Chats der "Feuerkrieg Division" "Wir töten jeden ..."
29.02.2020, 17:37 Uhr
"Feuerkrieger" posen im Netz.
Jüngst schlugen die Behörden zu und nahmen einen 22-Jährigen fest: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, lautet der Vorwurf. Chatverläufe der "Feuerkrieg Division" geben einen Einblick in die Gewaltbereitschaft der Neonazi-Gruppe.
Anmerkung: Für kurze Zeit war in dem Text eine fehlerhafte Abkürzung zu lesen. Die "Atomwaffendivision" wurde in dieser Version fälschlicherweise mit "AfD" statt "AWD" abgekürzt. Wir haben den Fehler innerhalb kurzer Zeit korrigiert.
Ihre Botschaft ist eindeutig: "Wir haben keine Angst vor dem Tod und töten jeden, der sich uns in den Weg stellt", hießt es in Chat-Verläufen, die ntv vorliegen Wer so redet, der will möglicherweise nicht nur Angst und Hass sähen, der meint es vielleicht sogar ernst. Todernst.
Sprüche wie diese sind Programm der "Feuerkrieg Division" (FKD). Eine international vernetzte Neonazi-Gruppe der besonders bösartigen Sorte. Hasserfüllt, rassistisch, antisemitisch wie fast alle. Aber sie sind obendrein noch extrem gewaltbereit. Ein verheerender Zusammenschluss globaler Rechtsextremisten, die seit Januar 2019 nun auch in Deutschland ihr Unwesen treiben. In Bayern wurde jetzt der erste selbsternannte Feuerkrieger festgenommen - ein 22-Jähriger in einem Dorf im bayerischen Landkreis Cham.
Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München erklärte, gegen den Mann bestehe der dringende Tatverdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Beschuldigte befinde sich aktuell in Untersuchungshaft.
Es war ein Chat, der alle alarmierte. Er wolle zu einem "Heiligen" werden, tönte der Verfasser namens "Heydrich". Und nun suche er nach einem geeigneten Ort. Wer denn einen kenne, wollte er wissen. Den Beamten vom Landeskriminalamt in Bayern war schnell klar, was sich hinter der kryptischen Offerte verbarg. Hier suchte ein Rechtsterrorist in einem verschlüsselten Forum nach einem Ort, an dem er töten wollte. Ausländer, Muslime, Farbige, Juden, Homosexuelle. Egal. Hauptsache töten. Anfang Februar machten die Beamten dann kurzen Prozess und nahmen den 22 Jahre alten Rechtsterroristen fest.
Man weiß nicht viel über den "Feuerkrieger", der sich in Chats nach einer einstigen SS-Größe - einer der Hauptorganisatoren der Judenvernichtung, Reinhard Heydrich - benannte. Er soll eine militärische Ausbildung bei der Bundeswehr absolviert haben und wohnte noch bei seinen Eltern, heißt es in Medienberichten. Und er ist jemand, der nicht nur tödlichen Rassismus predigt, sondern der ihn auch vollstrecken will. Zu diesem Zweck hatte er sich schon mehrere Waffen besorgt und auch eine Waffe selbst gebaut.
Zur "Feuerkrieg Division" zählen aber anscheinend noch mehr Personen aus Deutschland. Auf Seiten im Darknet oder auf dem russischen Messengerdienst Telegram tauschen sie sich aus. Sie nennen sich "Teuton" oder "Dekkit", "Napola88", "Wolfskampf" oder "Jus-ad-bellum". Die Gruppe ist jung, teils minderjährig, aber anscheinend wild entschlossen. "Am Anfang hatten wir nur einen Server und haben uns überwiegend auf den Online Bereich konzentriert. Dann kamen weitere Aktivitäten hinzu. Und so sind wir immer weiter gewachsen", sagt Wolfram, Neonazi aus den Niederlanden und Mitbegründer der "Feuerkrieg Division", in einem Online-Interview.
