher Repressionen bereits im Januar und Februar Bilder und Informationen über die Situation in Wuhan und anderen Städten veröffentlicht haben. Selbst jetzt verweigert sich China den Forderungen nach transparenter, wissenschaftlicher Aufklärung, die zum Schutz von Menschenleben beitragen könnte.

Kritik an Regierungspressekonferenzen

Doch der Tag der Pressefreiheit ist Anlass genug, um auch auf die Einschränkungen in Deutschland hinzuweisen. Völlig zu Recht haben Mitglieder der Bundespressekonferenz und der Landespressekonferenzen in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder die derzeit geltenden Regeln bei Regierungspressekonferenzen kritisiert. Natürlich dienen die Videokonferenzen auch der Sicherheit von Pressevertretern. Aber es macht natürlich einen Unterschied, ob Journalisten die Fragen direkt stellen und nachbohren können oder - wie derzeit üblich - Fragen von Regierungsvertretern vorgetragen werden, nicht immer im originalen Wortlaut der Absender.

Die Pandemie darf ebenso wenig zum Vorwand genommen werden, die Auskunftspflicht von Behörden einzuschränken oder Reportern den Zugang zu öffentlichen Plätzen oder Protagonisten zu verwehren. Journalisten müssen sich zwingend ein eigenes Bild verschaffen, auch um auf die teils gezielten, teils aus Unkenntnis verbreiteten Desinformationen rund um Covid-19 zu reagieren.

Und - was vielen Nutzern nicht immer bewusst ist - private Medienunternehmen sind auch Wirtschaftsunternehmen. Qualitativ hochwertiger Journalismus erfordert Investitionen und verursacht Kosten: Eine gute handwerkliche Ausbildung, Trainings und Weiterbildung, Löhne und Gehälter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, der technische Betrieb, Reisekosten und vieles mehr. All dies muss refinanzierbar sein. Entweder durch Abos, Paywalls oder durch Werbung. Medienunternehmen legen dabei besonderen Wert auf ihre journalistische Unabhängigkeit, um gerade in Zeiten eingeschränkter Grundrechte wie das der Versammlungsfreiheit auch kritisch über den Staat berichten zu können.

Aus gutem Grund haben wir ein Duales System, das eine pluralistische Medienlandschaft mit ausreichender Staatsferne sichern soll. Insofern ist der Tag der Pressefreiheit vielleicht auch für Nutzer und Zuschauer ein guter Anlass, sich klarzumachen, dass Werbespots und -banner, ein paar Euro für eine werbefreie App oder eine monatliche Abogebühr wirtschaftlich notwendig sind, um unabhängigen Journalismus zu finanzieren. Denn damit kann jeder etwas beitragen zu einem größtmöglichen Angebot an Information und Unterhaltung. Das sollte es uns allen wert sein.

Sonja Schwetje ist Chefredakteurin von ntv.

Quelle: ntv.de

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