Politik

Lauterbach, Söder und das Netz Wut über 50.000 im Kölner Stadion kocht über

Dicht gedrängte Kölner Fans ohne Maske sorgen für Entrüstung in Deutschland.

Dicht gedrängte Kölner Fans ohne Maske sorgen für Entrüstung in Deutschland.

(Foto: imago images/Chai v.d. Laage)

50.000 Fußballfans feiern den Derby-Sieg des FC Köln über Borussia Mönchengladbach - dichtgedrängt, singend und oft ohne die vorgeschriebene Maske. Politiker und das Internet reagieren entrüstet. Die AfD scheint sich dagegen über die maskenlosen Zuschauer zu freuen.

Kennen Sie die britische Kinderbuchreihe "Wo ist Walter?"? Dort treibt sich ein junger Herr mit rotweiß gestreiften Klamotten und rotweiß gestreifter Mütze auf detailreichen Wimmelbildern so geschickt herum, dass er für den Betrachter kaum zu finden ist. Nun, seine Farben passen schon mal zum FC Köln. Und auch beim Bundesliga-Derby zwischen dem Effzeh und Borussia Mönchengladbach kam sich mancher Beobachter wie beim "Wo ist Walter?"-Spiel vor. Dann nämlich, wenn sie oder er versuchte, im pickepackevollen Stadionrund Fans zu erhaschen, die sich an die auferlegte Maskenpflicht hielten.

Das mit 50.000 Zuschauern ausverkaufte RheinEnergieStadion sorgte vielerorts für Entrüstung. Schließlich herrschen Zeiten, in denen die Corona-Infektionszahlen wöchentlich neue, traurige Höchstwerte erreichen, Intensivstationen kaum noch Platz haben, Pflegerinnen und Pfleger über dem Limit arbeiten und manche Bundesländer sich schon in Teil-Lockdowns befinden. Doch trotz wiederholter Aufforderungen durch den Stadionsprecher hielten sich am Samstagnachmittag viele (natürlich nicht alle, Bilder zeigten auch Reihen voll mit Masken-Gesichtern) singende, dicht gedrängt sitzende oder stehende Fans nicht an die Maskenpflicht. Im Stadion galt die 2G-Regel. Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte die 50.000 in Köln vor dem Derby im ARD-Interview als "eine angemessene Entscheidung" verteidigt.

"Ich finde es hoch problematisch, was wir beim Fußball sehen. Die Menschen infizieren sich nicht im Stadion, aber die Anreise und die Feiern nach dem Spiel sind die Infektionsherde. Daher sind Spiele im vollen Stadion aktuell nicht akzeptabel", sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der "Bild am Sonntag". "Volle Fußballstadien. Ich frage mich, was die, die auf Intensiv arbeiten, von diesem Land denken, wenn sie das übermüdet und am Ende der Kraft sehen", zeigte sich schon am gestrigen Abend die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, verärgert auf Twitter. "Wirklich Null Verständnis dafür", schrieb sie.

"Wirklich absolut unbegreiflich"

Generell wütete das Netz wie wild nach dem Derby. Viele kreideten die "Verantwortungslosigkeit" und "Egoismus" des FC Köln und seiner Zuschauer an, schrieben von "Verachtung" und "Wut" aufgrund der vielen Corona-Toten und des überlasteten Gesundheitssystems. Andere wollten den Klub und die Fans wegen der nicht durchgesetzten Maskenpflicht belangen und sie die Strafen des in Nordrhein-Westfalen geltenden Bußgeldkataloges blechen lassen. Die Stadt Köln reagierte nun und teilte via Twitter mit: "Gesundheitsamt und Ordnungsamt werden auswerten, ob die kurzfristige Anweisung der Maskenpflicht ausreichend durch den #fckoeln durchgesetzt wurde. Entsprechende Bußgelder werden seitens des Ordnungsamtes geprüft."

Mancher reagierte schlichtweg verdutzt. "Es ist mir wirklich absolut unbegreiflich, wie man kleinen Kindern erklärt, dass sie an St. Martin im Kindergarten keine Laterne basteln und sich treffen dürfen, aber dass 50.000 Leute zu einem Fußballspiel ins Stadion gehen können und das erlaubt ist?", schrieb der Autor und Comedian Bastian Bielendorfer auf Twitter.

Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion im Landtag NRW, Sven Tritschler, schien sich dagegen über die vielen Fans in der Arena ohne Maske zu freuen. Er postete auf Twitter ein Bild der dichtgedrängten Fan-Masse ohne Mund- und Nasenschutz und schrieb dazu: "FC Köln - mein Verein". Den Post versah er mit zwei Herz-Emojis und einem Zwinkersmiley.

Bereits am Samstagabend hatte sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder für weniger Fans in den Stadien starkgemacht. "Die Zuschauerzahlen müssen auf jeden Fall deutlich reduziert werden, und es muss massiver Abstand sein", hatte der CSU-Politiker im Sky-Interview betont. Vor dem Spiel in Köln hatten einige Politiker gar die komplette Unterbrechung der 1. und 2. Fußball-Bundesliga gefordert.

"Wenn die Südtribüne singt, tanzt, lacht"

Doch in Köln herrschte eher Wehmut ob des großen 4:1-Derby-Sieges mit Blick auf die kommenden Wochen, die weitere Beschränkungen mit sich bringen könnten. Die Beteiligten freuten sich über die Massen im Rund. "Es ist schön, diese Emotionen erleben zu können", sagte Köln-Coach Steffen Baumgart: "Ich hoffe, dass uns dieses Gefühl noch lange erhalten bleibt." Er selbst kenne "kein Stadion, das ein Hotspot war." Dabei hatten erst im Sommer Zahlen der Gesundheitsbehörde Public Health England gezeigt, dass die EM-Halbfinals und das Finale in London Superspreader-Events waren. Mark Uth, Torschütze zum wichtigen 2:1, jubelte: "Wenn die Südtribüne singt, tanzt, lacht, trinkt - es gibt kein schöneres Gefühl."

Der Intensivmediziner Michael Hallek von der Uniklinik Köln sagte im WDR, man müsse die 50.000 in Köln "differenziert" betrachten. 2G-Events würden dazu führen, dass sich mehr Menschen impfen lassen, deshalb befürworte er sie, wenn sie konsequent kontrolliert und umgesetzt würden. Zumindest dort, "wo die Inzidenz nicht ganz so hoch" sei, was in Nordrhein-Westfalen "der Fall" sei. Hallek habe selbst erlebt, dass die Kontrollen beim FC Köln relativ stark seien und "man sich dort nicht bewegen kann, ohne die Maske aufzuhaben".

Allerdings: Die "Wo ist Walter"-Suchbilder aus dem Kölner Stadion suggerieren etwas anderes. Und die An- und Rückfahrt der Fans, die Feiern vor und nach dem Spiel kontrolliert niemand. In Sachsen spielte am Samstag übrigens Erzgebirge Aue vor überhaupt keinen Zweitligafans gegen Darmstadt 98 und auch RB Leipzig gegen Bayer Leverkusen wird um 17.30 Uhr ein Geisterspiel.

Quelle: ntv.de

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