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Skurrile Abwehrschlacht im Senat Hegseth könnte wegen Jesus Trumps Verteidigungsminister werden

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Bei einer hitzigen Anhörung im US-Senat wehrt sich der designierte Verteidigungsminister Pete Hegseth mit allem, was er hat. Das ist nicht viel, dafür sind die Anschuldigungen gegen ihn zu umfangreich. Doch die Republikaner stellen sich hinter Donald Trumps Wunschkandidaten für das Pentagon.

Viel reden, wenig sagen, und sonst auf Jesus verweisen. Das ist offenbar die Verteidigungsstrategie von Pete Hegseth, als dieser am Dienstag vor den Militärausschuss des US-Senats tritt. Die Vorwurfliste gegen den Wunsch-Verteidigungsminister des künftigen Präsidenten Donald Trump ist ellenlang: Es stehen sexuelle Angriffe und Belästigung darauf, die Missachtung des Kriegsrechts, rassistische und sexistische Kommentare über Soldatinnen und Soldaten, sowie exzessiver Alkoholmissbrauch während der Arbeitszeit. Ihm wird auch christlicher Extremismus nachgesagt.

Im Senat musste Hegseth sich verteidigen, damit die neu zusammengesetzte Kommission, in der nun die Republikaner die Mehrheit stellen, seine Bestätigung empfiehlt. Stimmen danach mindestens 50 von 53 republikanischen Senatoren für ihn, wird er in Trumps zweiter Amtszeit das Pentagon leiten. Hegseth ist der umstrittenste Kandidat im Schattenkabinett des künftigen Präsidenten. Doch sechs Tage vor dessen Amtseinführungszeremonie in Washington schlägt der 44-Jährige sich beachtlich - im Rahmen seiner realistischen Möglichkeiten.

Die Demokraten nehmen den früheren Soldaten und Moderator des Fernsehsenders Fox News unter Dauerfeuer, um ihn zu diskreditieren, und der schmeißt sich in Deckung. Die Republikaner werfen ihm dazwischen Schaumstoffkugeln zu, die er entspannt fängt. So geht das nach ein paar Anfangserklärungen stundenlang im Wechsel. Seine Äußerungen über Frauen, die Vorwürfe über Alkoholexzesse und seine fehlende Erfahrung stehen bei den Kritikern im Vordergrund.

"Achse der Aggressoren"

Haben konträre Ansichten: Die Senatoren Roger Wicker und Jack Reed.

Haben konträre Ansichten: Die Senatoren Roger Wicker und Jack Reed.

(Foto: AP)

Der neue Vorsitzende Roger Wicker meint, der Kandidat sei eine "exzellente Wahl", weil er "unkonventionell" sei, so wie Trump selbst. Das Verteidigungsministerium habe einen bürokratischen Wasserkopf und sei zu schwerfällig für den "Wettbewerb der großen Mächte", so der Republikaner. Die USA befänden sich im "gefährlichsten Sicherheitsumfeld seit dem Zweiten Weltkrieg", da eine "Achse der Aggressoren" mit militärischer Kooperation zwischen China, Russland, Iran und Nordkorea hervortrete. Er nennt zudem aktuelle Gleichstellungsmaßnahmen im US-Militär "zersetzend" - ein Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Stunden folgen wird.

Sein Gegenpart, Senator Jack Reed, zeichnet ein anderes Bild; nie habe das US-Militär so sehr die Gesellschaft abgebildet wie aktuell. Er zählt die Vorwürfe gegen Hegseth auf, etwa dass er in der Vergangenheit die Genfer Konvention infrage stellte und Kriegsverbrecher vom Haken gehen ließ. Hegseth ist auch Buchautor, etwa von "Amerikanischer Kreuzzug" und "Krieg gegen die Krieger", in denen er auch von angeblichen Mängeln im Militär schreibt. Er führt darin aus, Frauen hätten im Kampfeinsatz nichts zu suchen, und die Demokraten seien schlicht Feinde. "Wie können wir sicher sein, dass sie nicht ins Fadenkreuz geraten?", fragt Reed rhetorisch und urteilt: "Ihnen fehlt der Charakter, die Ruhe und Kompetenz für das Amt des Verteidigungsministers."

Hegseth nimmt kurz Stellung - und beginnt mit einem ausführlichen Glaubensbekenntnis an Gott. Er zählt seine sieben Kinder auf und erntet die ersten Lacher ("Entschuldigen Sie, es sind viele"), wirkt ziemlich entspannt. "Du bist ein Frauenfeind", tönt es da aber aus dem Publikum, "ein christlicher Zionist", bevor die Sicherheitskräfte den Störer entfernen. Zwei weitere Male wird Hegseth ähnlich unterbrochen und für seine Ansichten zu Israels Krieg in Gaza kritisiert. Diesen "existenziellen Krieg" unterstütze er, um "Hamas bis zum letzten Mitglied zu zerstören und zu töten", sagt der Nominierte später.