Huldigung von Attentätern
Der Buchautor und Journalist Roland Sieber beschäftigt sich schon seit Jahren intensiv mit der Szene. Und er kennt auch die in Deutschland noch sehr junge rechtsterroristische Bewegung "Feuerkrieg Division". Er beschreibt sie so: "Es sind etwa 50 bis 70 Mitglieder, die sich vorrangig aus jungen Neonazis rekrutieren. Und sie sind alle ideologisch gefestigt und sehr gewaltaffin."
Unter anderem veröffentlichten sie im Chat auch das Live-Video von Stephan B., als er mordend durch Halle lief, und lobten die Hinrichtung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Sie verehren Robert Bowers, einen 46 Jahre alten Fernfahrer und Waffennarr, der am Morgen des 27. Oktober 2018 in eine Synagoge in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania stürmte und elf gläubige Juden erschoss. Und sie huldigen dem Christchurch-Attentäter, der im neuseeländischen Christchurch am 15. März 2019 in zwei Moscheen 51 Muslime erschoss und das Grauen live streamte.
Ihre Feinde sind Politiker, Juden, Feministen, Homosexuelle, Ausländer oder Linke. Und sie wünschen sich, dass die Synagogen wieder brennen mögen. Utensilien dazu bieten sie gleich online an. "Propaganda und Aufrufe zu Gewalt und Terrorismus werden sehr offensiv verbreitet. Wer internetaffin ist, findet online mit wenigen Klicks Anleitungen zum Bau von Schusswaffen und Sprengsätzen, die von der 'Feuerkrieg Division' und deren Anhänger verbreitet werden", sagt Roland Sieber. "Einiges davon auch unverschlüsselt und im Clearnet für jedermann aufzurufen."
"Dekkit", so sein Chatname, war 2019 in den USA und soll sich dort unter anderem mit Mitgliedern der "Atomwaffen Division" (AWD) getroffen haben, wie der "Spiegel" berichtet. Diese rechtsterroristische Gruppe erschien erstmals im Oktober 2015 in Florida auf der Bildfläche. Sie gilt als eine der gefährlichsten Neonazi-Gruppen der Gegenwart. In den USA soll sie um die 100 Mitglieder haben, rund 100 Interessenten stehen angeblich auf der Bewerberliste. Für mindestens fünf Morde sind sie verantwortlich. Und es gab Planungen für Anschläge auf kritische Infrastruktur wie Atomkraftwerke und Regierungsgebäude. Inzwischen wurde auch schon ein Zusammenschluss beider Gruppen diskutiert. Ob "Dekkit" deshalb in die Staaten reiste, ist nicht bekannt.
Mit Terror zum Zusammenbruch der Ordnung
Sie alle eint ihr rassistisches Weltbild. Sie glauben an die angeblich naturgegebene Vorherrschaft der weißen Rasse und sie sind sich sicher, diese Rasse werde bedroht. Von politischen und wirtschaftlichen Eliten, allen Nicht-Weißen, den Juden, Muslimen, Homosexuellen. "Sowohl die AWD als auch die FKD berufen sich ideologisch auf den Nationalsozialismus und auf die Schriften mit dem Titel 'Siege' (Belagerung) des US-Neonazis James N. Mason", sagt Buchautor Sieber. "Mit Gewalttaten und Terroranschlägen wollen diese den Weg zum Zusammenbruch der demokratischen Länder und der internationalen Staatenordnung hin zum globalen apokalyptischen Rassenkrieg beschleunigen."
Noch ist nicht sicher, wie groß die Gefährdung durch die "Feuerkrieg Division" tatsächlich ist. Doch der Verfassungsschutz ist alarmiert. "Die 'Feuerkrieg Division' ist den Sicherheitsbehörden bekannt. Die Sicherheitsbehörden widmen sich verstärkt der Aufklärung rechtsextremistischer Internetgruppierungen", sagt Angela Pley, Sprecherin beim Bundesamt für Verfassungsschutz.
Mehr als 200 Tote durch rechtsextreme Gewalt hat die Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin seit 1990 gezählt. Und nach Kassel, Halle, Hanau wird deutlich: Der Weg vom Rechtsextremisten hin zum Rechtsterroristen wird immer kürzer. Und die Botschaft der "Feuerkrieg Division" unterstreicht das eindeutig. "Wir töten jeden, der sich uns in den Weg stellt."
Quelle: ntv.de