"Woke ist schwach"

Die Ukraine kommt bei ihm kaum zur Sprache, Hegseth sagt lediglich, dass der zukünftige Schwerpunkt auf der Bedrohung des kommunistischen Chinas und deshalb dem Indopazifik liegen sollte. Mehrmals legt er inhaltliche Spagate hin. "Frieden durch Stärke" sei die Prämisse, also Abschreckung und vor allem die Verteidigung des eigenen Landes. "Die Politik sollte im Militär keine Rolle spielen", um die Kampfbereitschaft zu erhöhen und die "Standards" zu verbessern, fordert er. Welche das sind, erklärt er nicht.

Weniger Bürokratie und weniger "woke", das ist offenbar seine Universalformel und die einzigen etwas konkreteren Vorhaben, von denen Hegseth spricht. So kündigt er etwa an, er werde die Mitarbeiterzahlen im Ministerium und der Kommandeure verkleinern. Die USA hätten den Zweiten Weltkrieg mit sieben Vier-Sterne-Generälen gewonnen, heute seien es 44. "Es gibt ein umgekehrtes Verhältnis zwischen Stabsgröße und Siegen auf dem Schlachtfeld." Tatsächlich wurde in Trumps Team nach seinem Wahlsieg darüber diskutiert, unliebsame Offiziere, insbesondere Generäle aus dem Militär zu entfernen. Es sollen schwarze Listen mit Namen existieren.

Für Hegseth ist "Politik" offenbar alles, was nicht der eigenen Überzeugung entspricht: Soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung, die will er im Militär ausmerzen, sagt er. "Woke ist schwach", kommentiert einer der republikanischen Senatoren, nachdem er sich zufrieden mit Hegseths Antwort gezeigt hat, es gebe nur zwei Geschlechter. Zugleich behauptet er gemeinsam mit einem anderen republikanischen Senator, die US-Armee sei "vielleicht die größte Bürgerrechtsorganisation der Geschichte".

Immer wieder nehmen ihn Demokraten wegen seiner Kommentare über Frauen aufs Korn. Irgendwann sagt Hegseth zur Begründung seines Sinneswandels, dass die Frauen im US-Militär (etwa 18 Prozent der Truppe) weiterhin dienen sollen: Bücher schreiben sei das eine, das Amt des Verteidigungsministers etwas anderes.

Jesus ist seine Antwort

Die Demokratin Elissa Slotkin hatte knallharte Fragen.

Die Demokratin Elissa Slotkin hatte knallharte Fragen.

(Foto: AP)

Mehrmals, wenn es um Anschuldigungen gegen ihn besonders hitzig wird, verweist Hegseth auf seinen Glauben. "Ich habe vieles falsch gemacht in meinem Leben, werde aber erlöst von meinem Herrn und Erlöser Jesus", sagt er einmal. Das ist seine Hauptverteidigungslinie, wenn es um frühere Verfehlungen geht. Sie hält. Er dementiert fast nie, sondern weicht aus, windet sich, lässt selbst genaueste Fragen unbeantwortet und tut sonst fast alles als "Schmutzkampagne" oder "anonyme Vorwürfe" ab.

Ein Auszug: Würden Sie unbewaffneten Demonstranten in die Beine schießen lassen, wie dieser schon einmal gefordert hatte? Keine klare Antwort. Würden Sie einen Befehl befolgen, militärisch Grönland oder Dänemark zu besetzen? Antwort: "Ich würde Befehle nie öffentlich diskutieren." Schlussfolgerung der Senatorin: "Das klingt für mich, als würden sie erwägen, einen Befehl auszuführen, den Panamakanal zu übernehmen oder in Grönland einzurücken." Als er zur Genfer Konvention gefragt wird, sagt er, USA würden sich unter "America First" keinen internationalen Organisationen unterwerfen.

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Nachdem ihm ein weiterer Demokrat die Vorwürfe seiner Alkoholexzesse während der Arbeitszeit um die Ohren gehauen hat, nimmt ihn die Senatorin Elissa Slotkin in die Mangel. Sie fragt, ob er Befehlen folgen würde, die gegen die Verfassung verstoßen, oder ob es die aus seiner Sicht überhaupt gebe? Würde er das Militär in Internierungslager einsetzen? Sich einmischen, wie Gesetze bei der Truppe durchgesetzt werden? Soldaten gegen "den Feind im Innern" kämpfen lassen? Im Wahlkampf hatte Trump so mehrere Demokraten bezeichnet. Hegseth windet und windet sich um klare Antworten. Aber er hält durch, und nach vielen Stunden ist auch die vorerst letzte Frage gestellt.

Kleine Aufreger gibt es auch - denn Hegseth traf vor der Anhörung nicht wie üblich auch die Senatoren der Opposition, und nun wischt der republikanische Vorsitzende den Antrag auf die übliche zweite Fragerunde vom Tisch. Viele erhellende Antworten hätten die Senatoren wohl ohnehin nicht erhalten. Hegseth wirkt zufrieden nach dem Halbtagsmarathon: Er grinst, schüttelt Hände, lässt sich von Unterstützern im Saal beglückwünschen und verlässt ihn mit erhobener Faust. Er hat eine Abwehrschlacht geschlagen. Möglicherweise schon kommende Woche darf er im Pentagon auf Angriff umschalten.

Quelle: ntv.de

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